Erfolgreich angeln

Erfolgreich angelnim NetzAlle tun es – und kaum jemand redet darüber: Die Konkurrenzanalyse gehört zum Handwerk eines Unternehmers – und das Internet wird immer mehr zum ergiebigen Fundort. Man muss nur wissen, wo und wie man findet.Auf den ersten Blick haben die Walter Schmidt Speditions GmbH & Co. KG in Wildau und die RS Meditrans GmbH & Co. KG in Senzig nicht viel gemein: Das eine Unternehmen transportiert schwere Güter mit 40-Tonnern, das andere hat sich auf sensibles Stückgut spezialisiert. Doch beide Unternehmen haben die gleiche Chefin – und Ramona Sabelus ist moderner Informationstechnologie gegen-über ausgesprochen aufgeschlossen: Selbstdarstellung, Stellenausschreibungen, Frachtakquisition und Fahrzeugsteuerung – für all diese Aufgaben nutzen Ramona Sabelus und ihre Mitarbeiter das Internet. Und auch die Konkurrenz behält die agile Doppelchefin übers Netz im Blick – allerdings nur mit halbem Auge: "Wir machen das nicht systematisch", sagt Sabelus. "Im Vordergrund steht einfach das operative Geschäft."Mit dieser Haltung steht die Unternehmerin nicht alleine da. Auch Otto Schacht, weltweit für die Seefracht bei Kühne + Nagel verantwortlich, betreibt die Beobachtung der Konkurrenz übers Internet nicht systematisch: "Wir haben früher gedacht, da sei mehr rauszuholen, haben aber festgestellt, dass das nicht der Fall ist." Bei diesem halbherzigen Blick könnten den Logistikunternehmern nach Ansicht von Experten allerdings eine Menge Information über ihre Konkurrenz durch die Lappen gehen (s. Kasten auf Seite 38). Denn das Internet ist eine Fundgrube. Zunächst steht dabei natürlich die Webseite des Wettbewerbers im Fokus. Sie spiegelt die Geschäftsphilosophie des Unternehmens wider. Nutzt der Wettbewerber sie als reine Kontaktmöglichkeit oder zur umfassenden Selbstdarstellung? Hat der Konkurrent das elektronische Medium für sich entdeckt oder setzt er noch immer auf das gute alte Papier? Mit speziell entwickelten Software-Tools lassen sich die Seiten der Wettbewerber auch auf Veränderungen hin scannen.Dieser Außenwirkung ist sich auch Torsten Rudolph bewusst: Der Geschäftsführer der Rudolph Logistik Gruppe GmbH & Co. KG in Baunatal hat Anfang des Jahres die Website seines Hauses einer Frischzellenkur unterzogen, um Dynamik zu vermitteln und das Portfolio des Unternehmens potenziellen Kunden breit darzustellen. "Insbesondere wenn die Ausschreibungen durch Beratungshäuser getrieben sind, spielt die Internetdarstellung eine sehr große Rolle." Dass er damit auch der Konkurrenz Informationen über die eigene Geschäftsphilosophie überlässt, nimmt Torsten Rudolf billigend in Kauf. Firmeninfos in SekundenschnelleBei der Website der Konkurrenz muss die Analyse über das Internet aber längst nicht Halt machen: So müssen alle publikationspflichtigen Unternehmen unter der Webseite www.unternehmensregister.de eine gekürzte Bilanz einstellen, die manchmal auch für die Konkurrenz interessante Informationen enthält – nicht zuletzt, weil viele Unternehmen nach Erfahrung von Rainer Michaeli, Geschäftsführer des "Institute for Competitive Intelligence" in Butzbach (s. obenst. Kasten), hier viel mehr veröffentlichen, als gesetzlich vorgeschrieben ist. Auch Handelsregistereinträge, Änderungen beim Eigenkapital und des Standorts sind hier zu finden – und das kostenlos.Nicht ganz ohne Kosten geht die Recherche über