Logistikstandort Berlin-Brandenburg

Logistikstandort Berlin-BrandenburgUnter den drei besten LogistikregionenBerlin klopft an die Tür zur Champions League: Was die Hertha derzeit nicht schafft, haben die Logistikunternehmen vorgemacht. Der Logistikstandort Berlin-Brandenburg boomt und belegt in Deutschland Rang drei.Wer auf Berlins Straßen unterwegs ist, kennt den Namen Karusseit: Schließlich beliefern die weiß-blauen LKW der Spedition fast alle großen Lebensmittelketten der Stadt. „Die Auftragslage ist gut“, freut sich Geschäftsführer Ralf Karusseit. Vor 20 Jahren hat er seinen Betrieb gegründet. Heute umfasst der Fuhrpark 50 Fahrzeuge. Sorgen machen Karusseit lediglich die Preisvorstellungen mancher Kunden. „Man muss vermitteln, dass ein gewisser Umsatz nötig ist, um qualifiziertes Personal zu halten.“ Logistik-Diaspora? Das war einmal!Die Spedition gehört zu den 400 Unternehmen, die in der Fuhrgewerbe-Innung Berlin-Brandenburg organisiert sind. Seit 125 Jahren macht sich die Organisation stark für die Belange der Verkehrswirtschaft (siehe Kasten). Auch Spediteur Karusseit lobt die Arbeit des Verbands und nutzt die Kontakte zu anderen Speditionen, um Kooperationen einzufädeln.Logistik in Berlin? Wenn davon früher die Rede war, dachte man ausschließlich an Fuhrunternehmer wie Ralf Karusseit, die davon leben, die Einwohner der Hauptstadt zu versorgen. Davon abgesehen galten Berlin und Umland als Industriewüste – und damit auch als Logistik-Diaspora. „Bis auf Schering und die Deutsche Bahn gibt‘s da nichts“, so lautete lange Zeit das gängige Vorurteil in Westdeutschland. Zahlen beweisen, dass das schon lange nicht mehr stimmt: Berlin-Brandenburg gehört aktuell neben Frankfurt am Main und Hamburg zu den Top-3-Logistik-standorten, hat das Beratungsunternehmen BNP Paribas Real Estate in einer Studie ermittelt. „Die Entwicklung war in den letzten 15 Jahren insgesamt positiv“, bestätigt Mark Renner, Netzwerkmanager beim Logistiknetz Berlin-Brandenburg e.V. Die gute Verkehrsinfrastruktur, die erfolgreichen Güterverkehrszentren (GVZ) und das weltweit gute Image von Berlin sieht er als wichtige Argumente für den Standort. 180.000 Mitarbeiter zählt die Logistikbranche in der Region derzeit. Dass in und um Berlin längst nicht mehr nur Politik stattfindet, zeigt ein Blick in die Ansiedlungsbilanz der letzten Jahre. Rolls-Royce produziert in der Region Triebwerke, Daimler montiert Transporter, Volkswagen betreibt hier sein Originalteilelager. Und Siemens hat im Dezember verkündet, ein neues Testzentrum für Gasturbinen in Ludwigsfelde zu errichten. Berlin als Sprungbrett nach OsteuropaGrößter Trumpf der Region ist und bleibt die Nähe zu den Märkten in Osteuropa. Investitionen in die Infrastruktur haben diesen Vorteil in den letzten Jahren noch verstärkt. So wurde die Europastraße 30 durch Brandenburg, einer der wichtigsten Transportwege, im letzten Jahr auf polnischer Seite stark ausgebaut, sodass LKW Richtung Posen (Poznan) jetzt über autobahnähnliche Straßen rollen können. Oft unterschätzt wird die Nähe von Brandenburg zur See. Dabei eröffnet sich auch hier ein großes Potenzial für Dienstleister. Beispiel: Der Logistikdienstleister Lion Group betreibt ein großes Frachtterminal in Forst (Lausitz), unmittelbar am Grenzübergang nach Polen. Hier werden Ladungen umgeschlagen, die per Bahn aus den Seehäfen Hamburg oder Bremerhaven kommen. Kunde der Lion Group ist zum Beispiel der