Elektromobilität

ElektromobilitätVon der vollen Ladung weit entferntDas Thema Elektromobilität kommt in Deutschland nur zögerlich voran. Trotz erster kleiner Testflotten sind viele Kunden nicht bereit, die stolzen Aufpreise für die Zukunftsmodelle zu zahlen. Damit hakt die nationale Entwicklung weiterhin. Mancher Fahrer wird sich in diesem strengen Winter zwar eine kräftigere Heizung in seinem Elektromobil gewünscht haben, ansonsten laufen die ersten Stromer in Deutschland den Aussagen der Betreiber zufolge sorgenfrei durch den Testbetrieb. Dennoch kommt das Thema Elektromobilität nur äußerst zäh voran. Trotz des anfänglichen Hypes um die grüne Revolution im nationalen Fuhrpark, der laut Vorgaben der Politik in neun Jahren bereits eine Million Elektrofahrzeuge zählen soll, wird in dem im Frühsommer erwarteten zweiten nationalen Statusbericht ein Kapitel recht kurz bleiben: die Eindrücke über die Alltagstauglichkeit der Stromer. Die anfängliche E-Euphorie, die vordergründig von Marketingabteilungen befeuert wurde, scheint erlahmt. Speziell im Nutzfahrzeugsektor ist die E-Vision weit aus dem Blickfeld entrückt. Der Taktgeber des Wechsels von Diesel auf Strom war und ist die Politik. Doch gerade auf der politischen Bühne wird das derzeitige Dilemma deutlich. Denn die Elektromobilität ist in Deutschland nicht etwa ein umweltpolitisches, sondern vor allem ein wirtschaftspolitisches Thema, wie vor kurzem Werner Ressing, Abteilungsleiter im Bundeswirtschaftsministerium, auf der Veranstaltung „Elektromobilität in Deutschland“ klarstellte: „Ob Elektrotechnik umwelttechnisch sinnvoll ist, können wir heute noch nicht vollständig beantworten.“ Vorerst könne sie herkömmliche Verbrennungsmotoren nicht ersetzen und auch die CO2-Werte sind noch nicht deutlich besser als bei konventionellen Motoren, so das ernüchternde Zwischenfazit. Wer treibt die E-Visionen voran?Elektromobilität habe aber global an Bedeutung gewonnen, sodass sich die deutschen Automobilhersteller am in-ternationalen Wettbewerb um die Produktion von E-Fahrzeugen beteiligen müssen. „Deutschland muss Leitanbieter werden“, wiederholt Klaus-Peter Müller, Vorsitzender des Präsidiums des Deutschen Verkehrsforums, den bekannten Schlachtruf der E-Visionäre. Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), sieht die Elektromobilität momentan nicht nur in einem technischen, sondern auch in einem politischen Suchprozess. Deshalb fordert er von der Politik, sich auf ent-sprechende Rahmenbedingungen nicht nur national, sondern vor allem international zu verständigen. Darunter versteht Wissmann neben den Bedingungen für die Markteinführung auch Standardisierungen, wie die einheitliche Gestaltung von Steckern an Fahrzeugen und Tankstellen. „Wir folgen keinem E-Hype, denn darauf folgt immer der Kater“, gibt sich Wissmann ungewohnt defensiv. Diese leisen Töne sind auch den hiesigen Rahmenbedingungen geschuldet. Im Gegensatz zu den europäischen Nachbarn fördert Deutschland die Stecker-Modelle nicht durch Subventionen. „Wir wollen keine Unikate oder ausländische Hersteller fördern und ein serienreifes Fahrzeug von einem deutschen Hersteller gibt es noch nicht auf dem Markt“, betont Ressing. Förderung werde es deshalb vorerst nur für Entwicklung und Forschung geben. Rollende Labore im AlltagstestDiese zwar national nachvollziehbare Entscheidung hemmt aber vor allem international agierende Unternehmen, ihre E-Flotten auszubauen. „Um stückzahlenseitig den Durchbruch zu schaffen, müssen die Fahrzeuge gefördert werden, denn für große Flotten sind sie momentan einfach zu teuer“, bestätigt Michael R. Hance, UPS-Vizepräsident im Interview (siehe Seite 10). „Entsprechend sehen wir das Ganze eher als rollendes