Dongfeng Kinland

Dongfeng KinlandDer Tiger auf dem SprungDie VerkehrsRundschau hatte exklusiv die Gelegenheit, den neuen Dongfeng Kinland mit AS-Tronic zu fahren. Dank immer mehr europäischer Technik könnte der Kinland bald zu uns kommen.Ein wenig mystisch ist der Auftritt des Dongfeng Kinland schon – zumindest wenn es nach den schillernden Anpreisungen seiner Erbauer geht: Im Firmenlogo kreuzen sich zwei Schwerter – Zeichen für Mut, Kraft und nicht zuletzt Angriffslust. „Die neuen Klarglasscheinwerfer in der Form zweier Tigerzähne fügen sich harmonisch ins Design“, lautmalert das Verkaufsprospekt.Dass dieser Tiger seine Krallen Richtung Europa ausstreckt, möchte Dongfeng- LKW-Chef Huang Gang nicht ausschließen – auch wenn sich das Engagement der Chinesen seiner Aussage nach erst auf dem Heimatmarkt, dann auf Märkte wie Russland oder Afrika konzentriert. Mit einem gewinnenden Lächeln fragt Gang schließlich doch, was man denn tun müsse, um in Europa erfolgreich zu sein ...Einen Teil der Antwort scheint er schon zu kennen. Mit immer mehr europäischen Komponenten macht er sein Flaggschiff, den Kinland, fit für den Sprung. Neben dem in China neu eingeführten AS-Tronic-Getriebe von ZF baut die Fernverkehrsbaureihe von Dongfeng antriebstechnisch längst auf westliche Triebwerke: Neben dem Tianlong-Motor – ein Sechszylinder nach Cummins-Lizenz, hat sich der Dci11 etabliert. Eine Euro-3-Version des bekannten Renault-Elfliters mit 420 PS.Die Markteinführung der ZF-Schaltbox in Shanghai gab Gelegenheit, den Kinland genauer unter die Lupe zu nehmen. Um das Fahrzeug besser einschätzen zu können, schadet es nicht, die Eigenheiten des chinesischen Marktes zu kennen: Die Mehrzahl der schweren LKW im Land des Lächelns werden von selbstfahrenden Unternehmern betrieben. Ähnlich dem europäischen Anforderungsprofil dominieren Sattelzüge. Im Kommen sind dreiachsige Zugmaschinen, die in Kombination mit Dreiachs-Sattelaufliegern theoretisch 55 Tonnen schleppen dürfen – faktisch ist es meist mehr. Vielfach sitzen zwei Chauffeure auf dem LKW, die trotz vorhandener Lenk- und Ruhezeiten meist rund um die Uhr fahren. Service und Wartung waren bislang kein Thema. Geht etwas kaputt – was oft passiert – wird am Straßenrand oder in kleinen Hinterhof-Werkstätten repariert. Zuverlässigkeit war bislang kein großes Kaufargument. Die manuellen Shanxi-Getriebe – unserem Ecosplit optisch täuschend ähnlich – halten maximal 80.000 Kilometer.Doch aktuell gibt es einen großen Umbruch. Wurde früher an jeder Provinzgrenze umgeladen, erlaubt die Regierung inzwischen landesweite Transporte. Dadurch entstehen immer mehr auch große Logistikdienstleister, die Wert auf Haltbarkeit und Zuverlässigkeit legen. Im Zuge dieser „Revolution“ verkaufen sich sogar westliche Laster, die zwar drei Mal so teuer, aber um ein Vielfaches zuverlässiger sind. Als Reaktion auf die ungeliebte Konkurrenz aus dem Ausland ziehen einheimische Hersteller wie Dongfeng nach und optimieren mit moderner, westlich geprägter Technik.Ein Beispiel dafür ist eben der neue Dongfeng Kinland. Auch wenn die automatisierten Schaltgetriebe im chinesischen ZF-Werk entstehen, entsprechen sie europäischem Standard und lassen sich von einer AS-Tronic aus Friedrichshafen nicht unterscheiden. Die Kombination Renault-Motor und ZF-„Automatik“ ist insofern ungewöhnlich, als die Franzosen im Original nur Schaltgetriebe von ZF verbauen. Aber es funktioniert! Zwar ist die Adaption im ersten Aufguss noch etwas holprig und erinnert an Versionen, wie wir sie vor ein paar Jahren noch kannten. Doch einerseits lernen die Chinesen schnell. Andererseits ist bereits die aktuelle Abstimmung um Längen besser, als es die asiatischen Fahrer bislang gewohnt waren.Die Optik des Dongfeng ist für europäische Augen gar