Die Logistik-Hubs-Zukunft ist autonom

Die Herausforderungen in der Transportlogistik sind gewaltig. So fehlen mittlerweile EU-weit 400.000 Lkw-Fahrer, die Lieferketten bleiben angespannt, und der Kostendruck ist hoch. Gleichzeitig müssen die Unternehmen aus Dekarbonisierungs-Gründen in die Antriebswende ihrer Fahrzeuge investieren sowie in ein sicheres und risikofreies Arbeitsumfeld, um die Zahl von Lkw-Unfällen auf dem eigenen Betriebsgelände zu reduzieren. Chancen autonomer Logistikketten Damit das alles gelingt, muss sich die Transportlogistik verändern. Eine zentrale Lösung ist der stufenweise Aufbau einer nachhaltigen, autonomen Logistikkette. Während die Elektrifizierung der Lkw-Flotte und der Ladeinfrastruktur in den Logistikzentren (Hubs) schon gestartet ist, befinden sich autonome Hubs als Startpunkt für autonome Logistikketten noch in einer frühen Phase. Dabei eignen sie sich mittels eines Teleoperators oder einer externen Software sehr gut für die Automatisierung und sind sicherheits- und IT-kommunikationstechnisch gut zu realisieren. Außerdem sind die rechtlichen Anforderungen geringer, da sich Hubs auf abgetrennten Betriebsbereichen befinden. Das Konzept des autonomen Hubs bietet schon heute weitreichende Vorteile und ebnet den Weg für die spätere Integration des autonomen Hub-to-Hub-Verkehrs. Ein autonomer Hub setzt die Prozesse auf dem Logistikhof teil- oder vollautomatisiert um - von der Ankunft der Ware, dem Rangieren an die Rampe bis zur Einlagerung im Warenlager und zurück. Beispielhaft: Eine Sattelzugmaschine mit Auflieger erreicht den Trailerhof und stellt den Auflieger auf einer zugewiesenen Stellfläche durch einen automatischen Abkupplungsvorgang ab. Der Auflieger wird von einem autonomen Umsetzfahrzeug im Innenhof für die Entladung und Einlagerung an die Rampe gestellt. Durch das Vorladekonzept kann der autonome Truck direkt einen neuen Trailer aufnehmen, der vorab durch ein autonomes Umsetzfahrzeug im Trailerhof platziert wurde. Zentraler Bestandteil eines solchen Hubs sind die Umsetzfahrzeuge, die das Rangieren auf dem Logistikhof übernehmen. Die integrierte Drive-by-Wire-Technologie stellt die technische Neuerung dar, die den autonomen Betrieb auf dem Hub ermöglicht. Durch diese Technologie ist der externe Zugriff auf das Umsetzfahrzeug mittels eines Teleoperators oder einer externen Software möglich. Bereits heute gibt es zahlreiche Pilotierungen und erste Integrationen in den operativen Betrieb. In den nächsten Jahren werden kommerzielle, ganzheitliche Depotautomatisierungsangebote verschiedener Anbieter erwartet. Technologischer Status quo Die einzelnen Logistikprozesse können schon heute vereinzelt technisch automatisiert umgesetzt werden, auch wenn ganzheitliche Systemangebote inklusive Vernetzung der relevanten IT-Systeme (Transport-, Yard- und Warehouse-Managementsysteme - kurz TMS, YMS und WMS) noch fehlen. Für die Umsetzung eines autonomen Hubs ist die Transparenz über den Standort und den Zustand der Zugmaschinen und Transporteinheiten unabdingbar. Dies wird durch eine automatische Einlass- und Zustandskontrolle sowie durch eine Steuerungssoftware ermöglicht. Auch das autonome Rangieren der Transporteinheiten zwischen Stellplatz und Rampe ist bereits technisch umsetzbar. Das autonome Rangieren von Wechselbrücken lässt sich im Vergleich zum Rangieren von Aufliegern leichter umsetzen (keine Kupplungsvorgänge, leichtere Sicherung durch vorhandene