Liquiditätsmanagement: Gerangel ums Geld

In Kürze So hoch wie im zweiten Halbjahr 2022 war der Zahlungsverzug seit sieben Jahren nicht mehr. Das hat die Wirtschaftsauskunftei Creditreform ermittelt. Wir verraten, wie Transport- und Speditionsdienstleister gegensteuern können, um liquide zu bleiben. "Die Zahlungsmoral der Unternehmen wird schlechter", sagt Jürgen Fedrowitz, Inhaber der Logistik-Unternehmensberatung Fedrowitz Consulting in Gladbeck. "Die Firmen zögern vermehrt die vereinbarten Zahlungsziele hinaus." Das beobachtet er vor allem bei kleinen und mittelständischen Betrieben. Für Dienstleister doppelt gefährlich "Es gibt mittlerweile Unternehmen, die erst nach 100 Tagen ihre Dienstleister bezahlen", weiß Fedrowitz. "Transportunternehmer müssen jetzt dringend aufpassen, dass sie nicht auf ihren offenen Forderungen sitzen bleiben." Denn auch sie müssten ja ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen. Erschwerend komme hinzu, dass kleinere Transportbetriebe oft auf Zuruf Transporte übernehmen, also ohne feste vertragliche Vereinbarung mit dem Kunden. Gehen dann die Transportmengen nach unten, so wie es derzeit der Fall ist, werde es für solche Dienstleister doppelt gefährlich, mahnt Fedrowitz. "Denn wenn die Mengen sinken, streichen Auftraggeber meist die Dienstleister als Erstes von ihrer Auftragsliste." Dass die Zahlungsmoral der Unternehmen in Deutschland schlechter wird, zeigt auch der Zahlungsindikator Deutschland der Wirtschaftsauskunftei Creditreform, der im Februar erschienen ist (siehe Grafik Seite 21). Demnach ermittelte Creditreform im Zeitraum zwischen Juli und Dezember 2022 im B2B-Geschäft eine durchschnittliche Verzugsdauer von 10,95 Tagen. Im ersten Halbjahr 2022 waren es noch 10,51 Tage. Das bedeutet: Der Zahlungsverzug erreichte hierzulande mit knapp elf Tagen einen neuen Höchststand. "Der Anstieg der Zahlungsverzögerungen in einer Phase des Konjunktur-abschwungs lässt bei Kreditgebern und Gläubigern die Alarmglocken schrillen", sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung in Neuss. "Die Gefahr von Forderungsausfällen ist so hoch wie seit Jahren nicht mehr." Für die Studie hatte Creditreform rund vier Millionen Rechnungsbelege ausgewertet. Auftraggeber wieder am längeren Hebel Ein spürbar verschlechtertes Zahlungsverhalten beobachtet die Wirtschaftsauskunftei demnach vor allem bei Großhandelsunternehmen (+1,25 Tage) und bei Dienstleistern. So zahlten Debitoren aus dem Bereich unternehmensnahe Dienstleistungen ihre Rechnungen 0,70 Tage später als zuletzt. Bei personenbezogenen Dienstleistern stieg die Verzugsdauer um 0,80 Tage. Verringert hat sich der Zahlungsverzug dagegen in der Grundstoffwirtschaft (- 0,61 Tage), ebenso bei Bau- und Chemieunternehmen, die ihre Rechnungen 0,31 beziehungsweise 0,25 Tage schneller beglichen als in der Vorperiode. Trotzdem ist der Zahlungsverzug in der Baubranche weiterhin am längsten (14,79 Tage). Überdurchschnittlich lange Verzögerungen müssen Kreditgeber mit 12,87 Tagen mittlerweile auch bei Geschäften mit unternehmensnahen Dienstleistern einkalkulieren. Dass die Zahlungsmoral sinkt, bestätigt auch Bernhard Rieger, Inhaber der Logistikberatung BR Consulting in Röhrmoos bei München. Problematisch sei dies deshalb, weil sich die Wirtschaft an sich abschwäche. "In den letzten zwei Jahren konnten die Dienstleister aufgrund