Die Grüne Welle trotzt

Die Grüne Welle trotzt der KriseMan möchte meinen, dass in Zeiten, in denen das Preisdiktat die Frachtenbörsen bestimmt, Grüne Logistik mit ihren umweltschonenden, aber oftmals teuren Konzepten keine Chance hat. Weit gefehlt. Die grüne Welle ebbt auch in der Krise nicht ab.Zunächst stand grün in der Logistik nur für die Zukunft, nicht aber für die Gegenwart. Plötzlich wurde der ressourcenschonende Einsatz aber chic und zur Mode. Dann kam die Krise. Nun stellt sich die Frage: Wie robust sind die Pionierpflanzen der „Grünen Logistik“ im preisgetriebenen und damit unwirtlichen Umfeld? Dass die Grüne Logistik der Krise trotzen kann, zeigt eine Studie des Supply Chain Management Institutes (SMI) der European Business School. Für 63 Prozent der befragten Manager bleiben trotz Finanzkrise grüne Beschaffungskonzepte vital. Auch Gunnar Gburek glaubt an die grünen Pionierpflanzen. „Ansätze zur Grünen Logistik finden sich heute in den meisten Ausschreibungen zu Transportdienstleistungen wieder“, bestätigt der Bereichsleiter Logistik im Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) der VerkehrsRundschau. Häufig seien dies die Forderung nach Euro-4-Fahrzeugen und dem Einsatz spritsparender Technik. Ökologische Transporte sind gefragt„Knapp 60 Prozent der Kunden thematisieren Umweltfragen in irgendeiner Form“, weiß Victor Meier, Geschäftsführer der Plattform Cargoclix, über die im vergangenen Jahr Kontrakte im Wert von 3,5 Milliarden Euro ausgeschrieben wurden. Die Frage der Nachhaltigkeit der Transportangebote spielt also mittlerweile in den elektronischen Ausschreibungen eine wichtige Rolle. Hierzu zählen neben der Euronorm der Fahrzeuge Angaben zur Verwendung von Biodiesel oder die Frage, ob Unternehmen in der Lage sind, die CO2-Emissionen des eigenen Fuhrparks zu berechnen. Roland Hötzl, geschäftsführender Gesellschafter der Transporeon e-sourcing GmbH, über deren Plattform Ticontract seit 2006 Logistik-Ausschreibungen elektronisch abgewickelt werden, bestätigt, dass vor allem die größeren Verlader auf die Nachhaltigkeit schauen. „Unternehmen, die auf das Image der eigenen Marke achten, klassifizieren die Dienstleister im Rahmen des eigenen Lieferantenmanagements“, erklärt Hötzl. Besonders bei den Handelsriesen versuchen die Logistikdienstleister mit grünen Konzepten zu punkten. „Im Handel nutzen gerade kleine, innovative Firmen grüne Logistikangebote, um sich von der Konkurrenz abzuheben“, erklärt Ulrich Binnebößel vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE). Seiner Einschätzung zufolge wächst das Umweltbewusstsein bei 400.000 Firmen des deutschen Einzelhandels von Jahr zu Jahr. Wie die Beispiele (Seite 21) zeigen, fordern die großen Unternehmen wie H&M, Otto oder Metro von ihren Logistikspezialisten längst die Umsetzung der unternehmenseigenen Umweltstandards. Auch Spediteure sparen im Öko-ModusDiese Umweltvorgaben helfen aber auch dem Tranporteur Kosten zu sparen, wie Paul Wittenbrink von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach vorrechnet. So spart beispielsweise die Fahrerschulung dem Spediteur bis zu 1600 Euro im Jahr (siehe Interview S. 22).„Viele Anstrengungen, die aus ökonomischer Sicht unternommen wurden, sind auch ökologisch sinnvoll“, bekräftigt Barbara Rauch, Pressesprecherin des Deutschen Speditions- und Logistikverbands DSLV. Klimaschutzmaßnahmen seien bei ihren Mitgliedsunternehmen hoch angesiedelt, aber zum Teil auch teuer erkauft. „Dienstleister, die in klimaneutrale Logistik investieren, stoßen bei ihren Kunden leider oft auf wenig Verständnis, wenn es ums Geld geht“, beklagt Rauch. Die Öko-Welle aus dem AuslandÄhnliche Erfahrungen machen große Spediteure, die auch in Deutschland aktiv sind. „Vor allem bei Großausschreibungen wird Grüne Logistik zwar immer mehr ein Kriterium, gegenwärtig sind jedoch Preis und Qualität die Hauptentscheidungskriterien der Kunden“, berichtet Peter Waldenberger, Prozessmanagement Qualitätssicherung bei der Spedition Gebrüder Weiss GmbH aus dem österreichischen Lauterach. Trotz allem ist der Alpenländer sicher, dass, sobald sich die Wirtschaftssituation wieder stabilisiert hat, die Umweltbilanz ein absolutes K.O.