Im Interview: Logwin-Chef Berndt-Michael Winter ...

Im Interview: Logwin-Chef Berndt-Michael Winter (r.) und Stephan L. K. Freichel, Managing Director Industrial Goods Chefsache KontraktlogistikEin Drittel des Umsatzes macht die Logwin AG mit Kontraktlogistik. Wie sie trotz Konjunkturflaute in der Königsdisziplin punkten wollen: Konzernchef Berndt-Michael Winter und Stephan L. K. Freichel, Leiter Geschäftseinheit Industrial Goods, im VR-Interview. Herr Winter, nach dem Weggang von Klaus Hrazdira, der bis August für die Kontraktlogistik im Executive Committee zuständig war, haben Sie den Bereich "Solutions" zur Chefsache gemacht. Warum?Berndt-Michael Winter: Es geht nicht darum, etwas zur "Chefsache" zu machen. Ein Unternehmen mit einem Umsatz von zwei Milliarden Euro kann durchaus von vier Personen geführt werden und es ist nichts Ungewöhnliches, dass ich als CEO einen operativen Teil mit übernommen habe. Für mich ergibt sich dadurch die Chance, den Integrationsprozess im gesamten Konzern noch dynamischer voranzutreiben.Im Halbjahresergebnis enttäuschte vor allem der Bereich Solutions. Wo gab es Versäumnisse in der Vergangenheit?Winter: Dass wir im Ergebnis nicht so gut abgeschnitten haben, hat vor allem strukturelle Gründe: Zum einen wirkt sich die nachlassende Konjunktur gerade im Bereich Solutions sehr deutlich aus. Zum anderen schlagen die hohen Kraftstoffpreise besonders deutlich durch, da wir teilweise mit sehr langfristigen Verträgen arbeiten. In Altverträgen gibt es häufig keine Vorkehrungen für Preisanpassungen. Was wollen Sie künftig in der Kontraktlogistik anders machen?Winter: Eines der wichtigsten Ziele ist sicher, den Integrationsprozess im Geschäftsfeld Solutions voranzutreiben, das strukturell nach den Branchen Industrial Goods, Consumer Goods, Fashion und Media aufgestellt ist. Branchenübergreifend gibt es da viele Gemeinsamkeiten, beispielsweise in der IT, wo wir gemeinsame Lösungen quer über das gesamte Geschäftsfeld suchen. Erhebliches Potenzial gibt es außerdem in der weiteren Integration zwischen den Geschäftsfeldern, also zwischen Solutions, Road + Rail und Air + Ocean. Inzwischen sehen wir gute Erfolge und bieten heute gemeinsame Leistungen an. Das wäre früher undenkbar gewesen.Im schnell gewachsenen Thiel-Konzern wusste also häufig A nicht, was B macht? Winter: Das konnte ja auch gar nicht anders sein. Die frühere Thiel-Gruppe ist nicht organisch gewachsen, sondern aus einer Vielzahl von Akquisitionen entstanden. Leider hat sich niemand um die Integration der Einheiten gekümmert. Deshalb war die ehemalige Thiel-Gruppe nach Gesellschaften mit jeweils eigenem Leistungsportfolio strukturiert. Jede Gesellschaft hatte ihre eigene IT, ihre eigene Einkaufsfunktion und ihren eigenen Vertrieb. Für den Kunden war es überhaupt nicht zu verstehen, was wir da gemacht haben, denn wir sind mit über 50 Marken aufgetreten. Stephan L. K. Freichel: Als ich vor mittlerweile vier Jahren zur Gruppe gestoßen bin, war offensichtlich, dass Aufräumarbeit nötig sein würde. Nur, Sie müssen das Stück für Stück angehen. Schließlich muss man die Menschen in der Gruppe mitnehmen. Mittlerweile haben wir ein gutes Stück Arbeit hinter uns und ich bin überzeugt, dass es jetzt der richtige Zeitpunkt war, die neue Marke Logwin einzuführen.Herr Winter, Sie haben an anderer Stelle oft betont, dass Sie die Kundenansprache auf Augenhöhe schätzen. Gehen Sie persönlich zu den Kunden?Winter: Ich denke, jeder