Fahrer verzweifelt gesucht

Auch viele Arbeitsämter können keine geeigneten Fahrer vermitteln Fahrer verzweifelt gesuchtJeder redet von den Dieselpreissteigerungen und der Mauterhöhung. Dabei läuft die Transportbranche Gefahr, ein anderes, nicht minder wichtiges Thema aus den Augen zu verlieren: den Fahrermangel.Freiwillig Transportaufträge ablehnen, die sich rechnen: Gibt's so etwas? Ja. Was derzeit zwar noch die absolute Ausnahme ist, könnte künftig zahlreiche Unternehmer treffen. Der Grund: LKW-Fahrer zu finden wird immer schwieriger. In manchen Regionen ist der Markt bereits leer gefegt. Problematisch ist die Lage vor allem in Bundesländern mit geringer Arbeitslosenquote. "Stellenanzeigen in der Tageszeitung schalte ich nicht mehr. Da meldet sich niemand", sagt beispielsweise Michael Schaaf. Dem Inhaber der BayLogistik macht der Fahrermangel zu schaffen. Er musste zwar bislang noch keine Aufträge ablehnen. "Ich könnte jedoch sofort zehn Fahrer einstellen, wenn ich gutes Personal finden würde", sagt Schaaf. Derzeit bewältigt er den Mangel mit Aushilfen und Personal von Fahrerüberlassungsunternehmen. Eine Notlösung, wie er gesteht. Denn als Tank- und Silospedition muss der Fahrer mehr können als nur lenken. Deshalb ist der Zeitaufwand bei den Aushilfen größer. Schaaf muss diese Kröte schlucken. Sonst läuft er Gefahr, dass er die Verpflichtungen gegenüber seinen Auftraggebern nicht einhalten kann – oder dass er tatsächlich Aufträge ablehnen muss. In der Vorstufe dazu befindet er sich bereits, denn sowohl bei der Akquise neuer Aufträge wie auch beim Kauf von LKW agiert er zurückhaltend.Bei der Spedition Hetzinger aus Winterbach unweit von Stuttgart hinterlässt der Fahrermangel ebenfalls Spuren, auch wenn es auf den ersten Blick nicht danach aussieht. "Wir suchen derzeit keinen Fahrer", sagt Eugen Hetzinger, Inhaber der Spedition. Allerdings nur deshalb, weil sein Unternehmen eng mit einer Fahrer-überlassungsfirma zusammenarbeitet. Von den 24 im Einsatz befindlichen Fahrern kommt die Hälfte von dem Zeitarbeitsanbieter. "Wir haben gute Erfahrungen mit den Leuten gemacht", sagt Hetzinger. Als er sich noch selbst auf die Suche gemacht hat, war es schwierig, überhaupt Personal zu finden. Entscheidend für den Schritt zu der Fahreragentur war die schlechte Quote: "Von 10 bis 15 Einstellungen war vielleicht einer gut", klagt Hetzinger. Bezeichnenderweise will Hetzinger jedoch nicht den Namen der Agentur in der VerkehrsRundschau lesen, die ihn von der Last der Fahrersuche befreit hat. Es könnte ja sein, dass seine Wettbewerber auf den Geschmack kommen. Dann bestünde die Gefahr, dass die Fahrerüberlassungsfirma ihm nicht mehr mit zuverlässigem Personal dienen könnte.BayLogistik und Hetzinger: eine Ausnahme? Nein, zumindest nicht in Baden-Württemberg. Laut einer neuen Studie, die das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) für die IHK Stuttgart angefertigt hat, ist Fahrermangel keine Seltenheit, sondern eher wie ein Virus, der bereits zahlreiche Firmen in Baden-Württemberg erfasst hat. "Zwei Drittel der Unternehmen sind von Fahrermangel in verschiedenen Ausprägungen betroffen", heißt es in der Studie. 45 Prozent der Güterkraftverkehrsunternehmen haben mindestens sechs Monate eine offene Fahrerstelle. Und von den Fuhrbetrieben, die sich mit dem Problem Fahrermangel he-rumschlagen, haben 81 Prozent bereits mal Aufträge aus diesem Grund abgelehnt. "Da melden sich nur Chaoten"Doch nicht nur in Baden-Württemberg, auch in Bayern sind Trucker begehrt. "Wir könnten hier am Standort Heimertingen jederzeit zwei bis drei Stellen besetzen", sagt Karl Sauter von der gleichnamigen Spedition. Derzeit schließt Sauter die Lücke mit Fahrern aus der Niederlassung Leipzig und Hannover. Aber das ist keine Alternative, mit der der Inhaber wirklich glücklich ist: "Damit sind Mehrkosten verbunden, die ich erst mal verdienen