Landmaschinenhersteller John Deere, der seine Logistik für die Ukraine über die Lausitz abwickelt.Künftig will sich die Hauptstadtregion noch stärker als Brückenkopf für ganz Europa profilieren. „Wir liegen nicht nur im Ost-West-Fadenkreuz, sondern auch an der kürzesten Route zwischen Ostsee und Adria“, wirbt Netzwerk-Manager Renner. Zu den Firmen, die diesen Standortvorteil nutzen, gehört auch Zalando: Der Schuh- und Modeversand hat vor einem Jahr in Brieselang (Havelland) ein neues Logistikzentrum eröffnet; daneben wird ein Lager im nahen GVZ Berlin Süd Großbeeren betrieben.Angelockt werden die Firmen allerdings nicht nur durch die gute Lage, sondern auch durch Fördermittel. Gerade die E-Commerce-Branche kann sich über Zuschüsse freuen: 40 Millionen Euro hat sie im letzten Jahr aus öffentlichen Töpfen erhalten. „Die Förderung der Logistikbranche ist gut angelegtes Geld“, findet Klaus-Dieter Licht, Vorstandsvorsitzender der Investitionsbank des Landes Brandenburg. Er rechnet vor, dass durch die Förderung 130 Millionen Euro zusätzlich im Land investiert und 850 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. ❙❚■ Constantin Gillies, freier JournalistEiner der wichtigen Umschlagpunkte in Berlin: das Container Service Centrum Großbeeren125 Jahre: Von der Droschke zum LogistikerDie Fuhrgewerbe-Innung Berlin-Brandenburg gehört zu den ältesten deutschen Standesorganisationen. Sie wurde am 15. März 1887 als Innung der Fuhrherren Berlins gegründet. 1991, nach der Wende, werden die ersten Betriebe aus Brandenburg Innungsmitglied. 2001 folgt die Änderung des Namens in Fuhrgewerbe-Innung Berlin-Brandenburg e. V. Im März feiert der Verband dann in Berlin sein 125-jähriges Jubiläum. cg „Auf den Straßen wurde zu lange Zeit auf Verschleiß gefahren“Michael Eichen, Vorsitzender der Fuhrgewerbe-Innung Berlin-Brandenburg, über die Aufgabe der Politik zur Förderung der Logistikbranche und zur Flexibilität von Hochzeits- und Bestattungsfuhrbetrieben.Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Region für die Logistikbranche? Es gab im Wirtschaftsraum Berlin-Brandenburg in den letzten Jahren viele Ansiedlungen, von denen auch die Frachtführer profitiert haben. Insgesamt allerdings wurden dadurch noch nicht einmal die Volumina aufgefangen, die nach der Wende weggefallen sind, etwa durch den fast völligen Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft, aber auch den Strukturwandel in der Westberliner Industrie. Was sind Ihre Forderungen an die Politik? Wir machen uns stark für den Weiterausbau der innerstädtischen Autobahn, eine bessere Anbindung des neuen Flughafens an den Osten Berlins und mehr Investitionen in die Straßeninfrastruktur insgesamt. Hier ist lange Zeit auf Verschleiß gefahren worden. Das muss sich ändern. Daneben betreiben wir intensive Öffentlichkeitsarbeit: Es geht darum, die Menschen daran zu erinnern, dass es gesellschaftlichen Wohlstand nicht ohne den LKW gibt. Von Ihren 500 Mitglieder sind 400 im Güterkraftverkehr aktiv, der Rest zum Teil in sehr exotischen Bereichen … (lacht): Ja, in der Innung sind zum Beispiel auch das Hochzeits- und Bestattungsfuhrwesen organisiert. Diese Verbindung stammt noch aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Damals gab es Fuhrleute, die Droschken mit weißen oder schwarzen Pferden betrieben – jeweils für Hochzeiten oder Beerdigungen. cgInterviewMichael Eichen

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