Interview

Interview HintergrundKorruptionsskandal bei MAN Vor einem Jahr begann mit den ersten Durchsuchungen bei MAN der Schmiergeldskandal des Münchner NFZ-Herstellers. Der Verdacht: Verkäufe von Nutzfahrzeugen und Turbomaschinen wurden mit Schmiergeldern angekurbelt. Gegen rund 80 Mitarbeiter des Unternehmens wurde ermittelt. Mitte Dezember 2009 endeten die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft nachdem MAN einer Strafzahlung von gut 150 Millionen Euro zustimmte. Parallel verließen einige Topmanager den Konzern, darunter der MAN-Chef Håkan Samuelsson. Sein Nachfolger wurde Georg Pachta-Reyhofen. Gleichzeitig wurde ein Fünf-Punkte-Programm gestartet, um weitere Schmiergeldskandale zu verhindern. Im Rahmen dieses Programmes wurde die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft sowie mit Anti-Korruptionsexperten gestärkt, eine Compliance-Abteilung eingerichtet, der Revisionsbereich ausgebaut sowie die Organisations- und Vertriebsstrukturen verändert.So tickt die neue MANNach dem Korruptionsskandal: Frank Hiller und Reinhard Pöllmann zählen zu den neuen Topmanagern. Im Interview verraten die Vertriebsprofis den neuen Weg von MAN.Infolge des Korruptionsskandals haben eine Vielzahl von Managern das Unternehmen verlassen. Zudem stehen die Kundenkontakte nun unter neuen Vorgaben. Für welche Werte steht die neue MAN?Frank Hiller: Werte wie Zuverlässigkeit, Qualität, Innovationsführerschaft und Kundennähe waren uns schon immer wichtig und bestimmen auch heute und in Zukunft unser Handeln. Aufgrund der Korruptionsvorwürfe im vergangenen Jahr hat das Thema Compliance bei MAN noch weiter an Bedeutung gewonnen. In Kooperation mit der Staatsanwaltschaft haben wir eine schnelle Aufklärung der Vorwürfe erreicht. Die Ermittlungen gegen die MAN wurden mit der Zahlung eines Bußgeldes im Dezember 2009 abgeschlossen. Was hat sich intern geändert?Hiller: Bereits im Juli 2009 haben wir ein Fünf-Punkte-Programm formuliert, welches sich beispielsweise mit der Positionierung des Konzerns zum Thema Compliance auseinandersetzt. Ziel ist es, eine nachhaltige Compliance-Kultur und -Organisation unternehmensweit zu etablieren. Das ist ein klares Bekenntnis zum freien und fairen Wettbewerb. Compliance ist für die MAN ein fester Bestandteil der Unternehmensstrategie. Hier machen wir keine Kompromisse.Wie überwachen Sie die Einhaltung der neuen Regularien?Reinhard Pöllmann: Unsere Compliance-Organisation hat sich erfolgreich als Berater etabliert und unterstützt alle Mitarbeiter bei allen Fragen rund um das Thema Compliance. Daneben stellt die personell verstärkte interne Revision sicher, dass die Richtlinien eingehalten werden.Wenn ich als Transportunternehmer Ihnen zu Weihnachten eine hochwertige Flasche Wein schenken möchte, dürften Sie das Präsent überhaupt annehmen?Pöllmann: Für alle diese Fälle gibt es ein klares und transparentes Regelwerk, das uns und unseren Geschäftspartnern die erforderliche Sicherheit gibt. In Zweifelsfällen genügt ein Anruf beim Compliance-Helpdesk.Wie viele Anrufe gab es bislang?Pöllmann: Die Mitarbeiter am Helpdesk bearbeiten aktuell rund 30 Anfragen pro Tag. Aber ich glaube, dass sich mit der Zeit eine positive Routine einstellen und die Zahl der Anfragen abnehmen wird. Zusätzlich wird es eine interne Informationsplattform geben, wo Mitarbeiter Antworten auf die gängigsten Fragen erhalten.Wie haben Sie Ihre Kunden über die neuen Compliance-Vorgaben informiert?Pöllmann: Vom Verkäufer bis zum Vorstandsvorsitzenden sprechen wir das Thema offen mit den Partnern und Kunden an. Der Gewinn des Image Award der VerkehrsRundschau in diesem Jahr ist ein Beweis dafür, dass die Kunden weiterhin zur Marke