Logistikstudie

LogistikstudieHöhere Ölpreise mit geringen FolgenWie reagiert die Wirtschaft, wenn der Ölpreis steigt? Werden dann neue Distributionskonzepte aufgelegt? 4flow AG hat in einer Logistikstudie den Einfluss des Ölpreises auf die Distributionsnetzwerke von Industrie und Handel analysiert.Es ist das Horrorszenario, vor dem sich nicht nur das Transportgewerbe fürchtet, sondern die gesamte Wirtschaft: ein steigender Ölpreis, wie er 2008 zu beobachten war, als für ein Barrel Öl zunächst 86 Dollar und ein halbes Jahr später 144 Dollar zu zahlen war. Höherer Ölpreis mit geringen FolgenDoch welche Auswirkungen ein Steigen der Notierungen an den Rohstoffmärkten auf die (Transport-)Wirtschaft tatsächlich hat, ist mit noch größerer Unsicherheit behaftet als Vorhersagen über den Kursverlauf des schwarzen Goldes. Nicht nur aus der Ecke der Umweltverbände ist immer wieder zu hören, dass höhere Öl- und damit Dieselpreise eine Verteuerung des Transports nach sich ziehen, die die Sendungsströme massiv beeinflussen.Diese These gilt jedoch nur bedingt, wie das Beratungsunternehmen 4flow AG in einer Studie feststellt. Darin wurde untersucht, wie ein höherer Ölpreis sich auf die Lagerstandorte und damit auf die Transportströme von Industrie und Handel auswirkt. Das Ergebnis: „Der Ölpreis hat nur einen sehr geringen Einfluss auf die kostenoptimale Struktur der Distributionsnetzwerke von Industrie und Handel“, sagt Stefan Wolff, Vorsitzender des Vorstandes der 4flowAG.Ein in der Tat überraschendes Ergebnis, wenn man sich die Kosten vergegenwärtigt, die mit höheren Notierungen für Öl an den Rohstoffbörsen verbunden sind. So verteuert bereits ein Anstieg um zehn US-Dollar pro Barrel den Transport per LKW um 2,2 Eurocent pro Kilometer, so die Berechnung der Logistikexperten. Bei einer jährlichen LKW-Fahrleistung in Deutschland von 31,4 Milliarden Kilometer rollen damit immerhin 690 Millionen Euro zusätzliche Kosten auf die Wirtschaft zu, die – von wem auch immer – zu verkraften wären. Und dennoch hätte ein solcher Anstieg keine Auswirkungen auf die Distributionsnetzwerke. Egal, ob der Ölpreis pro Barrel nun 15 Euro oder 91 US-Dollar beträgt (derzeit liegt er knapp unter 80 Dollar): In den Modellen der Studie würde sich die Zahl der Lagerstandorte weder bei den Industriefirmen noch im Handel verändern. Erst ein Ölpreis von mehr als 100 Euro (Industrie) beziehungsweise mehr als 150 Euro (Handel) ruft Reaktionen hervor. Das hängt damit zusammen, dass die Kraftstoffkosten nur einen Teil der Transportkosten und damit einen noch geringeren Teil der Logistikkosten beeinflussen, die letztlich entscheidend für die Distributionsstrukturen sind. Zu den Logistikkosten zählen neben den Transportkosten auch Bestands-, Behälter-, Lager- und Handlingskosten. Die sind jedoch größtenteils unabhängig von Dieselpreisen, steigen aber, wenn die Zahl der Lagerstandorte erhöht wird.Optimum im Handel: Sechs LagerEinen ganz wesentlichen Einfluss auf die Entscheidung, wie viele Lagerstandorte kostenoptimal sind, übt laut Studie der Wert der Waren aus, die das Unternehmen produziert beziehungsweise mit denen es handelt. Denn ist der Wert hoch, wird auch mehr Kapital gebunden. In diesem Fall ist eine Vielzahl von Lägern tendenziell mit höheren Beständen verbunden, die also höhere Kapitalbindungskosten nach sich ziehen. Ein Unternehmen, dessen Warenwerte tendenziell höher sind, wird daher bei steigenden Dieselpreisen nicht so schnell seine Lagerstandorte erhöhen wie ein Unternehmen, dass es mit eher geringeren Warenwerten zu tun hat. Bei einem Ölpreis von 91 US-Dollar pro Barrel und einem Warenwert von 1500 Euro pro Kubikmeter (das entspricht beispielsweise Klebeband, Marmelade oder Müsli) erweisen