Euro Truck Test

Euro Truck Test Stuttgart gegen den Rest von Europa Beim Euro Truck Test tritt der Mercedes-Benz New Actros erstmals gegen den Wettbewerb an. Nun stellt sich die Frage, um wie viel das neueste Auto im Feld besser ist, als die Rivalen von MAN, Renault und Scania. Der Stern schickt sich an, gegen drei Konkurrenten anzutreten, die mit ganz individuellen Stärken punkten: Der MAN ist groß und dennoch leicht. Der Scania steht ganz oben in der Gunst der Fahrer. Und den Renault lieben die Unternehmer wegen der hohen Nutzlast und dem konkurrenzlos niedrigen Preis. Da heißt es akribisch arbeiten für die internationale Tester-Jury unter Federführung der VerkehrsRundschau. Der MAN hat gerade eine Auffrischung erfahren. Außer Optikretuschen hat sich aber kaum etwas geändert. Der Scania bekommt das Facelift erst in ein paar Monaten – mal sehen, was da kommt. Ganz neu kommt der Premium im Juli. Bis dahin hält das aktuelle Modell die Fahnen hoch. Weil Renault in Lyon kein Auto entsandte, ergänzte ein Premium vom Vermieter R-Trucks das Testquartett. Der Euro Truck Test basiert auf dem Profitest der VerkehrsRundschau und wird unter identischen Bedingungen gefahren. Alle Verbrauchsrunden begleitet das redaktionseigene Referenzfahrzeug. Touren mit voller Auslastung werden ergänzt durch teilbeladene Messungen sowie eine Leerfahrt. Das eröffnet am Ende die Möglichkeit, alle Ergebnisse der bisher getesteten LKW zu vergleichen. Detaillierte Ergebnisse stehen unter: www.verkehrsrundschau.de. Wenig Einigkeit bei den Antrieben Starten wir mit den Antrieben. Dort herrscht wenig Einigkeit. Zwar setzen alle auf Reihensechszylinder. Doch MAN und Renault nutzen mit 10,5 respektive 10,8 Liter relativ bescheidene Hubräume. 12,7 und 12,8 sind es bei Scania und Mercedes. TGX und Actros verfügen über Common-Rail-Einspritzung. Der Mercedes bemüht zusätzlich zum SCR-System eine Abgasrückführung, um EEV zu realisieren. Der MAN hat den kleinsten Hubraum und mit 2100 Nm auch das geringste Drehmoment. Dennoch bekommt der TGX gute Noten für seinen gleichmäßigen Leistungsverlauf und das füllige Drehmoment. Die gute Bewertung verdient aber in erster Linie die starke Zusatzmotorbremse. Ihr Fehlen wirft den ebenfalls harmonischen Scania zurück. Doch offensichtlich muss sich der MAN auch mehr anstrengen, was bekanntlich Energie kostet. Energie, die der Fahrer in Form von Diesel an der Tankstelle zuführen muss. Mit einem gemittelten Gesamtverbrauch von 26,8 l/100 km liegt der Münchner am Ende rund 1,5 Liter höher als Scania und Mercedes. Weil er mit 72,8 km/h auch langsamer ist als Actros 1845 und G 440 (73,8 und 73,1 km/h), fällt er trotz seines sehr guten Leergewichtes zurück. Selbst der Renault Premium ist mit 73,7 km/h schneller unterwegs. Dass er mit 28,0 l/100 km etwas mehr braucht, liegt vor allem daran, dass es sich um ein Mietauto und kein Werksfahrzeug handelt! Gute Leistung im Serientrimm Trotz seiner Serienmäßigkeit weiß der Franzose in punkto Getriebe und Kupplung zu überzeugen. Die Schaltstrategie harmoniert gut mit dem Elf-Liter-Motor. Gangwechsel laufen geschmeidig und mit kurzen Schaltzeiten ab. Dass die von Volvo entliehene Schaltautomatisierung nicht besser abschneidet, liegt am ungewöhnlichen Bedienkonzept, mit dem sich die Fahrer nicht anfreunden können: Schalteingriffe am Lenkstockhebel sind genau gegenläufig zu den Konkurrenten ... Der unglücklich ausgelegte „Optiroll“-Tempomat hat ebenfalls Anteil am unharmonischen Gesamteindruck. In Ermangelung einer GPS-gestützten Geschwindigkeitsregelung setzt Renault auf ein manuelles System: Optiroll fährt beim Ausrollen länger in Neutral, lässt bis unters gesetzte Tempo fallen und gibt abrupt Gas. Außerdem erhöht es öfter das Tempo über den eingestellten Wert. So spart der Premium zwar ein wenig Kraftstoff. Aber die Fahrer nervt diese Charakteristik – weshalb sie lieber ohne Optiroll fahren. Da arbeiten die Systeme von Mercedes (Predictive Powertrain