Lkw-Parkplatznot: Spezialist fordert Unternehmen zur Eigenverantwortung auf

Der Auto Club Europa (ACE) hat im April gezählt, wie viele Lastwagen an Autobahnen jeweils ab 20.30 Uhr abgestellt wurden. Und das Ergebnis ist keine Überraschung. Auf einem Rastplatz wurde eine Überbelegung von 120 Prozent festgestellt, an anderer Stelle bis zu 160 Prozent. Allein laut einer Zählung der Autobahn GmbH fehlten 2023 über 20.000 Stellplätze. Dr. Klaus Manns, Sachverständiger für Flächen-Optimierung, spricht im Interview mit Lars Hoffmann über Wege, die dramatische Parkplatzsituation in den Griff zu kriegen. Eine seiner Forderungen: Unternehmen aus Logistik und Spedition in die Pflicht nehmen. VerkehrsRundschau: Herr Manns, ist die Lage wirklich so dramatisch? Manns: Die Lage ist dramatisch. Was sich dort abspielt, ist menschenunwürdig. Die Fahrer finden keine Stellplätze, sie müssen sich illegal abstellen, oft verkehrsbehindernd, teilweise verkehrsgefährdend. Und das ist kein gutes Gefühl, wenn man als Fahrer einen ruhigen, erholsamen Schlaf haben möchte. Wir müssen alle überlegen, wie wir endlich der Sache Herr werden. Der Vorstandssprecher beim Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), Prof. Dr. Dirk Engelhardt sagt: „Ab 16, 17 Uhr fängt der Kleinkrieg um die Parkplätze an". Ist das so? Manns: Ja, das ist so. Es ist kein Kampf untereinander, aber es ist ein frustrierender Kamp der Lkw-Fahrer, noch einen Parkplatz für sich zu finden. Ich bewundere die Geduld und die Ausdauer und das vernünftige Umgehen der Fahrer miteinander. Meist parken sie dann nicht auf ausgewiesenen Stellplätzen, sondern in Fahrgassen, Plätze im Bereich der Tankstellen und leider jetzt auch Ein- und Ausfahrten an Rastanlagen oder Standstreifen. Die Suche nach dem Parkplatz kostet den Fahrer und seinen Spediteur ja bares Geld? Manns: Ja, das ist auch eine Ressourcenverschwendung. In der Zeit kann man ja keine Strecke für einen Kunden zurücklegen. Durchschnittlich dauert die Parkplatzsuche zwischen 30 und 60 Minuten. Das ist natürlich auch extrem unwirtschaftlich. Sie haben sich mit dem telematisch gesteuerten LKW-Parken beschäftigt. Das soll langfristig das Problem lindern. Wie ist denn da der Stand der Technik? Manns: Am effektivsten ist Kolonnenparken. Das heißt, alle Lkw stehen hintereinander, wie zum Beispiel, wenn sie aufs Schiff fahren. Mit telematisch gesteuertem Lkw-Parken kann man so zwischen 50 und 100 Prozent mehr Stellplätze auf der gleichen Fläche erhalten. Dazu muss aber jeder Lkw-Fahrer An- und Abfahrtszeit angeben – ihm wird dann ein Parkplatz zugewiesen, den er dann auch ohne zugestellt zu sein, wieder verlassen kann. Das Ganze läuft digital. Frage: Das Bundesverkehrsministerium hatte in der zurückliegenden Legislatur einen 5-Punkte-Plan ausgerufen und verwies dort auch auf den verstärkten Einsatz telematischer Parkverfahren. Wie weit ist das denn? Manns: Den 5-Punkte-Plan unterstütze ich auch. Ich hoffe, dass Verkehrsminister Patrick Schnieder die Bemühungen in gleicher Weise fortführt wie sein Vorgänger. Ich war am 10. Juni bei einer Veranstaltung, da hat er verkündet, dass das Bundesverkehrsministerium (BMV) auf Telematik setzt. In den nächsten 5 Jahren sollen demnach 50 weitere Stellplätze eingerichtet werden. Das Ministerium hat sich früher nicht richtig rangetraut an das System. Es gibt bisher nur