muss", sagt Sauter. Seinem Kollegen Wolfgang Anwander von der Spedition AIT in Rosenheim geht es nicht besser. "Angesichts des leer gefegten Arbeitsmarktes brauche ich über eine Expansion nicht nachdenken", klagt der Fuhrunternehmer. Für seinen Betrieb mit insgesamt acht Fahrern sucht er seit einigen Monaten einen weiteren Mitarbeiter. Aber den findet er partout nicht, zumindest nicht mit den gewünschten Qualitäten. Da AIT sich auf den Transport von Fliesen spezialisiert hat, reicht es nicht aus, einen LKW lenken zu können. Der Fahrer muss auch die Be- und Entladung beherrschen. Anwander nimmt angesichts der Bewerber kein Blatt vor den Mund. "Da melden sich nur Chaoten", klagt der Firmenchef. An der Bezahlung liegt es seiner Ansicht nach nicht: "Im Fernverkehr lässt sich 2200 bis 2500 Euro netto verdienen. Für jemand ohne abgeschlossene Berufsausbildung ist das doch nicht schlecht."Sauter hat aber trotzdem Probleme, Personal zu finden. Denn seine Region, in der die Arbeitslosigkeit unter drei Prozent liegt, ist für Arbeitssuchende eine Art Schlaraffenland: "Die Metallarbeitgeber bieten zwei-, dreihundert Euro mehr im Monat. Die Leute sind zudem jeden Abend zu Hause und müssen nicht in einer Branche ihr Geld verdienen, die immer noch ein schlechtes Image hat. Kein Wunder, dass sich auf meine Stellengesuche keiner meldet." Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) und die Straßengüterverkehrsgenossenschaften (SVG) haben das Problem erkannt und reagiert. Gemeinsam haben sie vor wenigen Tagen eine Image-Kampagne ins Leben gerufen, mit der sie vor allem Jugendliche für die Berufskraftfahrerausbildung begeistern wollen. "30 Prozent des Fahrpersonals erreichen in den nächsten zehn Jahren die Altersgrenze. Die Bundeswehr liefert keinen Fahrernachwuchs mehr. Da muss etwas passieren", begründet Werner Gockeln, Geschäftsführer der SVG Bundes-Zentralgenossenschaft, den Schritt. Außerdem kommen mit der obligatorischen Fahrerqualifikation weitere Belastungen auf die Unternehmen zu (s. Seite 40). Junge Menschen können sich im Internet unter www.werde-kraftfahrer.de über die Kampagne informieren. Mittels eines Tests können sie ihre Eignung überprüfen und erhalten die Möglichkeit, sich in einer Online-Jobbörse zu tummeln. Es gibt eine kostenlose Telefon-Hotline (0800/078 4463) und die SVG'en vor Ort wollen verstärkt in die Schulen gehen. "Wir müssen das Image der Branche verbessern und darauf hinweisen, dass die Ausbildung zum Berufskraftfahrer attraktiv und abwechslungsreich ist", sagt Gockeln. Die Landesverbände sind ebenfalls aktiv, zum Beispiel über ihre Bildungswerke. Im besonders gebeutelten Baden-Württemberg hat der Verband des Württembergischen Verkehrsgewerbes eine Ausbildungsinitiative gestartet. Dazu gehört, dass eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer mit 1000 Euro gefördert wird. Doch Gockeln warnt vor zu hohen Erwartungen hinsichtlich eines schnellen Erfolges im Zusammenhang mit der Kampagne des BGL und der SVG. "Wenn wir darüber 3000 Auszubildende bekommen, vielleicht sogar 5000, wäre das schon ein Erfolg." Und wie soll die restliche Lücke geschlossen werden bei einem jährlichen Bedarf von 30.000 bis sogar 50.000 Fahrern (s. Interview links)? "Mit Quereinsteigern über die beschleunigte Grundqualifikation", antwortet Gockeln. Das Ziel, mehr Menschen zum Berufskraftfahrer auszubilden, wird jedoch auch deshalb keine leichte Aufgabe sein, weil für die meisten Firmen diese Ausbildung ein Fremdwort ist. Ganze 350 Ausbildungsbetriebe – so schätzt der BGL – gibt es bundesweit. Zu viele Inhaber sagen immer noch: "Irgendwie hat es immer noch geklappt, Fahrer zu finden." Doch damit ist jetzt Schluss, so die Einschätzung von Gockeln: "Die Zeiten haben sich geändert. Und die demografische Entwicklung lügt nicht." ❙❚■ Michael Cordes

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