MAN stehen. Das zeigen aktuelle Großaufträge, die wir von öffentlichen Auftraggebern im Busbereich erhalten haben.Der einzige Schaden aus dem Korruptionsskandal liegt also in den Kosten von 240 Millionen Euro, welche MAN für die Strafzahlung, Steuernachzahlung, Anwälte und Abfindungen aufbringen musste?Hiller: Nein, sicherlich wäre dies zu einfach. Neben dem finanziellen Schaden haben die Vorwürfe auch zu Verunsicherung im Unternehmen geführt. Und auch die Personalwechsel haben Lücken gerissen, die es wieder aufzufüllen galt. Jetzt gilt es, konsequent zu reagieren – und genau das tun wir jetzt. Das neue MAN-Team steht so weit, oder wird es weitere Veränderungen geben?Hiller: Wir sind jetzt gut und stabil aufgestellt.MAN hat den Image Award der VerkehrsRundschau bei den Großflotten gewonnen, Scania den Preis bei den kleinen Flotten. Ist dies nicht ein Signal aus dem Markt, dass beide Marken zusammenpassen? Hiller: Dazu gibt es von unserer Seite nichts Neues. Wir stehen einer Kooperation aufgeschlossen gegenüber, konzentrieren uns aber aktuell auf unsere Projekte und Produkte.Unter diesen aktuellen Projekten befinden sich vermutlich auch einige Ansätze zum Mega-Thema alternative Antriebe. Hiller: Unser Hybrid-Stadtbus geht in diesem Jahr in Serie. Erste Fahrzeuge werden bereits in den kommenden Monaten in ausgewählten europäischen Metropolen wie München, Paris, Barcelona oder Wien zu sehen sein. Ab der IAA im September ist der MAN Lion’s City Hybrid dann regulär bestellbar. Dieses Fahrzeug ist mit Mehrkosten verbunden, doch bekommt man den Return on Invest nach vier bis fünf Jahren. Immerhin lässt sich im Stadtbetrieb eine Einsparung von bis zu 30 Prozent realisieren. Wie sieht es bei den Trucks aus?Hiller: Im LKW-Bereich ist der Hybrid ein Thema im Verteiler-Segment. Hier sind Kraftstoffersparnisse von bis zu 15 Prozent möglich. Wir treiben das Thema Hybrid technologisch voran. Eine serienfertige Lösung bringen wir erst dann, wenn sie sich für den Kunden und die Umwelt auszahlt. Das entscheiden wir nicht allein. Bestimmte Rahmenbedingungen sind unabdingbar für eine wirtschaftliche Lösung.Wann wird es diese Lösung geben?Hiller: Ich glaube nicht, dass es schon im kommenden Jahr so weit sein wird. Bis dahin bleiben also die EEV-Modelle die grünen Vorreiter. Wie wird diese teure Technik vom Markt angenommen?Hiller: Der Anteil von EEV-LKW steigt weiter an, wenn auch längst nicht jeder Kunde, der ein Fahrzeug kauft, sofort zu EEV greift. Momentan liegen die EEV-Quoten in Deutschland für die MAN-Baureihen TGM/TGL bei rund 13 Prozent, bei TGS/TGX sind es gut 30 Prozent. Was uns die Kunden bestätigen, ist, dass es zwischen Euro-5- und EEV-LKW keine Verbrauchsunterschiede gibt. Was hören Sie sonst noch für Botschaften von Ihrer Kundschaft? Droht etwa, wie befürchtet, eine Pleitewelle unter den Transporteuren in den kommenden Monaten?Pöllmann: Unsere Kunden befinden sich aktuell in einem schwierigen Umfeld, da vor allem die Finanzierungsmöglichkeiten stark eingeschränkt sind. Bis Ende des Jahres wird es für die Transportunternehmer sicherlich hart bleiben.Wie helfen Sie ihren Kunden bei der Investition in Neufahrzeuge?Pöllmann: Hier kommt unsere eigene Finanzierungstochter MAN Finance ins Spiel. Die Kollegen kennen im Unterschied zu einer normalen Bank unsere Kunden und deren Geschäft. Das heißt, bei der Finanzierungsentscheidung kommt es nicht allein auf die reinen Bonitätskennzahlen an. Zudem ist die hohe Entscheidungsgeschwindigkeit, die zwischen den Verkaufsbüros und der eigenen Finanzierungstochter herrscht, ein wesentlicher Vorteil. Wer einen gebrauchten MAN kaufen will, dem bietet unsere Aktion namens „Kinderleicht finanzieren“ attraktive Konditionen wie null Anzahlung und null Zinsen.Wie viele Fahrzeuge werden in Deutschland mithilfe der MAN-Bank finanziert?Pöllmann: Aktuell sind es rund 30 Prozent. Wir sehen hier aber durchaus Potenzial für eine höhere Finanzierungsquote. Für das Vermietgeschäft bieten Sie die beiden Marken MAN Rental und Euro Leasing an. Wann wird Euro Leasing zu 100 Prozent ein MAN-Unternehmensteil?Hiller: Wir haben unseren Anteil an Euro Leasing Ende 2009 auf über 50 Prozent erhöht. Das LKW-Vermietgeschäft entwickelt sich sehr positiv. Mit der Miete haben wir die Möglichkeit, die Kunden noch stärker an uns zu binden, indem wir ihnen unsere kompletten Dienstleistungen zur Verfügung stellen. MAN Rental und Euro Leasing werden als Marken auch künftig bestehen bleiben, und wir werden ihnen eine klare Positionierung geben. Das entsprechende Konzept stellen wir auf der IAA im September vor.Wie eng rücken beide Marken zusammen? Pöllmann: In Deutschland wollen wir künftig in jedem MAN Truck & Bus Center einen MAN-Rental-Stützpunk haben. Bei drei Standorten ist dies heute schon der Fall. In dem künftigen Konzept wird es an jedem MAN-Rental-Stützpunkt neben den Miet-LKW auch Miettrailer von Euro Leasing geben. Wird es auch eine eigene MAN-Marke für die Truck&Trailer-Werkstätten geben? Hiller: Wir haben mit zahlreichen Aufbauherstellern Kooperationen für Wartung und Reparatur ihrer Produkte geschlossen. Wir erkennen einen Trend zum One-Stop-Shopping. Man muss heutzutage dem Kunden das komplette Portfolio an einem MAN-Standort anbieten. Zum anderen können mit diesem Angebot unsere Werkstätten ihre Auslastung erhöhen.Nach dem Korruptionsskandal hat sich viel bei MAN verändert. Haben Sie sich den neuen Weg so schwierig vorgestellt?Hiller: Wir haben die Korruptionsvorwürfe schnell und umfassend aufgeklärt und die Konsequenzen gezogen. Jetzt können wir uns wieder uneingeschränkt unserem Business widmen. Außerdem gilt es, die internationale Wachstumsstrategie konsequent weiterzuverfolgen. Hier sind wir auf einem sehr guten Weg. ❙❚■ Rocco Swantusch, Serge VoigtSeit letzten Herbst gehören Reinhard Pöllmann (l.) und Frank Hiller (zweiter v. l.) zu den neuen Topmanagern bei MANv.l.n.r. Die beiden MAN-Manager Reinhard Pöllmann und Frank Hiller im Gespräch mit den VR-Redakteuren Serge Voigt und Rocco SwantuschInterviewZur PersonReinhard Pöllmann Der am 1. September 1960 in Augsburg geborene Industriekaufmann arbeitete zwischen 1990 und 2004 in verschiedenen Führungspositionen in den Bereichen PKW-, LKW- und Busvertrieb der Daimler-Benz AG. 2005 trat er in die MAN Nutzfahrzeuge AG als Leiter der Niederlassung in München ein. Ein Jahr später übernahm er die Leitung Verkauf LKW in der Zentrale der heutigen MAN Truck & Bus Deutschland (MTBD) GmbH. Seit Oktober 2009 ist Pöllmann Vorsitzender der Geschäftsführung der MTBD GmbH. Der Manager ist verheiratet, hat einen Sohn und lebt mit seiner Familie in der Nähe von Augsburg. Frank Hiller Frank Hiller wurde am 23. Mai 1966 in Stuttgart geboren. Der Diplom-Ingenieur durchlief nach dem Studium verschiedene Positionen bei Thyssen Krupp Automotive, zuletzt war er Vorsitzender der Geschäftsführung der Thyssen Krupp Federn GmbH. 2005 trat Hiller in die F.X. Meiller Fahrzeug- und Maschinenfabrik GmbH & Co KG ein und übernahm den Vorsitz der Geschäftsführung. Im Oktober 2009 wechselte er zum Münchner LKW-Anbieter und ist seitdem als Mitglied des Vorstandes der MAN Nutzfahrzeuge AG für das Ressort Marketing, Sales & Services verantwortlich. Frank Hiller ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt mit seiner Familie in der Nähe von München. Interview

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