elf Anlagen, fünf beim BMV. Jetzt kommt da neuer Schwung rein, auch durch die Autobahn GmbH. Gleichzeitig kommt ja auch immer mehr Schwung in den Güterkraftverkehr, der wird ja zunehmen in den nächsten Jahren. Manns: Untersuchungen zufolge sollen bis 2050 54 Prozent mehr Lkw auf unseren Straßen fahren. Dazu frisst die Ladeinfrastruktur von elektrischen Ladesäulen oder LNG auch Parkflächen. Man schätzt diese Fläche auf 15 bis 20 Prozent. Und diese Flächen sind heute vornehmlich im Bereich der Lkw-Stellplätze. Die Situation verschärft sich also. Gibt es denn noch andere Lösungsansätze? Manns: Ich sehe im Mischparken eine Lösung. Das heißt: Parkplätze werden tagsüber von Pkw genutzt, nachts von Lkw. Es gibt da schöne Beispiele, wo man tagsüber 16 Pkw-Parkplätze hat und nachts neun Lkw-Parkplätze. Außerdem habe ich das System „Koordiniertes Parken“ entwickelt, bei dem man kleinere Parkplätze auch besser nutzen kann. Das mag zunächst wenig erscheinen. Wenn man 2000 Rastanlagen hat, werden ganz leicht aus zehn zusätzlichen Lkw an einer Rastanlage große Zahlen, die wirklich weiterhelfen. Wen sehen Sie denn da bei der Verantwortung in der Pflicht? Manns: Es müssen sich nicht nur die Autobahn GmbH oder das BMV verantwortlich fühlen für die Stellplätze, sondern auch die Nutzer. Die Logistikunternehmen sind da auch gefordert. Meiner Meinung nach müssten alle Firmen, die verladen, müssten auch Stellplätze für das Übernachten der ankommenden Lkw zur Verfügung stellen mit einfachen, aber sauberen Sanitären Einrichtungen.. Da gibt es auch das Förderprogramm „SteP“ beim Bundesamt für Logistik und Mobilität. Das sollte man wesentlich mehr nützen. Für die Firmen hat es den Vorteil, dass es man nicht nur zufriedene Fahrer hat, sondern das ist auf jeden Fall für die Firmen auch ein Imagegewinn. Das ist für mich auf jeden Fall ein wichtiger Ansatz, bevor man da ordnungspolitisch rangeht. Es gibt ja auch Ansätze, Parkflächen jenseits der Autobahnen zu schaffen, zum Beispiel in Industriegebieten. Hier wird gefordert, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Was halten Sie von diesem Vorschlag? Manns: Ich bin im Grunde für jede Möglichkeit, die zusätzliche Stellflächen für Lkw schafft. Aber: wenn die Stellplätze zu weit weg sind von der Autobahn, dann werden sie weniger gut angenommen. Der Bundesverband Güterkraftverkehr (BGL) befürwortet auf jeden Fall, dass auch auf den Flächen seiner Mitglieder diese Stellplätze angelegt werden können. Da muss man im Einzelfall beurteilen, ob das noch angenommen wird oder nicht. Aber grundsätzlich ist das ein ganz wichtiger Ansatz. Hier ist das Genehmigungsproblem weniger groß als beim Bau konventioneller Anlagen an der Autobahn. Hier ist festzustellen, dass aufgrund der Widerstände – meistens sind es Anlieger oder Bürgerinitiativen – es kaum möglich ist, Baurecht zu schaffen. Ich plädiere in diesen Fällen immer dafür, doch auf den eigenen Flächen zu bleiben und öffentlich rechtliche Genehmigungen und Vorschriften so weit wie möglich gering zu halten. Das ist zwar auch kein rein planerischer Ansatz, aber das ist ein strategischer Ansatz, um dann die Stellplätze dort zu schaffen, wo schon bestehende Anlagen sind. Also intensivere Nutzung der vorhandenen Infrastruktur. Da kann man dann auch Toilettenanlagen und Versorgungsmöglichkeiten nutzen und die nicht noch einmal bauen.