Fahrbericht Brennstoffzellen-Lkw: Alternative Wasserstoff

In Kürze Auch in der Klasse der leichten Lkw kann der Brennstoffzellen-Antrieb gegenüber der Batterieelektrik von Vorteil sein. Zumindest ist man bei Paul davon überzeugt, weshalb das Passauer Unternehmen nun in diesen Markt einsteigt. Verteiler-Lkw? Das ist eine Domäne für die Batterieelektrik - schließlich kommen hier an einem Arbeitstag meist eher wenig Kilometer auf den Tacho, weshalb die eingeschränkte Reichweite der BEV-Trucks (englisch für "Batterie Electric Vehicle") weniger ein Problem darstellt. Zumindest scheinen das die großen Lkw-Hersteller so zu sehen, denn in der Klasse der Leicht-Lkw hat bis dato keiner von ihnen offiziell mit Brennstoffzelle und Wasserstoff experimentiert. "Es gibt aber auch in dieser Fahrzeugklasse zahlreiche Einsatzfälle, die sich mit einem akku-basierten E-Antrieb nicht abdecken lassen - und hier kommt unser Fahrzeug ins Spiel", ist sich Bernhard Wasner, Geschäftsführer beim bekannten Fahrzeug-Umbauer Paul in Passau, sicher. Außerdem sei das bislang kaum existierende Netz an Lkw-Ladesäulen für manchen Transportunternehmer eine Hürde. Kurzum gab er seinem Entwicklerteam den Auftrag für eine Alternative. Heraus kam der PH2P, der auf dem herkömmlichen 4x2-Fahrgestell eines Mercedes-Benz Atego aufbaut. Dessen größte Asse im Ärmel bezogen auf einen vergleichbaren Batterie-Truck sind: bis zu 500 Kilometer Reichweite und Volltanken in circa zehn Minuten, aber trotzdem keine Emissionen. Denn auch der 16-Tonner von Paul bewegt sich elektrisch vorwärts - mit dem Unterschied, dass er seinen Strom nicht aus Akkus zieht, sondern ihn selbst herstellt, indem Wasserstoff in elektrische Energie umgewandelt wird. Das Edelgas lagert im "Schwerlastturm" hinter dem Fahrerhaus, der diesem Atego eine ungewöhnliche Optik verleiht. Sechs hochstabile Flaschen nehmen insgesamt circa 30 Kilogramm auf. Die 70 Kilowatt starke Brennstoffzelle wird von Toyota zugeliefert und hat ihren Platz in einem Metallkasten rechts am Fahrzeugrahmen hinter der Kabine. Der so gewonnene Strom wird im Normalfall in den zwei Pufferbatterien mit je 60 kW Bruttokapazität zwischengespeichert, bevor er an den 120 Kilowatt und maximal 2800 Newtonmeter starken Elektromotor weitergeleitet wird. Ist Not am Mann, also aktuell viel Power gefordert, kann der Umweg über die Batterie aber auch zeitweise ausfallen und der Motor direkt von der Brennstoffzelle versorgt werden. Gewohntes Bedienkonzept Kein ganz unkompliziertes Prozedere also. Umso mehr freut man sich darüber, dass der Arbeitsplatz des Paul-Atego keinerlei Rätsel aufgibt. Abgesehen von der Energieanzeige, die im Zentraldisplay den Platz des Drehzahlmessers einnimmt, und dem Notaus-Schalter neben dem Hebel der Feststellbremse, bleibt das Mercedes-Cockpit unverändert. Anders als an der Front, befindet sich sogar noch der Stern auf dem Lenkrad an Ort und Stelle. Auch beim Start des PH2P gibt es keine Besonderheiten zu beachten. Einfach wie gewohnt den Zündschlüssel drehen und es kann sofort losgehen, sofern in der Pufferbatterie genügend Power vorhanden ist. Allerdings rät der bei unserer Testfahrt mitreisende Paul-Ingenieur, dem System stets ein paar Augenblicke im Stand zu gönnen, bis die Brennstoffzelle zu voller Leistung hochgelaufen ist. Dann nur noch den bekannten Drehknopf am rechten Lenkstockhebel auf D stellen und sanft aufs Gas treten. Für den Neuling an dieser Stelle befremdlich: Obwohl wir im Standgas über den Hof rollen, fahren bereits die unter der Kabine platzierten Lüfter der Brennstoffzelle hoch und sorgen für entsprechenden Lärm. "Das System will die Pufferbatterie stets auf 75 Prozent Füllstand halten, aktuell haben wird nur knapp 50, entsprechend muss die Brennstoffzelle arbeiten", erklärt der Beifahrer den Grund für die Geräuschkulisse. Und unter Last wird es der Brennstoffzelle schnell zu warm. Wohl fühlt sie sich lediglich im Bereich von 75 Grad Celsius, entsprechend oft laufen die lauten Lüfter in unserem Prototypen an. Nur in der Ebene und bei Bergabfahrten herrscht daher die