Stellfüße, vollständige sensorische Überwachung der Wechselbrücke). Für das automatische Entkuppeln eines Aufliegers gibt es technische Lösungen, die jedoch Investitionen in Auflieger und Zugmaschine erfordern. Zudem verlangen die Sicherheitsvorschriften vieler Hub-Betreiber, dass die Auflieger beim Entladen gesichert werden, was zu zusätzlichen Investitionen an der Laderampe führt. Speziell im Stückguttransport gibt es nur wenig geeignete Lösungen für die automatische Be- und Entladung, die oft signifikante Investitionen im Auflieger nach sich ziehen. Innerhalb des Warenlagers ist wiederum eine hohe Automatisierung möglich, inklusive der Kommissionierung und Bereitstellung für den Versand. Vorteile autonomer Logistikhubs Die Chancen des autonomen Hubs liegen auf der Hand. Durch den Einsatz autonomer Umsetzfahrzeuge werden Personalbedarfe und Kosten reduziert, bei starken Auslastungsschwankungen können durch eine Erhöhung der Produktivität sogar Fahrzeuge eingespart werden. Zusätzlich kann die Sicherheit durch die Reduzierung menschlicher Interaktion erhöht werden. Die Einlass- und Zustandskontrolle ermöglicht neben Personaleinsparung zudem eine verbesserte Prozessqualität und Transparenz an der Schnittstelle Rampe, Hof, Straße. So werden die Gesamtprozesse optimiert und die Verweilzeit der Lkw im Hub reduziert, unter anderem durch Vorladekonzepte. Dies trägt auch zum Produktivitätsgewinn der Lkw-Flotte bei. Um diese Potenziale zu heben, sollte ein getrenntes Leitsystem für Fußgänger und Lkw auf dem Hof und eine in ein YMS eingebettete Einlass- und Zustandskontrolle eingeführt werden. Der Hof sollte zudem kommunikationstechnisch ausgerüstet (WLAN / lokales 5G-Netz / LTE) und die Rampen so modifiziert werden, dass sich die Türen von innen öffnen lassen und der Auflieger durch ein Sicherungssystem risikofrei entladen werden kann. Je nach Ansatz im Bereich Teleoperations (In-versus-Outsourcing) müssen die Lkw-Fahrer geschult werden. Ein räumlich getrennter Tauschtrailer-Platz bietet prozessuale Vorteile zur Übergabe in den autonomen Hub-to-Hub-Verkehr. Mittlere und größere Hubs rechnen sich Die Wirtschaftlichkeit eines autonomen Hubs hängt vor allem vom Schichtbetrieb, der Anzahl der Umsetzfahrzeuge und deren Auslastungsschwankungen ab. Rechnet man die Opportunitätskosten der Verweildauer der entsprechenden Lkw mit ein, ergeben sich durch die Einführung der autonomen Technologien gerade bei mittleren und großen Hubs (100 bis 500 Lkw-Bewegungen pro Tag in einem Zwei-bis Drei-Schichtmodell) operative Einsparungspotenziale von bis zu 70 Prozent, die einem mittleren bis hohen Millionenbetrag in Euro pro Jahr entsprechen können. Dadurch ergibt sich eine Amortisation des Investments innerhalb der ersten sechs Jahre, bei größeren Hubs sogar früher. Hinsichtlich der wirtschaftlichen, technologischen oder prozessualen Voraussetzungen eignen sich manche Logistikhubs besser für die Umstellung auf den autonomen Betrieb als andere. Für ausgewählte Anwendungsfälle gibt es derzeit noch Hürden und Grenzen bei der Umsetzung. So liegt ein Breakeven bei kleineren Depots mit maximal zwei Fahrzeugen pro Hub und einem Einschichtmodell in weiter Ferne. Bei einigen Technologien bedarf es noch höherer Stückzahlen, um eine Kostendegression zu erzielen. Prämissen für den Erfolg Voraussetzung für die automatische Entladung sind vor allem möglichst standardisierte Frachtgüter, die eine Entladung über das