nicht mal so ungewöhnlich. Man glaubt ein bisschen Premium zu erkennen – und auch ein wenig DAF CF. Und genau in dieser Fahrzeugkategorie bewegt sich der Kinland auch. Die Kabine ist knapp geschnitten, was unter anderem dem 80 Zentimeter breiten Bett geschuldet ist. Einen zarten Ansatz von ergonomischem Aufbau bietet das halbrund um den Fahrer angeordnete Armaturenbrett. Tatsächlich lassen sich alle Bedienelemente gut erreichen – inklusive des von früheren DAF-Modellen abgeschauten Schalthebels.Und wenn Mercedes heute propagiert, dass sie das „höhenverstellbare“ Bett erfunden haben, Dongfeng sagt, sie hätten dieses schon viel länger.Ein Angriff auf europäische Geschmacksnerven sind die magentafarbenen Bett- und Sitzbezüge. Die Nase kämpft dagegen mit den Ausdünstungen der billigen Plastikoberflächen. Dafür ist der Kinland mit 68 dB(A) im Fahrbetrieb recht leise. Fahrkomfort ist mit den mächtigen Blattfederpaketen an der Hinterachse ein Fremdwort. Doch Dongfeng-LKW-Chef Huang Gang weist darauf hin, dass es durchaus eine komfortablere Luftfederung gäbe. Echt abenteuerlich mutet die indirekte Lenkung an. Ein deutscher TÜV-Beamter würde einen glatt nach Hause schicken wegen Spiel in den Übertragungsteilen. Dabei ist alles flammneu. Gang wird seinem Flaggschiff sicher ein ZF-Produkt verordnen, ehe er es nach Europa bringt ...Kaum Nachholbedarf hat der China-Laster bei primären Sicherheitselementen. Die Kabine entspricht mit ihrem Aufbau bereits europäischen Crash-Standards. Selbst an den Unterfahrschutz hat Dongfeng gedacht. ABS ist zumindest bei den neuen Modellen an Bord. Am Einbau von ESP versuchen sich die Ingenieure gerade. Anzunehmen, dass auch in diesem Punkt wesentliche Komponenten von europäischen Entwicklungspartnern kommen werden.Dass Huang Gang durchaus nach Europa schielt, zeigt die Ankündigung einer Telematiklösung für seine LKW. Eine flüchtig an die Wand geworfene Präsentation ließ erkennen, dass es dabei durchaus auch um vorbeugende Wartung, vor allem aber Verbrauchsoptimierungen geht.Dieses Thema wird gerade für die wachsenden chinesischen Flotten ein Thema. Großkunden, wie NYK Logistics, die bereits 100 Kinland bestellt haben, legen Wert auf Zuverlässigkeit und niedrigen Dieselkonsum. Da sind rund zehn Prozent Ersparnis angesichts schlecht geschulter Fahrer beim Einsatz einer AS-Tronic durchaus ein Argument.Mit 40.000 Euro sind Sie dabeiObjektiv hat der Kinland (noch) nicht die Reife, in Westeuropa Fuß zu fassen. Andererseits präsentiert er sich nicht so schlecht, als dass er keine Chancen hätte. Eine Luftfederung, ein neues Lenkgetriebe, neutrale Interieurfarben und ein aktueller Dci11 mit EEV. Dann könnte der Sprung des Tigers gelingen. Einen Besuch ist der Dongfeng-Stand auf der IAA allemal wert – der Kinland kostet nur 40.000 Euro! ❙❚■ Gerhard GrünigBereit für den nächsten Sprung: Der Dongfeng Kinland mit AS-TronicHalbwegs ergonomisches Cockpit und ein aus dem DAF bekannter AS-Tronic-Schalthebel„Ein Dongfeng ist ein preiswertes Fahrzeug – kein billiges!“Huang Gang ist Managing Director Commercial Vehicle der Dongfeng Motor Co. Ltd. in Shiyan. Im Bereich schwere LKW ist Dongfeng nach eigenen Angaben Marktführer in China.Wie würden Sie Ihre LKW charakterisieren?Huang Gang: Es schmerzt mich ein wenig, wenn die Europäer sagen, Dongfeng baut billige LKW. Ich würde sagen, wir fertigen preiswerte LKW!Wie hoch ist die Produktion?2006 haben wir 114.000 Fahrzeuge gefertigt, 2009 bereits 190.000.Was sind die größten Herausforderungen für Sie?Aktuell müssen wir die Euro-4-Hürde nehmen, die in den großen Städten Pflicht wird. Zudem arbeiten wir an Assistenzsystemen, die aber aktuell noch keine sehr hohe Priorität genießen. Mit Einführung der automatisierten AS-Tronic-Schaltung haben wir auch