der Kapazitätsengpässe fast jeden Preis verlangen", führt Rieger aus. "Jetzt dreht sich das. Nehmen die Transport- und Sendungsmengen ab, sitzen die Auftraggeber wieder am längeren Hebel." Sprich: Die Preise werden - obwohl im Moment noch sehr hoch - auf absehbare Zeit sinken, erwartet der Branchenkenner. "Transport- und Speditionsbetriebe müssen jetzt also dringend alles dafür tun, um ihre Einnahmenseite zu stärken, denn die Kosten steigen ja überall." Die gute Nachricht ist: Es gibt etliche Hebel, an denen auch kleinere und mittelständische Dienstleister ansetzen können, um ihre Einnahmenseite zu stärken (siehe Kasten unten). Und da hilft es schon, an scheinbar banal klingenden Schräubchen zu drehen. So stellt Rieger in Beratungsgesprächen immer wieder fest, dass kleine Transportbetriebe mit ihren Auftraggebern nicht einmal Zahlungsziele vereinbart haben, diese dann aber an einzuhaltende Zahlungsfristen erinnern. Und in etlichen Fällen seien zwar Zahlungsziele zum Beispiel binnen 20 Tage nach Rechnungserhalt mit dem Kunden vereinbart, der Dienstleister würde dann aber erst nach 30 Tagen nachfassen. "Wer will, dass die Kunden pünktlich bezahlen, muss Fristen notieren und dann konsequent an diesen Tagen nachhaken", betont der Berater. Und natürlich sollte ein Transportdienstleister auch auf eine kürzere Rechnungslegung Wert legen. Anstelle seine erbrachten Leistungen nur einmal im Monat beim Kunden abzurechnen, sollte man dies schon nach einer Woche tun. "Und diese wöchentliche Abrechnung gilt es dann, konsequent mit Kunden zu vereinbaren und bei diesen einzufordern. Das hilft, den Zahlungseingang zu beschleunigen, und wirkt sich positiv auf die Liquidität aus", sagt Rieger. Er kenne keinen Verlader, der mit einer kürzeren Rechnungslegung ein Problem habe, zumal sie in Bezug auf die Rechnungskontrolle erhebliche Vorteile bietet. Vielen sei dies lieber als ein kürzeres Zahlungsziel. Signale unpünktlicher Bezahlung Positiver Nebeneffekt dabei ist im Übrigen auch: Je enger ein Transportunternehmer an seinem Auftraggeber dran ist, desto schneller bekommt er etwaige Unregelmäßigkeiten mit. "Bezahlt ein Kunde zum Beispiel immer unpünktlich und stets nur nach hartnäckigem Drängeln, kann dies auch darauf hindeuten, dass er Zahlungsprobleme hat", erklärt Rieger. "Gerade jetzt, da die Insolvenzzahlen - auch in Deutschland - wieder steigen, sollten da bei einem Transportdienstleister sofort die Alarmglocken schrillen, damit er nicht auf den offenen Forderungen sitzen bleibt." "Unabhängig davon nutzen Transport- und Speditionsbetriebe noch zu wenig innovative Formen der Preisgestaltung - Stichwort Preiszuschläge", weiß Rieger. Davon gebe es unzählige Arten, er nennt auch Beispiele: für Zeitfensterbuchung, Sperrigkeit, Gefahrgut pro Packstück, nicht kettenfähiges Gut, Belabelung eines nicht belabelten Gutes, Gebühren etwa bei Selbstabholung oder auch bei Nichttausch von Lademitteln. Oder kurz: "Alles, was dem Transporteur und Spediteur Zusatzaufwand verursacht, sollte er den Kunden in Rechnung stellen - und Zuschläge sind dafür ein probates Mittel", betont der Experte. Denn Kunden seien tendenziell eher bereit, solche Zuschläge zu akzeptieren als eine pauschale Frachtpreis-Erhöhung. Und was ist Riegers wichtigster Tipp an Transporteure, um ihre Einnahmenseite zu stärken? "Ergänzend zur Neukundenakquise, sollte