Control; PPC) und Scania (Cruise Control mit Active Prediction; CCAP) viel besser. Ihre integrierten Landkarten informieren über Steigungen, Gefälle und Streckenverläufe. Wenn, wie im Falle des Mercedes, auch noch die Getriebesteuerung von der intelligenten Elektronik übernommen wird und sich die oberen und unteren Grenzen des Tempos variabel einstellen lassen, sind sie jedem Fahrer überlegen und sparen – verglichen mit Fahrzeugen ohne GPS-Tempomat – rund drei Prozent. Dem TGX fehlt nicht nur der intelligente Tempomat, sondern auch eine Modellpflege beim Getriebe. War die auf der ZF AS-Tronic basierende Tipmatic-Schaltbox über Jahre das Maß der Dinge, wurde sie inzwischen von allen Wettbewerbern überflügelt. Das beginnt mit der „Kaugummicharakteristik“ der TGX-Kupplung, reicht über eine relativ niedrige Schaltgeschwindigkeit und endet bei einigen Bedieneinrichtungen, die man fahrerfreundlicher gestalten könnte. So ist die Vorwahl des Fahrprogramms am tief auf der Handbremskonsole platzierten Drehschalter ebenso umständlich wie der Wechsel von Manuell auf Automatik am Überwurf-Schalter im rechten Lenkstockhebel. Man sollte keine drei Hände brauchen Mercedes und Scania vereinen alle Funktionen in einem Hebel – wobei das Original aus Schweden stammt, Mercedes aber beim Kopieren gute Arbeit geleistet hat. Wer nicht gerade auf die Automatik-Funktion setzt, kann Schaltung und Motorbremse/Retarder bequem bedienen, ohne die Hand vom Lenkrad nehmen zu müssen. Das geht im Renault nicht. Der Retarderhebel sitzt links oben. Wer bremst und herunterschalten will, braucht drei Hände – oder lässt das Lenken. Im Normalfall wird sich der Fahrer auf den Bremstempomat verlassen. In allen vier Fahrzeugen ist sowohl die Marschgeschwindigkeit als auch das Bergabtempo mit einem Knopfdruck zu regeln. Das Bergab-Tempo ist in MAN und Renault fix programmiert. Mercedes und Scania bieten eine individuelle Einstellung. Dabei gefällt den Testern das Bedienkonzept des Scania-Multifunktionslenkrades am besten. Wobei auch die Mercedes Lösung trotz vieler Knöpfe und Taster nicht zu einer Überfrachtung führt. Einmal intensiv mit den Funktionen beschäftigt, kann sich der Fahrer schnell daran gewöhnen. Ganz anders der MAN. Wer sein Lenkrad gern oben fasst, stellt immer mal wieder sein Radio unabsichtlich mit den Handballen lauter oder verändert seine gesetzte Geschwindigkeit. Das kann Renault nicht passieren. Da gibt es kaum Tasten am Lenkrad! Mit ausgeprägtem Motortunnel bietet der Scania nur eingeschränkt Platz und Bewegungsfreiheit, wirkt aber dennoch erwachsener als der Premium. Zudem hat der Schwede das bessere Image. Alle vier Fahrzeuge glänzen mit sehr guten Betriebsbremsanlagen. Obwohl viele der Tester gerne mit Retarder fahren, müssen wir zugeben, dass Mercedes bei seiner Motorbremse ein echt starkes Stück hinbekommen hat. Sie ist so leistungsstark, dass auf der VR-Testrunde eine hydraulische Zusatzbremse entbehrlich ist. Bis auf wenige Beibremsungen bleibt der Fahrer untätig. Das bleibt er erst recht bei den anderen drei Probanden, die allesamt über einen Retarder verfügen. Allerdings überzeugt der Renault nicht eben durch hohe Regelgenauigkeit. Härter, aber nicht unkomfortabel Beim Fahrkomfort sammeln Mercedes und Scania mehr Punkte. War der Vorgänger MP3 noch eine rechte Sänfte mit niedrigen Bedienkräften, wogender Kabine und weicher Federung, gibt sich der New Actros härter. Wie der Scania wirkt er dabei aber nicht unkomfortabel. Einen neuen Maßstab, wie gerne von den Sternenerbauern kolportiert, setzt er dabei nicht. Zwar ist er fahraktiver und besser auf Kurs zu halten als sein Vorgänger. Aber den Scania vermag er nicht abzuhängen. Grundsätzlich bietet auch der MAN ein gutes Fahrwerk und eine direkte Lenkung, die viel Gefühl zur Fahrbahn vermittelt. Doch im Münchner stört die weiche Kabinenlagerung den Eindruck. Zudem führt die erhabene Position am Lenkrad mit der offenen Architektur des