Hamburg. Prozesse gegen Piraten sollten nach Ansicht des Hamburger Völkerrechtlers Prof. Andreas von Arnauld künftig in der Nähe der Seeräubergebiete geführt werden. Allerdings sollte ein solches Gericht je zur Hälfte aus lokalen und internationalen Richtern bestehen, sagte von Arnauld der Nachrichtenagentur dpa. "Es könnte auf Grundlage einer Resolution des UN-Sicherheitsrates eingesetzt werden."
"Es würde zum einen die Beweisführung erleichtern, weil man nicht Zeugen quer durch die Welt fliegen muss", erklärte der 40-Jährige, der an der Helmut-Schmidt-Universität lehrt. "Und es würde die Verteidigungsrechte der Angeklagten erleichtern, weil sie in der Nähe ihrer Heimat bleiben und nicht in einem weit entfernten Winkel der Erde verurteilt werden." Eine internationale Besetzung des Gerichts könnte dafür sorgen, dass faire Verfahren und Standards bei Menschenrechten eingehalten werden.
Werde Piraten in der Nähe der betroffenen Regionen der Prozess gemacht, fände er vor Ort auch mehr Aufmerksamkeit, ist der Wissenschaftler überzeugt. "Ich habe Zweifel, dass solche Verfahren in Afrika großartig verfolgt werden, wenn sie fernab von dort durchgeführt werden. Dort hat man andere Probleme."
Nur mit Strafverfolgung sei es aber nicht getan, betonte von Arnauld. "Eine zeitlich befristete Freiheitsstrafe schreckt einen Menschen, der in bitterer Armut an der somalischen Küste lebt und keinerlei Berufsperspektive hat, im Zweifel wohl wenig." Zur Bekämpfung der Piraterie müsse man daher gegen die wirtschaftliche Not im bürgerkriegsgeplagten Somalia vorgehen - und den Menschen Perspektiven eröffnen. "Das sind Fischer, die teilweise keine Berufsperspektive mehr haben, weil die internationalen Trawler die Gewässer leergefischt haben." Oder dort Giftmüll verklappen.
Nach Ansicht des Völkerrechtlers müssten die lokalen Strukturen in Somalia gestärkt werden - und nicht bloß eine weitgehend virtuelle Zentralregierung. "Man sollte in die Küstenregionen gehen und dort die lokalen Strukturen unterstützen. Nicht als Invasion, als Besatzung - sondern aufbauend auf vorhandenen Strukturen." Und zwar aus völkerrechtlichen Gründen im Einklang mit der Zentralregierung, auch wenn diese derzeit keinerlei Macht über die betroffenen Küstenregionen habe. Von diesen Regionen geht ein Großteil der Piraterie aus.
Die Piraterie sei inzwischen organisierte Kriminalität, ein einträglicher Zweig der Wirtschaftskriminalität. "Es gibt Leute im Hintergrund, die das Ganze organisieren und koordinieren. Aber diese Hintermänner in London oder sonstwo sind darauf angewiesen, dass sie Handlanger vor Ort haben." Also müsse man dazu beitragen, dass es möglichst keine Handlanger gebe, sagte von Arnauld. Das riesige Seegebiet vor Somalia werde man schließlich nie vernünftig patrouillieren können. (dpa)