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Fehmarnbelt-Tunnel: Chance oder Milliardengrab?

03.03.2011 16:26 Uhr
Fehmarnbelt-Tunnel: Chance oder Milliardengrab?
Die Kritiker gegen die Fehmarnbelt-Querung kommen überwiegend aus Deutschland
© Foto: ddp/Thomas Nyfeler

In drei Stunden von Kopenhagen nach Hamburg: Die geplante feste Querung des Fehmarnbelt stößt auf geteiltes Echo

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Fehmarn/Kopenhagen. Durch einen Tunnel von Dänemark nach Deutschland: Ende 2020 soll diese Vision Wirklichkeit werden. Dann könnten, wenn alles nach Plan läuft, die ersten Autos und Züge unter der Ostsee hindurch rollen und so die Metropolen Kopenhagen und Hamburg enger zusammenrücken lassen. Doch während dieses Großprojekt ein Wunschkind der Dänen ist, hat es im Norden Deutschlands auch Gegner. Sie fürchten Lärm, Umweltschäden, weniger Touristen und ausufernde Kosten.

Vielen Dänen gilt die Fehmarnbelt-Querung als „natürlicher" Abschluss einer heimischen Trilogie: Erst wurde 1997 und 1998 die innerdänische Brücken- und Tunnelverbindung am Großen Belt (Storebælt) eröffnet, die die Insel Seeland mit Fünen und dem eigenen Festlandsteil Jütland verbindet. Im Sommer 2000 wurde dann die Öresund-Querung, ebenfalls mit Brücke und Tunnel, zwischen Dänemarks Hauptstadt und Malmö in Schweden fertiggestellt. Und jetzt ist eben die Querung der Ostsee nach Deutschland an der Reihe.

Von allen drei Riesenprojekten ist die Fehmarnbelt-Querung in Dänemark die mit Abstand am wenigsten umstrittene. Und das, obwohl das kleine Königreich die Kosten für den Tunnelbau von rund 5,1 Milliarden Euro abgesehen von EU-Zuschüssen komplett allein schultern will. Die Kosten sollen, ebenso wie die zusätzlichen 1,2 Milliarden Euro für die Hinterlandanbindung auf Lolland, durch Mauteinnahmen wieder hereingefahren werden.

Zu den wenigen dänischen Kritikern des Ostseetunnels gehört Ex-Verkehrsminister Arne Melchior. Er sieht die Verbindung als unangebrachte Dienstleistung für Durchreisende aus Norwegen und Schweden und kritisiert auch die einseitige Lastenverteilung zugunsten des mehr als zehnmal so großen Deutschland. Damit steht er im eigenen Land aber fast allein. Als im September 2008 der deutsche-dänische Staatsvertrag über das Projekt unterschrieben wurde, standen ausschließlich deutsche Demonstranten am Kopenhagener Hafen. Auch bei einer Bürgeranhörung in Rødby im Januar kamen grundsätzliche Einwände so gut wie ausschließlich von Deutschen.

Deutsche Kritiker kämpfen seit Jahren gegen Projekt

Zu den deutschen Kritikern gehört Malte Siegert, der Vorsitzende des Aktionsbündnisses gegen eine feste Fehmarnbeltquerung. Der Zusammenschluss von 17 regionalen Vereinen und Verbänden von Naturschutzverbänden über Gewerkschaften bis SPD und Linkspartei kämpft seit Jahren gegen das Großprojekt, das nach dem Willen der Planer nicht nur Deutschland und Dänemark, sondern auch Skandinavien enger an das übrige Europa anbinden soll. „Dänemark hat den Nutzen, die Insel Fehmarn und der Rest des Kreises Ostholstein haben den Kollateralschaden", sagt Siegert. Dazu zählen für ihn die ökologischen Risiken, die seiner Ansicht nach auch durch die Entscheidung für einen Absenktunnel anstelle einer Brücke nicht ausgeräumt seien. Außerdem würden durch den Wegfall des Fährverkehrs und Einbußen im Tourismus bis zu 3000 Arbeitsplätze verloren gehen. „Fehmarn und Ostholstein werden vom Urlaubsland zur Transitstrecke", warnt er.

