LKW-Fahrer

LKW-FahrerEuropa – Ausweg aus der Fahrerkrise?Während hierzulande Unternehmen händeringend nach LKW-Fahrern suchen, sind gerade in krisengebeutelten EU-Staaten wie Portugal und Spanien viele Menschen arbeitslos. Ob und wie die Suche nach Personal im EU-Ausland klappt, lesen Sie hier.Wie lockt man arbeitssuchende Portugiesen in ein deutsches Städtchen, das gerade einmal 37.000 Einwohner zählt und dessen Wirtschaft seit Jahren mit eklatantem Fachkräftemangel kämpft? Diese Frage stellte sich der Oberbürgermeister von Schwäbisch Hall und hatte eine Idee. Kurzerhand organisierte er vor gut einem halben Jahr mit der heimischen Wirtschaft einen „Weltmarktführer-Kongress“, zu dem die Stadt Journalisten aus dem EU-Ausland lud, um diesen den Arbeitsmarkt in Schwäbisch Hall schmackhaft zu machen. Dank dieser Charme-Offensive, so die Idee des OB, sollten interessierte Fachkräfte aus kriselnden europäischen Mitgliedsstaaten in das Städtchen gelockt werden. Und das Konzept kam im Ausland gut an. Jobwunder Schwäbisch Hall„Eine portugiesische Journalistin schilderte in ihrem Artikel unsere Stadt in so schillernden Farben, dass sich sofort 70 Portugiesen ins Auto setzten und hierher fuhren“, erzählt die Sprecherin der lokalen Agentur für Arbeit. Binnen eines Tages hätten sich zudem 2500 Portugiesen per Mail beworben, sagt sie, da die Journalistin in ihrem Artikel auch die Kontaktdaten des lokalen Jobcenters genannt hatte. Alles in allem verzeichnete Schwäbisch Hall einen Bewerber-Ansturm von insgesamt 15.000 Portugiesen. Doch nur für 26 Portugiesen erfüllte sich letztlich der Job-Traum in dem baden-württembergischen Städtchen. Alle anderen gingen leer aus: „Teils aufgrund ihrer mangelnden Deutsch-, teils wegen ihrer fehlenden fachlichen Kenntnisse“, so die Sprecherin der Arbeitsbehörde. Eine ernüchternde Bilanz. Allerdings zeigt das Beispiel auch, wie groß die Not vieler Arbeitssuchenden im europäischen Ausland sein muss, und welches Mitarbeiterpotenzial diese Märkte deutschen Unternehmen bieten können, sofern sie es richtig anstellen.Ein Unternehmen, das dies mittlerweile dank der Zusammenarbeit mit der Straßenverkehrsgenossenschaft (SVG) Stuttgart erfolgreich geschafft hat, ist die Spedition Metzger in Kupferzell. Früher hatte das Unternehmen immer wieder vergeblich versucht, LKW-Fahrer zu gewinnen: „Wir konkurrieren als mittelständische Spedition mit der Industrie. Branchenbedingt ziehen wir da leider öfters den Kürzeren“, begründet Matthias Breuer, kaufmännischer Leiter des Speditionsunternehmens, die Schwierigkeiten von Metzger, qualifizierte Mitarbeiter nach Kupferzell zu holen. Deshalb unterstützte die Spedition letzten November spontan eine Aktion der SVG Stuttgart, die es sich zum Ziel gemacht hatte, arbeitssuchende Slowaken und deutsche Transport- und Speditionsdienstleister zusammenzubringen. Metzger stellte sich bei dieser Aktion als Arbeitgeber zur Verfügung. „So konnten wir insgesamt vier slowakische LKW-Fahrer rekrutieren“, erinnert sich Breuer. Alleine als Unternehmen hätte Metzger das wohl nicht geschafft, sagt er. Im Zusammenspiel mit der SVG Stuttgart, die das Projekt initiiert und begleitet hatte, sei dies einfacher gewesen. ➞ Einziger Wermutstropfen für Breuer: Zwei der so gewonnenen LKW-Fahrer seien sehr bald wieder in ihre alte Heimat zurückgekehrt. Die Bindung an die Slowakei sei letztlich größer gewesen, so der kaufmännische Leiter. Deshalb müsse ein Arbeitgeber unbedingt die ausländischen Mitarbeiter dabei unterstützen, in Deutschland Fuß zu fassen, sich hier integrieren zu können, sagt Breuer.Trotzdem war die Spedition Metzger unterm Strich von den SVG-Aktivitäten so angetan, dass sie auch das jüngste Pilotprojekt der SVG Stuttgart unterstützt, das am 26. September offiziell an den Start geht und dieses Mal schwerpunktmäßig arbeitssuchende LKW-Fahrer aus der spanischen Stadt Motril mit deutschen Transportbetrieben zusammen bringen will. Dazu