Heck der Ladeeinheit und nicht von der Seite ermöglichen. Ebenfalls müssen die operativen Schnittstellen zwischen Logistikhub-Betreiber und den Transportunternehmen geklärt werden. Der Aufgabensplit von Lager und Transport, der Einbezug von Fremdfirmen und -trailern kann je Logistikhub stark variieren. Um die Vorteile des autonomen Hubs zu nutzen, sollte ein Vorladekonzept umgesetzt werden, das vor allem bei Fremdfirmen im Hub ein Tauschtrailerkonzept erfordert. In einem integrierten 3PL Setup (Betreiber des Hubs ist gleichzeitig Betreiber einer eigenen Lkw-Flotte und/oder der eigenen Trailer) ist die Umstellung deutlich einfacher, weil die operativen Einsparungen an der Schnittstelle Lager und Transport vollständig internalisiert werden können. Es empfiehlt sich eine Pilotierung und stufenweise Integration in die operativen Prozesse, um optimale Lösungen für die individuellen Voraussetzungen zu finden. Der Aufbau der autonomen Logistikkette erfolgt in drei zentralen Schritten. Im beschriebenen ersten Schritt werden die Prozesse im Logistikhub automatisiert. Hier können autonome Umsetzfahrzeuge schon signifikante Einsparungen und Optimierungen der Prozesse im Hub erzielen, auch in Kombination mit konventionellen Fahrzeugen. Bis zum Jahr 2030 werden im zweiten Schritt die ersten autonomen Lkws auf den Straßen erwartet. Auch im öffentlichen Bereich wird es unterschiedliche Integrationsstufen im Hinblick auf die autonome Logistikkette geben. Der initiale Anwendungsfall ist der Fernverkehr. Einige Hauptverkehrsrouten entlang der Ost-West- und Nord-Süd-Korridore des Trans-European Transport Network (TEN-T) eignen sich besonders für autonome Transportflüsse. Rechtliche Voraussetzungen Es ist denkbar, dass in dieser zweiten Ausbaustufe sogenannte Launching-/ Landing Pads in der Nähe der Autobahn entstehen. Diese Austauschpunkte ermöglichen das Umsatteln von konventionellen auf autonome Zugmaschinen. Die Lkw müssen dafür serienmäßig mit entsprechender Sensorik und automatischen Kupplungstechnologien ausgestattet sein. Für den Übergang in öffentliche StVO-Bereiche sind die rechtlichen Voraussetzungen in vielen europäischen Ländern schon gegeben. In Deutschland müssen die entsprechenden Freigaben im Einklang mit der AFGBV (Verordnung zur Regelung des Betriebs von Kraftfahrzeugen mit automatisierter und autonomer Fahrfunktion und zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften) eingehalten werden. Diese schreibt unter anderem eine Betriebserlaubnis des Herstellers, eine Genehmigung des Betriebsbereichs und die Zulassung des autonomen Fahrzeugs vor. In einer dritten Ausbaustufe können fehlende Zuleitungswege im regionalen und teilstädtischen Verkehr autonom umgesetzt werden. Die autonome Logistikkette wird viele Vorteile für die Logistik bringen und eine stärkere digitale Vernetzung nach sich ziehen. So können die Lieferketten flexibilisiert werden. Durch den Produktivitätsgewinn der Lieferkette lassen sich zudem Kosten senken. Durch die autonome Lieferkette wird ein neues Niveau an Sicherheit und Nachhaltigkeit erreicht. Je früher Transport- und Logistikunternehmen sich mit diesem technologischen Wandel beschäftigen und die Vorteile ergreifen, desto besser gelingt der Übergang zur autonomen Logistikkette. Eike Gernant, Partner bei der Managementberatung Porsche Consulting; Benedikt Roßmann, Geschäftsführer Ansorge Logistik

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