Labor, das momentan zeigt, dass die Lösung noch nicht gefunden ist“, so Hances Resümee. Vorerst blockt die Politik diesen Wunsch ab. Aus haushaltspolitischen Gründen sei auch in den nächsten Jahren kein Potenzial für einen finanziellen Kaufanreiz vorhanden, so der Tenor der Elektroexperten. Wichtig sei es indes, bei der Forschung und Entwicklung technisch offen zu bleiben und sich nicht nur auf batteriebetriebene Fahrzeuge zu konzentrieren, da beispielsweise künftig der Hybridantrieb im Nutzfahrzeugbereich eine wichtige Rolle spielen könnte, erklärt Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Erste E-Transporter auf der IAA 2010Ihre Hausaufgaben zum Sprung ins E-Zeitalter zeigten die NFZ-Hersteller bereits auf der letztjährigen IAA Nutzfahrzeuge. Zumindest bei den leichten Transportern könnte Strom künftig vermehrt die Räder bewegen. Während es sich beim E-Concept auf Vivaro-Basis von Opel um eine reine Studie ohne Aussicht auf eine baldige Serienproduktion handelte, gingen einige Mitbewerber deutlich weiter und nannten bereits konkrete Markteinführungstermine sowie Preise. Pionier in Sachen Elektrotransporter ist die Firma Eco-Craft-Automotive. Bereits seit Anfang 2009 bieten die Niedersachsen ihren urigen Eco-Carrier an, unter dessen Haube ein 20-PS-Elektromotor werkelt. „Die Nachfrage nach E-Transportern steigt“, freut sich Eco-Craft-Pressemann Ulrich Eggert. „Interessierten sich bislang vor allem Kommunen für unser Produkt, wollen jetzt immer mehr private Gewerbetreibende vom ökologischen Image eines Elektrofahrzeuges profitieren.“ Darüber hinaus sind auch schärfere Umweltzonen und die wieder anziehenden Spritpreise Kaufargumente. Weshalb auch die namhaften Transporterproduzenten erste verkaufte E-Fahrzeuge melden. Die Kundennachfrage ist zwar sehr verhalten, dennoch belegt eine Umfrage der VerkehrsRundschau, dass einige Unternehmer die E-Zukunft recht schnell einläuten wollen (siehe Grafik unten). ➞ 1800 Exemplare seiner beiden auf der IAA präsentierten E-Modelle will Citroën bereits an den Mann gebracht haben. Davon entfällt der größte Teil allerdings auf das Konto des 3,48 Meter kurzen viersitzigen Winzlings C-Zero-Airdream, der optional auch mit einem Nutzfahrzeug-Kit orderbar ist, mit dem der rund 30.000 Euro teure Stromer zum Zweisitzer mit großem Kofferraum mutiert. Reinrassige Nutzfahrzeug-Gene besitzt dagegen der Kas-tenwagen Berlingo First Electric, von dem bislang 100 Exemplare bestellt wurden. Abschreckend dabei ist für viele sicher dessen selbstbewusster Anschaffungspreis von happigen 42.780 Euro. Höhere Verkaufszahlen vereiteln laut Citroën zusätzlich die eingeschränkten Produktions-kapazitäten des Elektrospezialisten Venturi, mit dem zusammen der Strom-Berlingo entsteht. Hohe Anschaffungspreise für StromerAuch Renault will auf den Elektrozug aufspringen und nimmt bereits Vorbestellungen für seinen Kangoo Z.E. entgegen. Die ersten Fahrzeuge sollen aber nicht vor Oktober dieses Jahres ausgeliefert werden. Bis dahin sammelt man weitere Praxiserfahrungen im Rahmen eines Feldtests, an dem 45 E-Kangoos teilnehmen. Nur im Leasing zu haben ist der Vito E-Cell von Mercedes, vom dem nach Herstellerangabe bislang 100 Exemplare über deutsche Straßen rollen. Allerdings im Rahmen eines speziellen Förderprojektes, an dem neben kommunalen Einrichtungen auch mehrere Privatunternehmen teilnehmen. Beliebt ist der Stromer bei KEP-Dienstleistern. So schickte unter anderem DPD Anfang Januar fünf Elektro-Stuttgarter in die Spur (siehe Seite 34). Anders als die PKW-Sparte, welche die Elektrovariante für die neue A- und B-Klasse vorerst auf Eis gelegt hat und sich wieder vermehrt der Brennstoffzelle widmet, hält Mercedes beim Transporter