Uwe Nestel, Geschäftsführer der SVG Stuttgart: „In Deutschland fehlen jährlich knapp 30.000 LKW-Fahrer, ausgebildet werden von den Unternehmen aber nur knapp 3000“, begründet er die aktuelle Initiative seiner Straßenverkehrsgenossenschaft – im Zusammenspiel mit dem RKW Kompetenzzentrum in Eschborn, dem Versicherer R+V (Kravag) und der Sprachenschule IB in Stuttgart. Größter Vorteil: Die spanischen Fahrer verfügen bereits über einen LKW-Führerschein und erste Deutschkenntnisse. Anschließend – so der Plan – absolvieren sie in Stuttgart an der IB Sprachenschule einen weiteren vierwöchigen Deutschkurs und werden dann von der SVG Stuttgart mit eigenen Schulungs-LKW fahrtechnisch zwei Wochen lang fortgebildet. „Unsere Fahrertrainer geben quasi technisch den Feinschliff und prüfen zum Beispiel, ob sie mit Wechselbrücken und Sattelzügen umgehen können“, führt Nestel auf. Kurz: „Wir bereiten sie auf den deutschen Markt vor.“ Außerdem gründete der SVG-Vorstand parallel einen Arbeitskreis mit bislang 15 interessierten Transport- und Speditionsbetrieben, die in Zukunft mit den spanischen Fahrern zusammen arbeiten wollen. Zurückhaltung auf beiden SeitenÜberrascht hat Nestel allerdings die Zurückhaltung auf beiden Seiten: „Die Spanier sind offenbar sehr heimat- und familienverbunden“, sagt er. Die Umzugsfreude nach Deutschland habe sich aus diesem Grund in Grenzen gehalten, formuliert er es vorsichtig. Aber auch die deutschen Firmen hätten nicht zuletzt aufgrund der Sprachbarrieren gewisse Bedenken gezeigt. „Vielen Speditionen sind die Deutschkenntnisse ihrer Bewerber sehr wichtig“, weiß Nestel, „insbesondere im Stückgutgeschäft“. „Aus diesem Grund sind wir mit unserer Idee nicht sofort mit offenen Armen empfangen worden“, räumt er ein. Inzwischen aber ist er sich sicher, dass das Pilotprojekt ein Erfolg wird: „Wir haben jetzt ausreichend Interessenten und können plangemäß im September starten“, sagt er. Und was wäre schlussendlich Nestels größter Wunsch? „Mir wäre es wichtig, dass wir aufgrund dieses Pilotprojekts übertragbare Prozesse schaffen und weitere Unternehmen für dieses Projekt begeistern“, sagt er. Denn Ziel sei es ja letztlich nicht, LKW-Fahrer ausschließlich aus Spanien für den deutschen Transportmarkt zu rekrutieren und zu qualifizieren, sondern aus allen EU-Mitgliedstaaten, die im Moment krisenbedingt unter hoher Arbeitslosigkeit leiden, betont der Geschäftsführer. Und schlussendlich soll das Stuttgarter Pilotprojekt künftig auch an anderen SVG-Standorten in Deutschland umgesetzt und gelebt werden, kündigt Nestel gegenüber der VerkehrsRundschau an. „Die Straßenverkehrsgenossenschaften wollen schließlich das Transportgewerbe dabei unterstützen, an ausreichend qualifizierte LKW-Fahrer zu kommen. Das ist das Ziel“, sagt er. Nur eines will der Geschäftsführer der SVG-Stuttgart zum jetzigen Zeitpunkt nicht verraten: Wie viel Euro konkret ein Transport- und Speditionsunternehmen für diesen neuen Service in Zukunft zahlen muss. ❙❚■ Eva HassaGerade die südlichen EU-Staaten bergen Arbeitskräftepotenzial – auch für kleinere BetriebeLKW-Fahrer„Firmen müssen Neuankömmlingen eine Heimat bieten“Was Transport- und Speditionsbetriebe bei der Suche nach Fachkräften aus dem EU-Ausland beachten sollten, sagt Markus Matschiner, Möckel & Partner Partner4logistics in Augsburg. Wie interessiert sind derzeit deutsche Firmen, ihren Fachkräftemangel über Mitarbeiter im EU-Raum zu beheben?Markus Matschiner: Das ist sehr unterschiedlich. Im LKW-Fahrerbereich wird bereits sehr stark in EU-Mitgliedstaaten rekrutiert, insbesondere in Süd- und Osteuropa. Die großen Speditionen sind da natürlich im Vorteil, weil sie im Ausland mit eigenen Niederlassungen vor Ort präsent sind und dort über Austauschprogramme Mitarbeiter nach Deutschland holen können. Mittelständler suchen dagegen den Weg über ihre bestehenden Partnerschaften im EU-Ausland und bitten diese um Empfehlungen. Wie erfolgreich lassen