himmlische Ruhe im H2, die in batterieelektrischen Fahrzeugen gang und gäbe ist. Bis zum Serienstart will Paul die Laufzeiten der Lüfter per Software-Update aber noch deutlich minimieren. Technische Daten Motor Voith-Elektromotor, Leistung: 120 kW (163 PS); max. Drehmoment: bis zu 2800 Nm Brennstoffzelle rechts am Fahrzeugrahmen, Maximalleistung: 80 kW, Hersteller: Toyota Kraftübertragung einfache Untersetzung, Antrieb auf die Hinterachse Tanks, Batterien und Verbrauch 2x 60 kWh Batteriekapazität als Puffer (nutzbar 20 bis 60 kWh), jeweils rechts und links am Fahrzeugrahmen verbaut, alternativer Ladeanschluss für Pufferbatterien (AC: 22 kW/DC: 150 kW); 6 hochfeste 350-bar-Wasserstofftanks mit je 5 kg Fassungsvermögen, übereinander angeordnet hinter dem Fahrerhaus, Tankdauer Wasserstoff: ca. 10 Min., Wasserstoffverbrauch im Solobetrieb: ca. 6 kg/100 km, Reichweite im Solobetrieb: bis zu 500 km (Werksangabe) Besagte Geräuschkulisse mal außer Acht gelassen, ist die Performance des PH2P so überzeugend wie in jedem anderen E-Lkw. Das voll ausgeladene Testfahrzeug bringt der Elektromotor souverän in Schwung. Auch weil es keine Schaltunterbrechungen gibt, ist beim Beschleunigen kein Art-genosse mit herkömmlichem Dieselmotor schneller unterwegs. Genauso überzeugend: die Verzögerung bergab. Eingeleitet wird diese wie gewohnt per Zug am rechten Lenkstockhebel. Anders als im Diesel erwacht hier aber keine Motorbremse zum Leben, sondern der Voith-E-Motor schaltet auf Generatorbetrieb um und gewinnt aus der Bewegungsenergie der 16 Tonnen Strom für die Pufferbatterie. Quasi nebenbei wird der Lastwagen verschleißfrei abgebremst, wobei sich aus vier Stufen für jedes Gefälle die passende Stärke finden sollte. Beim Paul immer an Bord ist übrigens ein elektrischer Widerstand, der ähnlich wie ein Tauchsieder arbeitet und die Bremsenergie in Wärme umgewandelt absorbiert, falls die Pufferbatterien voll sein sollten und keinen Strom mehr aufnehmen können. Ein umso wichtigeres Detail, weil Paul seinen H2-Lkw serienmäßig für den Anhängerbetrieb freigibt und so bis zu 24 Tonnen Gesamtgewicht bergab verlangsamt werden müssen - noch so ein Vorteil, den der Brennstoffzellen-Verteiler gegenüber vielen batteriebetriebenen Artgenossen mitbringt. Allen Vorteilen stehen allerdings auch Nachteile entgegen, wie beispielsweise der im Vergleich zum Batterieantrieb schlechtere Wirkungsgrad, der die Effizienz des H2-Konzepts negativ beeinflusst. (Noch) hohe Kraftstoffkosten Stark sein heißt es bis auf Weiteres auch an der H2-Tankstelle - was nicht am Tank-prozedere liegt, das sich tatsächlich sowohl schnell als auch einfach gestaltet. Für das Kilogramm klimaneutral erzeugtem Wasserstoff (und nicht anderes macht Sinn) wurden am Testtag aber knapp 13 Euro pro Kilogramm fällig. Den Verbrauch des PH2P gibt Paul mit sechs Kilogramm auf 100 Kilometer an, ergibt folglich 78 Euro Kraftstoffkosten für diese Distanz. Ein deutlicher Aufschlag zu einem vergleichbaren Diesel-Lkw. Davon darf sich der Unternehmer allerdings noch den Bonus durch die Mautfreiheit abziehen, von der der PH2P voraussichtlich mindestens bis Ende 2025 profitiert. Zudem fällt der Paul-Lkw in die aktuelle Förderung, mit der sich 80 Prozent des höheren Anschaffungspreises zu einem vergleichbaren Dieselfahrgestell vom Staat erstatten ließen. Trotzdem ist bis auf Weiteres ein überdurchschnittliches Engagement gefordert, um sich den Wasserstoffverteiler in den Fuhrpark zu holen - aber das ist bei den Kollegen mit Akku-Antrieb ja kaum anders. Fazit: Jan Burgdorf, Testredakteur Für kilometerstarke Einsätze Wenn weite Strecken zu fahren sind und keine Zeit für lange Ladezeiten bleibt, ist der wasserstoffbasierte BrennstoffzellenAntrieb auch in der Verteilerklasse klar im Vorteil. Der PH2P von Paul hat deshalb durchaus seine Daseinsberechtigung. Der Großteil der Leicht-Lkw ist erfahrungsgemäß aber auf kürzeren Routen unterwegs - und dann ist der effizientere und einfachere Batterieantrieb klar im Vorteil. jan.burgdorf@tecvia.com

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