Die heftigste Kritik der Gegner entzündet sich jedoch an den Kosten für den Ausbau der Straßen- und Eisenbahnanbindung auf deutscher Seite, die mit Steuergeldern bezahlt werden soll. Wie teuer dies letzten Endes wird, steht noch in den Sternen. Offizielle Stellen sprechen noch immer von 800 Millionen Euro. Der Bundesrechnungshof geht dagegen von bis zu 1,7 Milliarden Euro aus, die Kritiker des Projekts rechnen inzwischen mit bis zu 2,5 Milliarden Euro. „Für die erwarteten 8000 bis 10.000 Fahrzeuge pro Tag wird in Deutschland nicht mal eine Umgehungsstraße gebaut. Was soll also dieses Milliardenprojekt?" empören sich die Gegner.

Chancen für die Transport- und Logistikbranche

Ganz anders sieht das der Präses der Industrie- und Handelskammer Lübeck, Christoph Andreas Leicht. Durch den Tunnel, der die Fahrzeit zwischen Kopenhagen und Hamburg um eine auf gut drei Stunden verkürzen soll, entsteht nach Ansicht von Experten zwischen den Ballungszentren Hamburg und Kopenhagen-Malmö eine Wirtschaftsregion mit bis zu neun Millionen Menschen. „Unser Wirtschaftsraum wird aus seiner Randlage heraustreten und langfristig an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen europäischen Top-Regionen gewinnen", sagt Leicht.

Er sieht Chancen für die Transport- und Logistikbranche, die Medizintechnik und den Tourismus. Aber er mahnt auch: „Von nichts kommt nichts. Die positiven Effekte werden uns nicht durch das Bauwerk allein zuwachsen, wir müssen schon jetzt aktiv werden." So hofft zum Beispiel Lübeck darauf, den Zuschlag als Bauhafen für die Tunnelelemente zu bekommen. Das könnte während der rund sechsjährigen Bauphase bis zu 1000 Arbeitsplätze sichern.

Der Chef der staatlichen dänischen Baugesellschaft Femern AS, Leo Larsen, erklärt die verschiedenen Stimmungen in Dänemark und Deutschland mit mangelnden Erfahrungen auf deutscher Seite. „Beim Großen Belt und dem Öresund gab es bei uns viel mehr Gegner. Jetzt hat die dänische Bevölkerung gesehen, dass diese Verkehrsverbindungen funktionieren und die befürchteten Umweltbelastungen nicht eingetreten sind." In Deutschland durchschaue man wohl noch nicht den Nutzwert einer festen Verbindung, glaubt Larsen und sucht den Fehler auch auf dänischer Seite. „Wir haben den Nutzen vielleicht bisher nicht gut genug erklärt."

Die Gegner des Ostseetunnels in Ostholstein geben die Hoffnung nicht auf, die Pläne doch noch zu Fall zu bringen. Sie setzen auf den Faktor Zeit und das Raumordnungsverfahren für die Hinterlandanbindung, bei der vor allem die Trassenführung der Bahnstrecke Lübeck-Puttgarden umstritten ist. „Wenn am Ende des Raumordnungsverfahrens, also voraussichtlich Mitte 2012, alle Fakten und Zahlen auf dem Tisch liegen, muss das Gesamtprojekt noch einmal unter volkswirtschaftlichen Aspekten bewertet werden", fordert der Aktionsbündnis-Vorsitzende Siegert. Femern A/S rechnet damit, dass nach dem Abschluss aller Genehmigungsverfahren in Dänemark und Deutschland 2014 mit dem Bau des Tunnels begonnen werden kann. (dpa) 

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