sich über diese Kanäle Mitarbeiter für Deutschland finden?Gerade was das Thema LKW-Fahrer angeht, scheint dies aus unserer Erfahrung gut zu klappen. Wie es aussieht, werden etliche Mittelstandsbetriebe diesen Kanal deshalb über das europäische Ausland in den nächsten Jahren noch deutlich ausbauen. Denn der Fahrermarkt in Deutschland bleibt schwierig. Und wenn ein Mittelständler diese partnerschaftlichen Beziehungen im EU-Ausland nicht hat?Sich ohne solche Netzwerke im Ausland bekannt zu machen, ist schwierig. Denn Stellenanzeigen oder auch Artikel in ausländischen Medien empfehlen sich nur bedingt, wie das Beispiel Schwäbisch Hall zeigt. Die Stadt hatte aufgrund ihrer medialen Aktion zwar extrem viel Resonanz. Aber Quantität ist nicht immer Qualität. Deshalb rate ich Firmen: Gehen Sie den Weg über Partnerschaften. Entweder über befreundete Speditionen, Personalvermittler mit gutem Netzwerk oder öffentliche Stellen wie die Agenturen für Arbeit. Diese kooperieren mit der zentralen Arbeits- und Fachvermittlung (ZAV) in Frankfurt, die wiederum im Ausland mit Partnern zusammenarbeitet. Auch über diesen Weg kann man qualifizierte Mitarbeiter aus dem Ausland finden – mit dem Vorteil, dass diese Stellen bereits vor Ort sitzen und mit Bewerbern ein Vorab-Gespräch führen und diese vorab selektieren können.Was sind typische Fehler bei der Mitarbeiter-Rekrutierung aus dem EU-Ausland?In der Regel verlassen nur qualifizierte und leistungswillige Mitarbeiter ihre Heimat und ziehen für einen beruflichen Wechsel beispielsweise nach Deutschland. Trotzdem werden diese hierzulande häufig zunächst unter ihren Qualifikationen eingesetzt, weil sie noch nicht ausreichend deutsch sprechen. Das ist vor allem bei kaufmännischen Mitarbeitern der Fall. Für deutsche Arbeitgeber ist es also wichtig, dass sie Neuankömmlingen eine Heimat bieten und diesen unter Umständen einen Deutschkurs sowie die nötige Fachqualifizierung finanzieren, die neuen Mitarbeiter aber auch beim Aufbau sozialer Netze unterstützen. Wichtig ist also nicht nur Integration am Arbeitsplatz, sondern auch im privaten Umfeld. Was ist der wichtigste Tipp, den Sie Firmen zu diesem Thema geben?Es ist nicht selbstverständlich, dass Fachkräfte nach Deutschland kommen. Wir konkurrieren, etwa bei Topkräften, weltweit mit anderen Ländern. Das muss sich ein Unternehmer bei seiner Mitarbeitersuche bewusst machen. Und schlussendlich sollte er die sprachlichen und Mentalitätsprobleme bei der erfolgreichen Integration nicht unterschätzen. ehInterviewMarkus MatschinerLKW-FahrerTippWie Sie Mitarbeiter aus dem EU-Ausland finden und bindenFachkräfte aus dem Ausland haben die Transport- und Logistikbranche bei Bewerbungen nach wie vor zu wenig auf dem Schirm. Auch hier leidet die Branche unter ihrem Image. Umso wichtiger ist es, sich als Unternehmen im Ausland „sichtbar“ zu machen. Personalexperte Markus Matschiner empfiehlt dafür die gezielte Schaltung von Stellenanzeigen in ausgewiesenen Zeitungen und Zeitschriften vor Ort. Die Vorab-Auswahl der Bewerber sollte dann ein Partner vor Ort vornehmen.Persönliche Empfehlungen sind immer die beste Mund-zu-Mund-Propaganda. Warum also nicht Mitarbeiter, beispielsweise über die sozialen Medien wie Facebook & Co., gezielt Werbung für das eigene Unternehmen machen lassen?Ist der Mitarbeiter einmal gefunden, muss ein Unternehmen alles daran setzen, ihn zu binden. Personalexperte Matschiner empfiehlt hier – wie in USA und Kanada auch – eine entsprechende „Willkommenskultur“ in deutschen Betrieben zu schaffen. Sprich: Nur wenn sich der Mitarbeiter im deutschen Umfeld wohlfühlt, wird er auch bleiben.Um diese „Willkommenskultur“ zu schaffen, kann ein Unternehmer laut Matschiner beispielsweise die neuen Mitarbeiter dabei unterstützen, ihr soziales Netz auszubauen, etwa über Vereine oder private Aktivitäten mit anderen Mitarbeitern aus dem Unternehmen. eh

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