Gegen den Rhein-GAU

"H2O statt CO2" - unter dieser Überschrift hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer im Juli seinen Aktionsplan "Niedrigwasser Rhein" vorgelegt. Darin formuliert das Verkehrsministerium (BMVI) insgesamt acht Maßnahmen, die kritische Situationen wie im Sommer 2018 künftig verhindern sollen (siehe Kasten Seite 25). Damals waren die Pegel am Rhein so tief gefallen, dass viele Betriebe ihre Produktion drosseln mussten. ThyssenKrupp zum Beispiel hatte Probleme, sein Duisburger Stahlwerk zu versorgen, und musste 60 Schiffe zusätzlich chartern. Und BASF erlitt durch das Niedrigwasser einen Verlust von 250 Millionen Euro. Ein Plan, der Fragen aufwirft Auf Druck der Flussanrainer hat Scheuer nun den Aktionsplan vorgelegt. Grundsätzlich begrüßt die Binnenschifffahrt das Papier. "Es ist eine sinnvolle Ergänzung zu den Maßnahmen, die schon im Masterplan Binnenschifffahrt stehen", sagt Roberto Spranzi von der DTG Deutsche Transport-Genossenschaft, in der über 100 Partikuliere organisiert sind. Doch wie schnell setzt das BMVI den Aktionsplan um? Und wird das Niedrigwasserproblem dadurch wirklich entschärft? Zu den Maßnahmen, die schnell kommen könnten, gehört die Verbesserung der Wasserstandsvorhersagen. DTG-Vorstand Spranzi lobt den Plan. "Gerade langfristige Prognosen werden dringend gebraucht." Der Grund: Ein Binnenschiff, das in einem ARA-Hafen (Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen) Ladung aufnimmt, ist vier bis fünf Tage unterwegs, bis es kritische Stellen im Rhein erreicht. Doch schon bei der Beladung muss der maximale Tiefgang bekannt sein. Für den Rhein gibt es derzeit nur 48-Stunden-Prognosen, künftig soll der Vorhersagezeitraum bei zehn Tagen liegen. Branchenkenner erwarten, dass die Binnenschifffahrt schon im kommenden Jahr mit besseren Daten rechnen kann. Daneben plant das BMVI, die Entwicklung von Schiffstypen zu unterstützen, die besser mit Niedrigwasser klarkommen. Das können kleinere Modelle sein oder solche mit geringerem Tiefgang. Zu den wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten soll eine Studie in Auftrag gegeben werden. "Anschließend erfolgt eine Prüfung, inwieweit Förderprogramme des Bundes genutzt beziehungsweise verzahnt werden können", so ein BMVI-Sprecher. Marktkenner äußern in diesem Punkt Unverständnis und verweisen darauf, dass Institutionen wie das DST Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme in Duisburg schon lange an niedrigwassertauglicher Schiffstechnik forschen. "Wichtig ist, dass ausreichende Förderprogramme zur Verfügung stehen", so Spranzi. Für die Schifffahrt sehr bedeutsam ist Punkt 5 auf der Aktionsliste: die Vertiefung der Fahrrinne am Mittel- und Niederrhein. Die Umsetzung dieser Maßnahme wird seit Jahren diskutiert und ist im Bundesverkehrswegeplan 2030 verankert. Noch in diesem Jahr will das BMVI zumindest einen kleinen Schritt machen: Laut Aktionsplan sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, die Vertiefung als sogenanntes Maßnahmengesetz zu verabschieden. Es gäbe so weniger Einspruchsmöglichkeiten und die Vertiefung könnte schneller angegangen werden. Und was ist mit Schleusen auf dem Rhein? Der Bundesverband der deutschen Binnenschifffahrt (BDB) bewertet das positiv. "Da wird im Rahmen des rechtlich Vertretbaren Druck gemacht", urteilt Geschäftsführer Jens Schwanen. Wobei "schnell" hier relativ ist: Wenn die Baumaßnahme im kommenden Jahrzehnt startet, wäre das schon ein Erfolg. Das Problem hätte eigentlich schon lange angegangen werden müssen, ärgert sich Schwanen. Doch all diese Maßnahmen sind im Prinzip nur Stückwerk. Um das Problem Niedrigwasser an der Wurzel zu packen, müsste der Pegel stabilisiert werden - mit Schleusen, Staustufen oder Wasserspeichern. Diese Optionen will das BMVI laut Aktionsplan "ergebnisoffen untersuchen". Außerdem wolle man einen "gesellschaftlichen Dialog" über Infrastrukturmaßnahmen wie Staustufen anstoßen. Das klingt nicht gerade nach Aktionismus. "Wir müssen für jede natürliche Wasserstraße darüber reden", findet Spranzi, "aber das wird ein langer Diskussionsprozess". Immerhin sieht es derzeit so aus, als würde die Opposition von Naturschutzverbänden in diesem Punkt ein wenig aufweichen. Auslöser ist das extreme Niedrigwasser an der Elbe in diesem Sommer. Es hat die Auen ausgetrocknet und zu einem nie da gewesenen Sterben von Tieren und Pflanzen geführt. Angesichts der Schäden zeigen sich Umweltschützer offen für verstärktes Wassermanagement. Die Verlader, die den Aktionsplan angestoßen haben, reagieren bislang abwartend. "Das ist ein guter erster Schritt", sagt der Sprecher eines großen Chemieunternehmens, das am Rhein angesiedelt ist, "hier und da könnten die Vorhaben aber auch konkreter sein". Mit einer öffentlichen Stellungnahme allerdings will man noch abwarten. Mehr zum Thema im Dossier "Binnenschifffahrt" www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat dem Niedrigwasser auf dem Rhein den Kampf angesagt. Ein Aktionsplan soll für bessere Bedingungen für die Binnenschifffahrt sorgen. Die Initiative wird von den Betroffenen begrüßt, aber dennoch gibt es auch kritische Stimmen. Aktionsplan Niedrigwasser Rhein: So sieht der Zeitplan aus Einige wichtige Maßnahmen aus dem Aktionsplan und die voraussichtliche Dauer für die Umsetzung:1. Bereitstellung von langfristigeren Wasserstandsvorhersagen (zehn Tage bis zu sechs Monaten).Wird 2020 umgesetzt*2. Einrichtung des Basisdienstes "Klima und Wasser", der der Binnenschifffahrt helfen soll, sich an den Klimawandel anzupassen.Zeitpunkt der Umsetzung unklar3. Bereitstellung von Tiefeninformationen in der elektronischen Binnenschifffahrtskarte (Inland ENC).Wird frühestens 2021 umgesetzt**4. Beauftragung einer Studie, die niedrigwassergeeignete Schiffstypen untersuchen soll.Die Untersuchung wird 2020 beginnen*5. Vertiefung der Fahrrinne am Mittel- und Niederrhein, Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen.Das nötige Vorschaltgesetz soll noch 2019 kommen**, mit baulichen Maßnahmen ist nicht vor 2025 zu rechnen*6. Prüfung von Stau- und Speicherlösungen, um den Wasserpegel zu stabilisieren. Keine konkrete Umsetzung geplant. Wenn überhaupt, sind wasserbauliche Maßnahmen nicht vor 2030 zu erwarten* cg*Schätzung VerkehrsRundschau** Angabe BMVI