Armaturenbretts dazu, dass sich der Fahrer weniger integriert fühlt als bei den Fahrerplatzlösungen von Scania und Mercedes. Dort umfängt ein Halbrund den Chauffeur, alle Bedieneinrichtungen sind in Griffweite platziert, die Instrumente zeigen sich klarer gegliedert und auch die Bordcomputer lassen sich einfacher bedienen. Dagegen wirkt der Renault im direkten Vergleich fast schon spartanisch. Die schmale Kabine mit dem hohen Motortunnel „integriert“ den Fahrer dann schon sehr stark – auf langen Touren kann es etwas eng werden. Auch die Klimatisierung des Franzosen überzeugt nicht ganz so wie in Scania und MAN. Wobei der Mercedes, wenn es ums Halten der eingestellten Temperatur, die zugfreie Belüftung oder auch Standheizungsfunktionen geht, klar den Maßstab definiert. Nicht anders bei den Sitzen, wo die Tester dem New Actros den höchsten Sitzkomfort und die besten Verstellmöglichkeiten attestieren. Auch in diesem Punkt fällt das einfache Gestühl des Premium zurück. Seine ehemalige Paradedisziplin, die beste Ergonomie, hat der Scania inzwischen an Mercedes verloren. Wenn es um den Kabinenkomfort geht, machen die beiden Deutschen den Sieg unter sich aus – und der Mercedes Actros sammelt am Ende mehr Punkte. Dass sich Scania und Renault geschlagen geben müssen, liegt an den eingeschränkten Kabinenvolumina. Nachts fühlt sich der Fahrer im Mercedes am wohlsten. Ganz abgesehen davon, dass der Actros mit der besten Verarbeitung aufwartet. Mehr Kraft im zwölften Gang Um den Kreis zu schließen, wollen wir auf eine „Erfindung“ eingehen, die den Actros in punkto Fahrbarkeit nach vorne bringt: Toptorque. Der Mercedes, als 450er normal mit 2200 Nm maximalem Drehmoment gesegnet, erhöht im 12. Gang den Bestwert auf 2400 Nm. Im Fahrbetrieb führt das zu späteren Rückschaltungen am Berg. In vielen Fällen kann der Gangwechsel sogar komplett unterbleiben. Das führt unterm Strich zu einer entspannten Fahrweise und spart auch ein paar Zehntel Liter Diesel. Über die Problematik der GPS-gestützten Tempomaten haben wir bei der Vorstellung von CCAP (Scania) und PPC (Mercedes) geschrieben. Beim Test konnten wir das im direkten Vergleich des 1845 mit unserem fast baugleichen New Actros ohne PPC erleben. In der Senke gibt das Testauto etwas Gas vorm Berg und eilt davon. Vor der Kuppe nimmt er deutlich Gas zurück. Das Referenzauto läuft auf, der Fahrer ist ein wenig erschrocken ob der ungewohnten Reaktion des Vorausfahrenden und setzt, wie die anderen Kollegen in einer solchen Situation auch, zum Überholen an. Nach der Kuppe lässt es PPC wieder laufen. Der eben Überholte ist (wenn er nicht eben 90 und schneller fährt) im Weg. Setzt jetzt der Fahrer des PPC-Autos seinerseits zum Überholen an, fehlt sowohl dem anderen LKW als auch den von hinten heraneilenden PKW-Fahrern jedes Verständnis. Zugegeben, das Ergebnis des Test-Actros zeigt, dass PPC enorm Diesel spart. Solange es nicht alle haben, werden es viele Fahrer aus Gründen der Verträglichkeit mit anderen Kollegen wohl ausgeschaltet lassen! Am Ende trägt der New Actros 1845 Streamspace den Pokal für den Gesamtsieg zu Recht nach Stuttgart. Aber nach dem Test ist vor dem Test. In wenigen Monaten kommt Neues von Scania und Renault. Und der Volvo FH mit seinem neuen Fahrwerk stellt sich hoffentlich ebenfalls dem nächsten Vergleich. ❙❚■ Gerhard Grünig Testredakteure aus sieben Nationen nehmen beim Euro Truck Test die LKW unter die Lupe Vielen Dank an unsere Partner Unterstützung von Aral Zu Premium-Vergleichstests gehören Premiumpartner. Das gilt auch für die getankten Kraftstoffqualitäten. In diesem Fall unterstützte der BP-Konzern mit den Töchtern Aral und Routex den Test – und das nicht nur an der Aral-Tankstelle, an der jede Runde startete und endete. Getankt wurde Aral LKW-Diesel, ein schwefelfreier Dieselkraftstoff, der entsprechend der nationalen Kraftstoffnorm DIN 51 628 bis zu sieben Prozent Biodiesel enthalten darf. Das enthaltene Aral Additivpaket ist