Portale und Online-Datenbanken ab. So bietet der Datenbankproduzent, Host- und Informationsdienstleister Genios Informationen aus mehr als 1000 Datenbanken, 60 Millionen Firmeninformationen, über 300 Tages- und Wochenzeitungen und 9000 ausgewerteten Zeitschriften. Über Suchbegriffe lassen sich in wenigen Sekunden die aktuellen Informationen und Berichte zu einem Unternehmen ermitteln. Eher auf technische Informationen stößt, wer die Dienstleistung des Fachinformationszentrums (FIZ) in Karlsruhe nutzt.Soziale Netzwerke im Internet wie Xing bieten hingegen – richtig analysiert – die Möglichkeit, Details aus der Struktur eines Wettwerbers zu erfahren: Hier treffen sich Geschäftsleute im Internet zum Networking – und geben dabei auch Informationen über ihre Position und ihr Unternehmen preis. "Wer sich da reinstellt, riskiert, angesprochen zu werden", weiß Rainer Michaeli. "Wenn man jemanden kontakten wollte, hat man schon einen Ansprechpartner." Ob dies mit ethischen Grundsätzen eines gesunden Wettbewerbsverständnisses vereinbar ist, sei dahingestellt. "Es ist aber nicht unüblich."Trends und StimmungsbilderAuch so genannte Consumer Generated Media (Internetseiten, die von Nutzern gestaltet werden) sind vermehrt Anlaufstellen einer internetbasierten Konkurrenzanalyse: In Blogs, Wikipedia-Einträgen und fachlich orientierten Artikeln sind die Teilnehmer zwar meist anonym oder unter falschem Namen unterwegs, doch mitunter umso freigiebiger mit Informationen, die sich mit einem entsprechenden Hintergrundwissen schnell einordnen lassen. Einerseits erlauben Software-Tools, aus diesen in Internetseiten eingestellten Informationen Trends und Stimmungsbilder zu filtern. Andererseits erweist sich spätestens hier das Web als brodelnde Gerüchteküche. Ihre Inhalte sind mit Vorsicht zu genießen: Sie mögen einem Unternehmer den entscheidenden Tipp verschaffen, um an neue Kunden heranzukommen. Sie können ihn aber auch auf falsche Fährten führen. Denn nach Erfahrung von Experten werden hier auch gezielt Falschinformationen positioniert. Für den IT-Spezialisten Frank Ziemann, der gemeinsam mit der Technischen Universität Berlin Fälschungen im Internet jagt, gibt es im Internet nichts, was es nicht gibt. Und Grenzen sind schwer zu ziehen: "Grenzwertig ist es immer, falsche Identitäten vorzutäuschen", meint er. "Aber relativ unproblematisch ist es, sich im Internet unter einer harmlosen Adresse als Privatperson auszugeben."Blick über den TellerrandVorsicht ist auf jeden Fall geboten: "Der Webauftritt von vielen Speditionen sieht nach sehr viel aus", meint Ramona Sabelus, Chefin der Spedition Walter Schmidt. "Aber wenn man das hinterfragt, können die das gar nicht." Deshalb würde sie nie einer Aussage aus dem Internet allein glauben: "Man kann sich einen ersten Eindruck verschaffen. Letztendlich muss man sich aber doch über persönliche Kontakte um ein Thema kümmern." Und über den Tellerrand schauen: Herrmann Scherer, Motivationstrainer und Unternehmensberater, warnt davor, sich nur um die hinlänglich bekannte Konkurrenz zu kümmern: "Die vernichtende Hauptkonkurrenz kommt meist nicht aus dem unmittelbaren Umfeld", erläutert er. "Das sind ganz andere Innovationen, die es vorher so nicht gab. Um die zu erkennen, muss man über den Tellerrand hinausschauen."❙❚■ Florian Beck, freier Journalist

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