ist aufgerufen, auf seiner Ebene mit dem entsprechenden Partner beim Kunden zu sprechen. Meine Aufgabe ist es, auf Vorstands- oder Geschäftsführungsebene bei Kunden sehr grundsätzliche Gespräche zu führen. Ich werde dort nicht hingehen, um zu klären, ob vertragliche Parameter eingehalten werden, sondern da geht es dann mehr um Fragen der Kundenbeziehung insgesamt und um deren Weiterentwicklung. Geschäftliche Beziehungen basieren auf Vertrauen, Leistung und Effizienz. Vertrauen stellen Sie nur über Gespräche her. Hat sich das Key Account-Management schon daran gewöhnt, dass Sie öfter mitfliegen?Winter: Die Key Account-Manager haben natürlich noch einen viel engeren und sachlich tiefer gehenden Kontakt zu den Kunden. Ich kann das Key Account-Management aber unterstützen und bestimmte Türen öffnen, die sonst vielleicht verschlossen blieben.Freichel: Kontraktlogistik lässt sich nicht im Straßenverkauf pushen. Bei uns geht es um Vertrauen, Leistungsfähigkeit, vorzeigbare Referenzen – das zählt bei Kunden. Vertrauen muss man sich verdienen, das können Sie sich nicht kaufen, auch nicht mit zweihundert Mann im Vertrieb.Herr Winter, Sie können nicht auf eine berufliche Laufbahn in der Spedition verweisen. Wie viel muss man vom operativen Geschäft verstehen, um den Bereich "Kontraktlogistik" zu verantworten?Winter: Je weiter Sie in der Hierarchie nach oben kommen, desto mehr zählt die Führungskompetenz. Trotzdem muss man vom operativen Geschäft schon eine Menge verstehen. Ich bin – und das wird vielleicht übersehen – über das Projekt, in dem wir der Gruppe eine neue Organisationsstruktur gegeben haben, in den letzten Jahren sehr tief in die logistischen Fragestellungen hineingekommen. Und ich bringe ja auch einiges an Erfahrung mit. Von der Ausbildung her bin ich Diplom-Kaufmann, aber ich war in meinem früheren Berufsleben sehr tief operativ tätig. Bei der Mast-Jägermeister AG, wo ich als Finanzvorstand und später auch Sprecher des Vorstandes für Produktionen zuständig war, haben wir in der Nähe von Dresden ein neues Werk gebaut, das mit seiner einzigartigen Infrastruktur heute noch Referenzcharakter hat. Sie sehen, mit logistischen Fragestellungen habe ich mich doch schon sehr tief befasst und hatte auch sehr früh Freude daran.Sprechen Dienstleister oftmals eine andere Sprache als Industrielogistiker?Freichel: Es gibt eingebaute Zielkonflikte und es gibt natürlich auch Verständnisprobleme. Nicht alle Industrieunternehmen sind in der Lage, ihre eigenen Prozesse so darzustellen, dass es ein Dritter versteht. Der Dienstleister wird dann mit unzureichenden Informationen konfrontiert. In meiner Zeit bei der Industrie habe ich andererseits auch gelernt, dass nicht alle Dienstleister gleich professionell arbeiten. Wir müssen zusehen, dass wir die Parteien enger miteinander verzahnen. Wie der Name schon sagt, es geht hier um enge Vertragsbeziehungen. Bleiben wir bei den "eingebauten Zielkonflikten" ... Freichel: Der Kunde wünscht sich natürlich immer alles, der Dienstleister "zumindest "ein wenig". Wir dürfen gerne Paletten bewegen, Supply Chains steuern und auch LKW fahren, aber dabei möglichst wenig bis nichts verdienen. Der Preisdruck, der heute in der Industrie herrscht, wird häufig direkt an den Dienstleister weitergegeben. Zum Teil werden dann sehr profane Forderungen an uns herangetragen: jährliche Nachlässe bei Mieten, fest vereinbarte Savings bis hin zu sehr hohen Forderungen bezüglich der übertragenen