speziell auf die Bedürfnisse von Nutzfahrzeugmotoren ausgelegt. Die LKW im TÜV-Urteil Nicht ganz wartungsfrei Der TÜV Süd kümmert sich beim ETT um den Service- und Wartungscheck. Der Actros glänzt mit hoher Wartungsfreundlichkeit. Bemängelt werden nur Kleinigkeiten, etwa, dass zum Wechsel des Kraftstofffilters die Kabine gekippt werden muss. Der Scania ist ebenfalls gut, fällt aber mit dem kurzen Wartungsintervall (maximal 90.000 Kilometer im Fernverkehr, dafür aber günstiges Öl) zurück. Grundsätzlich überzeugt auch der MAN. Aber bei ihm muss fast für alle Wartungspunkte das Fahrerhaus gekippt werden. Dafür fällt das Wartungsintervall mit 120.000 Kilometern lang aus. Auch beim Renault muss sich der Nutzer mit kürzeren Intervallen abfinden (60.000 bis 100.000 Kiometer). Generell zeigt sich der Franzose nicht ganz so wartungsfreundlich. gg Test mit referenz-LKW Testen wie die Industrie Jeden VR-Profitest und den ETT begleitet der redaktionseigene New Actros 1845 mit Kögel-Curtainsider (40 Tonnen). Mit dieser Kombination haben wir unter Normalbedingungen (windstill, trocken, 20 °C) Basiswerte für die Verbrauchsmessung erfahren. Ändern sich bei der Testfahrt die äußeren Bedingungen durch Wind, Regen oder Temperatur, ändert sich auch der Verbrauch des Referenz-LKW. Um diese Abweichung können wir die Verbrauchswerte des jeweiligen Test-LKW korrigieren und schaffen eine Basis, alle Werte unserer Tests vergleichbar zu machen. Da die Messwerte je nach Witterung um bis zu zehn Prozent abweichen, halten wir eine vergleichende Darstellung ohne Referenz-LKW für nicht legitim. gg Kommentar Für eine Überraschung gut Dass der New Actros am Ende die Nase vorne hat, war zu erwarten. Er punktet in allen Disziplinen – setzt aber nur beim Thema Elektronik und Assistenzsysteme Maßstäbe. Wie gut sich der Scania schlägt, ist eine kleine Überraschung. Auch der Premium zieht sich für ein Serien-Auto gut aus der Affäre. Dass der sonst gute MAN in der Verbrauchswertung abfällt, hat nicht nur uns überrascht. Kontakt: gerhard.gruenig@springer.com MAN TGX 18.440 XLX Mercedes-benz 1845 streamspace scania g 440 highline renault premium route 460 optidriver als zaungast beim Euro truck test – der iveco stralis hi-way Alte Schale, neuer Kern – aber mit mehr Hang zur Qualität Auch wenn die Entscheidung, den Stralis nicht mehr in Ulm zu produzieren, vor allem in Deutschland Unmut auslöste, scheint sich die Qualitätsoffensive in Madrid gelohnt zu haben: Im Interieur des neuen Stralis Hi-Way ist ein riesiger Sprung erkennbar: Endlich gibt es abriebfeste Schalter und Taster, die alle satt und sauber rasten. Die schicke metallicfarbene Spange in der Mittelkonsole und der hinterschäumte Träger, der Tacho und Multimediasystem überspannt, wirken wertig, aber nicht abgehoben und stellen endlich eine Art „Corporate Identity“ nach Art des italienischen Mutterhauses her. Auch den Boden unterfütterte Iveco neu, so dass alles jetzt solider wirkt. Die Staukästen sind ebenfalls sauber verkleidet und beim Thema Geräuschdämmung hört man die Bemühungen der (immer noch in Ulm ansässigen) Konstrukteure. Weil man nämlich außer minimalen Wind- und ein wenig Reifengeräuschen nicht mehr viel hört – was sich in niedrigen dB(A)-Werten bei der Geräuschmessung nicht unbedingt manifestiert. Beim Hauptträger der Armaturentafel stimmt die Narbung. Allerdings fällt der Glanzgrad mit einer gewissen „Speckigkeit“ etwas zu hoch aus. Was hörbar schwerer wiegt, ist die Härte des verwendeten Kunststoffes, was immer wieder zu leichtem Knistern auf schlechten Straßen führt. Interessant auch der Weg von Iveco, mit „SCR only“ bei den Euro-6-Fahrzeugen auf eine verbrauchserhöhende Abgasrückführung zu verzichten. Wie‘s in der Praxis funktioniert, werden wir schon bald im VerkehrsRundschau- Profitest überprüfen. Auf jeden Fall muss sich Iveco mit dem Neuen trotz unveränderter Basis nicht mehr verstecken. gg

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