begonnen, Intarder zu testen. Speziell auf schwierigen Strecken hat der sicher Vorteile. Aktuell bevorzugen unsere Kunden aber noch die verstärkte Motorbremse. Bei unseren Lizenz-Motoren von Renault setzen wir auf die J-Brake. Wer sind die typischen Käufer Ihrer Fahrzeuge?Die durchschnittliche Fuhrparkgröße in China beträgt aktuell 1,3 Fahrzeuge. Es sind also vornehmlich Owner-Operator, die sich, meist von einem kleinen Nutzfahrzeug kommend, zu einem Dongfeng hochgearbeitet haben. Zunehmen gibt es aber auch wachsende Logistikunternehmen mit großen Fuhrparks.Welche Fahrzeuge stehen im Angebot?Wir fokussieren uns auf schwere Fahrzeuge, sind dort auch Marktführer und bieten vom 4x2 bis zum 8x4 als Sattelzugmaschine oder Fahrgestell an. Unsere Leistungsspanne reicht dabei aktuell von 230 bis zu 420 PS. ggInterviewHuang GangDongfeng KinlandDongfeng KinlandAufholjagd im Copyshop So schnell wie die Wirtschaft wächst, liften die Chinesen auch ihre LKW oder führen gleich komplett neue Baureihen ein. Die haben oft immer noch europäische Wurzeln, von denen man sich aber mehr und mehr abzunabeln versucht. Mitunter werden dort auch Rohbauten mit Motoren kombiniert, die es hier so nie gegeben hätte. Jüngstes Beispiel ist der „V3“ von Beiben, der den Rohbau des aktuellen Mercedes Actros nutzt. Unter der Kabine sitzen allerdings neue Weichei WP Diesel, die zusammen mit AVL in Österreich auf Euro 3 und Euro 4 gehoben wurden. Die Basis für diese Motoren hören allerdings nicht auf das Daimler-Kürzel „OM“ sondern auf die Steyr-Bezeichnung „WD“ – in dem Fall WD 615. Den Steyr-Antrieb vermutet man auch unter gelifteten Kabinen des Shaanxi F3000, der den Rohbau des MAN F2000 übernahm, der zum Ende seiner Zeit in Europa ebenfalls in Steyr montiert wurde. Unter dem auf TGA gelifteten F3000 arbeitet allerdings Cummins-Lizenzpower. Reine Steyr-Lizenzen verbaute einst CNHTC - zwar unterzeichnete man einen Vetrag mit MAN, orientiert sich aber unter dem Label „Howo“ verstärkt in Richtung Schweden: Der noch junge „A7“ erinnert nicht von ungefähr an den Volvo FH, der ebenfalls bis zur Unkenntlichkeit verfremdet wurde. Motorseitig strebt man allerorten Richtung Euro 3 respektive Euro 4, um mittelfristig auch anspruchsvollere Exportmärkte bedienen zu können. Vom reinen Copyshop-Dasein verabschiedet sich erstmals CAMC. Die von Bertone gezeichnete H08-Reihe nimmt zwar Anleihen bei Scania und der noch nicht gezeigten „New Generation“ von Iveco, weist aber ein durchaus eigenständiges modernes Design auf, das es in puncto Aktualität mit jedem Europäer aufnehmen kann. Unter der schicken Kabine arbeiten Aggregate nach Hino- oder Cummins-Lizenz, während die Getriebe von ZF stammen. Kein Wunder, dass auch die Komponentenhersteller China als Wachstumsmarkt erkannt haben. Gering bleiben allerdings die Stückzahlen der „echten“ Euro-Trucks, die ins Reich der Mitte importiert werden: Rund 4000 LKW werden laut dem chinesischen MAN-Chef Benny Lim jährlich eingeführt. Peanuts im Vergleich zu den einheimischen Produkten, die jährlich teils schon sechsstellige Stückzahlen erreichen. gsScania-, Iveco und MAN-Elemente bei CAMC Neue chinesische TrucksBeibens V3 nutzt den Actros-Rohbau, Howos A7 den Volvo FH, und Shaanxi die MAN-Hütte (v. l.) AS-Tronic ist daZF ist mit dem Tochterunternehmen Drivetech seit 2005 mit eigener Fertigung, Applikation und Verkauf in Hangzhou, nahe Shanghai, vertreten. Aktuell führen die ersten Kunden (Dongfeng, Youngman, Higer) die automatisierte Schaltung AS-Tronic ein. Insgesamt hat ZF (mit Taiwan) sieben Verkaufs- sowie 20 Service-Niederlassungen in China – plus ein weiteres Montagewerk. Im Angebot sind die aus Europa bekannten Produkte – vom Getriebe bis hin zur Busachse. gg

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