sich bei dem Industrieunternehmen acht Lagerstandorte am kostengünstigsten. Im Handel sind bei diesem Warenwert hingegen sechs Lagerstandorte die günstigste Variante. Die höheren Logistikkosten beim Handel im Vergleich zur Industrie begründen die Autoren der Studie damit, dass im Handel eine höhere Transportleistung erbracht wird. ❙❚■ Michael CordesBohrinsel von BP: Wie teuer Kraftstoff künftig wird, hängt auch stark von den Erschließungskosten für Rohöl abÖlpreise zwischen 15 und 200 US-Dollar In der Studie werden jeweils ein Industrie- und Handelsunternehmen untersucht, die als repräsentativ gelten. Beide Betriebe bedienen Kunden in allen EU-Staaten (EU 27).Das Industrieunternehmen bezieht seine Waren aus sechs Werken innerhalb der EU.Das Handelsunternehmen wird mit Waren vom Hafen Rotterdam versorgt.Bei beiden Betrieben werden jeweils 15 Betrachtungsszenarien durchgespielt mit einem bis zu 15 Lagerstandorten.Zur Modellierung und zur Optimierung der Netzwerke wurde auf eine Standardsoftware von 4flow AG zurückgegriffen.Die Szenarien wurden mit drei Ölpreisen (15 US-Dollar (Zehnjahrestief), 91 US-Dollar (Durchschnitt 2008) und 200 US-Dollar, jeweils pro Barrel) ausgewertet. Mittels Iterationsschleife wurden weitere Ölpreise zwischen 5 und 200 US-Dollar geprüft.Außerdem wurden unterschiedliche Warenwerte hinterlegt (zwischen 250 Euro und 2000 Euro pro Kubikmeter).Die Autoren weisen darauf hin, dass die Studie nur Anhaltspunkte liefern kann und bei einer konkreten Entscheidung über die optimale Distributionsstruktur die individuellen Gegebenheiten ausschlaggebend sind.Die Studie kostet 100 Euro. Mehr unter www.4flow.de cdEinsparmöglichkeiten im Transport höherWo Stefan Wolff, Vorstandschef von 4flow, die eigentlichen Möglichkeiten sieht, wie man einen Anstieg der Dieselpreise auffangen kann. Nicht nur aus der Umweltlobby kommen immer wieder Stimmen, die sagen: Wenn die Dieselpreise steigen, gewinnt Local Sourcing an Bedeutung. Haben diese Stimmen unrecht?Stefan Wolff: Ja und nein. Wir haben herausgefunden, dass der Rohölpreis einen eher geringen Einfluss auf die Distributionsstrukturen von Industrie und Handel hat. Zum einen, weil der Dieselpreis ja auch von anderen Faktoren wie den Steuern abhängt. Zum anderen ist er nur einer von vielen Kostenfaktoren in der Logistik, dessen Bedeutung man daher nicht überschätzen sollte.Und wann hat der Dieselpreis doch einen Einfluss? Wenn er dauerhaft Dimensionen annimmt wie die fünf Mark pro Liter, die die Grünen mal gefordert haben. Die Kraftstoffpreise müssten sich aus heutiger Sicht schon verdoppeln, damit die Netzwerke anders konzipiert werden. Nur zehn Prozent mehr reichen nicht. Hinzu kommt: Einem Anstieg des Dieselpreises begegnet man heute viel eher damit, seine Transporte anders und besser zu managen, als sein Netzwerk umzubauen.Ist da das größere Potenzial zu holen?Ja, ich kenne Dutzende Beispiele, selbst aus gut aufgestellten Betrieben, wo es ein Potenzial gibt, über eine bessere Auslastung und Bündelung die Transportkosten deutlich zu senken.Warum wird dieses Potenzial nicht ausgeschöpft?Die regionalen Werke eines Unternehmens koordinieren ihre Transporte häufig noch in Eigenregie. Damit können die Transporte gar nicht so gut ausgelastet sein, als wenn man sie zentral steuern würde. Dazu müsste man allerdings Transparenz über die einzelnen Transportströme herstellen, was mit einem hohen Anfangsaufwand verbunden ist, den viele Unternehmen scheuen. Aber es rechnet sich. Hinzu kommt ein Organisationsproblem: Die regionalen Werke sind häufig nicht bereit, den Einfluss über ihre Transportströme an die Zentrale abzugeben. cdInterviewStefan Wolff

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