Risiken. Winter: Ich glaube, der Kern liegt darin, dass man versuchen muss, mit seinem Kunden eine Win-win-Situation herbeizu-führen. Das ist die einzige tragfähige Grundlage, die eine Geschäftsbeziehung auf lange Sicht absichert. Deswegen diskutieren wir gerade im Bereich Solutions sehr frühzeitig und intensiv, ob ein Auftrag zu unserem Geschäftsmodell passt. Nur wenn wir eine realistische Chance haben, etwas anders und besser zu machen als unsere Wettbewerber, gehen wir in die intensive Bearbeitung des Tenders. Es macht doch überhaupt keinen Sinn, jeden Tender anzunehmen und nach wochenlangen Kalkulationen feststellen zu müssen, dass fünf Wettbewerber dieselbe Dienstleistung angeboten haben und es dann nur noch um den Preis geht. Einerseits müssen Sie den Umsatz ausweiten, andererseits die Profitabilität erhöhen. Welcher Maxime geben Sie Vorrang?Winter: Das ist für mich kein Konflikt. Bei uns steht die Profitabilität vorne. Wir praktizieren das gerade in beeindruckender Weise im Road + Rail-Geschäft. Unsere Marschrichtung heißt hier ganz klar "Verbesserung der Rentabilität". Wir sind in den letzten Monaten zu verschiedenen Kunden gegangen und haben deutlich gemacht, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: Entweder wir bekommen eine signifikante Preiserhöhung, damit sich das Geschäft für uns rechnet oder wir müssen das Geschäft aufgeben. In der Folge haben wir konsequent verschiedene Kundenbeziehungen beendet.Freichel: Die Margen in der Logistik sind für den Dienstleister sehr schmal und oftmals im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Das heißt, dass Sie bei jedem längerfristigen Vertragsabschluss außerordentlich sorgfältig sein müssen, weil Fehlannahmen bei wesentlichen Stellschrauben das Geschäft in die roten Zahlen führt. Und es ist beinahe unmöglich, das an anderer Stelle auszugleichen. Von den für den Konzern angestrebten drei Prozent Umsatzrendite sind Sie aber noch ein ganzes Stück entfernt. Wie sind Ihre Zielaussichten für dieses Jahr?Winter: Wir haben bei der Bekanntgabe des Halbjahresergebnisses gesagt, dass wir für das Gesamtjahr von einer leichten Verbesserung bei Umsatz und operativem Ergebnis ausgehen. Ich finde es sehr schade, dass wir gerade in der Einführungsphase unserer neuen Marke nun mit solch einem Gegenwind zu kämpfen haben. Sie können sich vorstellen, dass das, was wir in diesen Tagen an den Finanzmärkten erleben, die Kunden weiter verunsichert. Trotzdem gibt es keinen Anlass zur Panik. Ich denke, wir sind in unserer neuen Struktur gut aufgestellt und wir sind sicher, dass das Geschäftsfeld Air + Ocean ein profitables Wachstum in diesem Jahr erreichen wird. Wir sind sehr zuversichtlich, dass das Road + Rail-Geschäft das zunächst einmal angestrebte Ziel eines schwarzen Ergebnisses erreichen kann, und wir werden uns in Solutions so aufstellen, dass wir zu einer vernünftigen Ertragskraft zurückkehren. ❙❚■ Dietmar WinklerStephan L. K. Freichel wurde 1961 in Frankfurt/Main geboren. Berufliche Stationen führten den Wirtschaftsingenieur unter anderem zu General Motors Europe (Manager Logistics), zur Merck-Gruppe in Darmstadt (General Manager Logistics) und zur ZF Trading GmbH/Sachs Handel GmbH, Schweinfurt (Geschäftsführer Supply Chain & Services). 2004 Eintritt in die Microlog Lgistics AG als Vorstand und seit 2007 Managing Director der Geschäftseinheit Industrial Goods der Logwin AG.

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