am Elektroantrieb fest. 2000 weitere Exemplare des Strom-Vitos sollen in diesem Jahr entstehen. Interessenten müssen allerdings um 1,4-fache höhere Leasingraten einkalkulieren als für einen herkömmlichen Selbstzünder-Vito. Die Elektroversion des Daily stellte Iveco bereits im Rahmen der IAA 2008 auf seinem Stand aus. Zwei Jahre später zeigte man voller Stolz einen von drei „Electric“, den die Italiener im Rahmen eines Feldtests an DHL lieferten (siehe Praxisbericht Seite 29). Abgesehen davon konnten sich bislang allerdings noch keine weiteren Unternehmen in Deutschland zu der teuren Anschaffung des 3,5-Tonners durchringen. Schließlich werden für die elektrische Lösung mindestens 73.750 Euro fällig. Zuzüglich Basisfahrzeug, wohlgemerkt. Lediglich in Spanien, Frank-reich und Brasilien laufen einige Daily-Electric bei imagehungrigen Kommunen. Bislang ebenfalls nur in Übersee rollt der Ford Transit Connect Elektro. Frühestens Mitte des Jahres soll der E-Connect nach Europa kommen. Der Grundstein für das elektrifizierte Transporter-Zeitalter ist also gelegt – mehr nicht. Die Minizahlen an E-Vans mehren Zweifel, wie und wann es gelingen soll, die horrenden Anschaffungskosten zu drücken und die schwergewichtigen Batterien zu optimieren. Zero-Emission nur mit ÖkostromNeben den technischen Hürden gilt es auch die Frage der Stromquellen zu klären. Erst dann werden die Stromer zu echten „Zero-Emission-Vehicles“, die zumindest für innerstädtische Einsätze tatsächlich den Antrieb der Zukunft stellen könnten.„Wenn elektrisch betriebene Fahrzeuge aber mit Strom aus Kohlekraftwerken betrieben werden, dann ist ihre CO2-Bilanz nur unwesentlich besser als die von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor“, erklärt die parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche beim Start der Elektroflotte beim IT-Riesen SAP, der rund 30 E-Fahrzeuge des Typs Stromos in seinen Fuhrpark aufnahm – das Projekt wird übrigens vom Umweltministerium mit rund 2,2 Millionen Euro gefördert. Letzten Endes laufen Elektroautos nur mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen fast vollständig CO2-frei. Voraussetzung für die weitere Entwicklung der Elektromobilität ist deshalb die Stromgewinnung rein aus regenerativen Energiequellen. Wie die jüngst vorgestellte, fast 700 Seiten starke Studie „Wege zur 100% erneuerbaren Stromversorgung“ zeigt, ist in Deutschland die Vollversorgung mit grünem Strom möglich – wenn auch frühestens im Jahr 2050. Umweltminister Norbert Röttgen sieht sich dennoch bestätigt. „Die Bundesregierung hat sich mit dem Energiekonzept bereits ein sehr ehrgeiziges Ausbauziel gesetzt: Wir wollen im Jahr 2050 einen Anteil von 80 Prozent erneuerbarer Energien an der Stromversorgung erreichen.“ Aber dieses Ziel ist aus jetziger Perspektive genauso Zukunftsmusik wie der Traum von wahrer E-Mobilität in Deutschland. ❙❚■ Annika Binder, Jan Burgdorf, Rocco SwantuschStatt der Tanknadel gibt die Batterieanzeige die Reichweite des Elektrofahrzeugs anVon Ivecos Daily Electric (l.) rollen bislang nur drei Exemplare über deutsche Straßen. Auch öffentliche Strom-Tankstellen (r.) sind seltene BlickfängeNull Emission ist nicht nur eine Frage der Fahrzeugtechnik, sondern auch der StromgewinnungE-Pionier: Seit 2009 gibt es den Eco-Carrier ElektromobilitätOnline-umfrageIn einer Online-Umfrage der VerkehrsRundschau bestätigten drei Prozent der Teilnehmer, dass sie bereits ein E-Fahrzeug haben. Weitere vier Prozent wollen in diesem Jahr einen Stromer anschaffen. Satte 40 Prozent haben generell kein Interesse an den E-Mobilen. rs Wann wollen Sie das erste Elektrofahrzeug einsetzen?Elektromobilität

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