man besser sein Geschäft mit den Bestandskunden ausbauen, etwa über Länderaktionen." Das heißt: Bestandskunden erhalten für bestimmte Länderverkehre rabattierte Preise. "Das ist keine neue Idee, aber sie hilft auch heute noch, Kunden zu binden", empfiehlt der Berater. "Der Griff zum Telefonhörer ist oft die einfachste Lösung" Jürgen Fedrowitz, Inhaber der Logistik-Unternehmensberatung Fedrowitz Consulting in Gladbeck Transportunternehmen beklagen vermehrt, dass die Auftraggeber ihre Rechnungen nicht pünktlich bezahlen. Was können Transportbetriebe tun, damit sie zu ihrem Geld kommen? Nur wer redet, dem kann geholfen werden. Was ich damit sagen will: Das Wichtigste ist in einer solchen Situation, dass ein Transportunternehmer mit seinem Auftraggeber den Kontakt sucht, mit ihm offen über die Situation spricht. Der Griff zum Telefonhörer ist da stets die einfachste Lösung. Oft ist es ja nicht einmal eine böse Absicht, dass ein Kunde nicht bezahlt. Die Personaldecke in vielen Firmen ist mittlerweile sehr dünn. Wenn dann da ein Mitarbeiter im Urlaub ist oder krankheitsbedingt kurzfristig ausfällt, bleiben auch solche Themen wie etwa offene Rechnungen liegen. Wie aber soll man handeln, wenn der Kunde die Zahlungsziele tatsächlich ausreizen will? Zunächst einmal hilft es, mit seinen Kunden klare Zahlungsziele zu vereinbaren, zum Beispiel 24 Tage. Wenn diese dann nicht zahlen, hilft in der Folgewoche eine freundliche Erinnerung - idealerweise telefonisch oder auch schriftlich. Nach vier Wochen gibt es die erste Mahnung und nach weiteren vier Wochen die zweite Mahnung. Bezahlt der Kunde dann immer noch nicht, kann auch die Einschaltung eines Inkassobüros oder aber eines Anwalts helfen. Den Kunden ist man dann aber in der Regel ebenfalls los. Das muss einem immer bewusst sein. Das ist alles Abwägungssache. Was raten Sie Transportbetrieben, die im Spotmarkt Transporte erbringen, bei säumigen Zahlern? Diese arbeiten ja oft auf Zuruf und ohne feste vertragliche Vereinbarungen. Solche Transportunternehmen haben da wenig Handlungsspielraum, um an ihr Geld zu kommen. Es gibt aber zum Beispiel eine namhafte Frachtenbörse, die bietet solchen Frachtführern mittlerweile eine Forderungsausfallversicherung. Das ist eine Option, die ein Transporteur, der im Spotmarkt tätig ist, sicherlich prüfen sollte. Kann Vorkasse eine Option sein? Ja. Allerdings spielen da nicht alle Kunden mit. Umso wichtiger ist, dass sich ein Transporteur bei einem Neukunden schon vor der Auftragsannahme darüber informiert, wie es um dessen Zahlungsmoral steht. Da gibt es auch im Internet mittlerweile hilfreiche Bewertungsportale. eh Checkliste: So stärken Sie die Einnahmenseite Wenn die Kosten steigen und die Zahlungsmoral der Kunden sinkt, drohen schnell Liquiditätsengpässe. Wer zahlungsfähig bleiben will, sollte dringend an der Stärkung seiner Einnahmenseite arbeiten, rät Bernhard Rieger, Inhaber von BR Consulting in Röhrmoos. Jede Serviceleistung, die ein Transportdienstleister erbringt, muss auch dem Kunden in Rechnung gestellt werden, beispielsweise über kreative Preiszuschläge. Hier nur eine kleine Auswahl: Zeitfensterbuchungen Gefahrgutzuschläge pro Colli manuelle Sendungserfassung Die Checkliste zur Stärkung der Einnahmenseite gibt es unter www.verkehrsrundschau.de/plus/liquiditaet.

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