-Kriterium am Markt sein wird. Die Österreicher setzen seit 2008 zwei Ganzzüge ein. „Jährlich können durch den Orange-Combi-Cargo rund 17.000 LKW-Fahrten, also fast 9000 Tonnen CO2, eingespart werden“, bilanziert Waldenberger. Eine grüne Welle rollt auch aus dem Norden nach Deutschland. „Der Umweltschutz steht sehr weit oben auf unserer Prioritätenliste“, sagt Allan Jepsen, Geschäftsführer der Contino Holding A/S aus Padborg in Dänemark. Unter den knapp 200 Einheiten im Fuhrpark tummeln sich neben den Euro 4/5-LKW mittlerweile 77 Trucks, welche die momentan strengste Abgasnorm Enhanced Environmentally friendly Vehicle (EEV) erfüllen. In den Ausschreibungen in Dänemark fordern viele Großunternehmen bereits einen reinen Euro-5-Fuhrpark, berichtet der Contino-Manager. „Die Unternehmen sind zudem bereit, für ihr grünes Profil, das sich auch in den Transporten widerspiegelt, ein wenig höhere Raten zu zahlen“, sagt Jepsen und ergänzt, „die Grüne Welle ist nach Dänemark gekommen, um zu bleiben.“ Diesen Umweltvorteil spielen die Nordeuropäer bei ihren deutschen Kunden aus. Dennoch glaubt Jepsen, dass es noch dauern wird, bis grüne Kennzahlen zum Bestandteil jeder Ausschreibung werden. Wie grün sind deutsche Spediteure?Wie umweltbewusst die heimischen Transportunternehmen heute schon sind, das will der DSLV wissen. Derzeit erstellt der Spediteursverband eine Studie mit dem Titel „Grüne Logistik – Status quo, Erfahrungen und Ausblick“. Die Ergebnisse der Befragung, die noch bis 31. Juli läuft, sollen im Laufe der kommenden Monate vorliegen. Schon jetzt ist der BME-Experte Gburek davon überzeugt, dass die Logistik in Zukunft noch grüner sein wird, und stellt klar: „Grüne Logistik wird ein Thema bleiben. Wer sich nicht grün verhält, der wird verlieren.“ ❙❚■ Gebhardt, Gieße, Rauser, Swantusch, WinklerFeste MindestanforderungenIn Deutschland sorgen Firmen wie Logwin und DHL dafür, dass die Modeprodukte von Hennes & Mauritz in die 346 Filialen des Textilherstellers gelangen. Dieser Warentransport verursacht allein 55 Prozent der Kohlendioxidemissionen von H&M. Da die Modehäuser in der Regel per LKW beliefert werden, arbeitet das schwedische Unternehmen seit 2001 an der Senkung des CO2-Ausstoßes und wählt seine Transport- und Logistikdienstleister nach umweltrelevanten Aspekten. Seit gut zwei Jahren gibt es dafür festgeschriebene Anforderungen, müssen Speditionen, die im Lastverkehr für H&M auf der Straße unterwegs sind, bestimmte Mindestkriterien erfüllen. So müssen Fuhrunternehmer wenigstens über Euro-2-LKW verfügen, bei Neufahrzeugen setzen die Modemacher Euro-4-Abgasnorm voraus. Weiterhin dürfen sie lediglich Dieseltreibstoffe mit einem Schwefelgehalt von 350 ppm pro Liter benutzen. Außerdem sollten mindestens 75 Prozent aller LKW-Lenker im kraftstoffsparenden Fahren ausgebildet sein. Durch diese Anforderungen konnte H&M die CO2-Emissionen seiner Transporte in 2008 um fünf Prozent reduzieren. agSo macht es h&mEuro 5 und Fahrerschulung Die Hamburger Otto Group plant, ihre CO2-Emissionen bis 2020 zu halbieren (Basis ist das Geschäftsjahr 2006/07). Die Emissionen durch die Transporte (rund 60 Prozent der Gesamtbilanz) sollen jedes Jahr mindestens um 2 Prozent gesenkt werden. Der zentrale Logistikdienstleister, die Hermes Logistik Gruppe (HLG), will dazu bis Jahresende die Umweltzertifizierung nach DIN ISO 14001 bei nahezu allen Transportpartnern umgesetzt haben. Aktuell haben 64 Prozent aller Fahrer der Transportpartner an Fahrerschulungen teilgenommen. Bis Ende 2009 sollen es 75 Prozent sein. Die Hermes Logistik Gruppe verpflichtet ihre Transportpartner seit Januar 2008 schrittweise dazu, ausschließlich LKW einzusetzen, die mindestens den Anforderungen der Euro-4-Norm entsprechen. Künftig sollen nur noch Fahrzeuge verwendet werden, deren Schadstoffemissionen im Grenzbereich der Euro-5-Norm oder darüber liegen. 2007 lag der Anteil der Langstrecken-Fahrzeuge, die der Schadstoffnorm 4 oder 5 entsprechen, bei 67 Prozent. Bei der Hermes eigenen Flotte soll der Anteil 2009 bei 90 Prozent liegen. rs So Macht es OttoDer gezielte Modal-Split Der Handelsriese Metro versteht Nachhaltigkeit als die Sicherung des wirtschaftlichen Erfolgs durch verantwortliches Handeln gegenüber Menschen und Umwelt. Neben dem Fuhrparkmanagement zur Verkehrsvermeidung schult das Unternehmen die Fernfahrer der eigenen LKW-Flotte regelmäßig, um sie für eine kraftstoffsparende Fahrweise zu sensibilisieren. Mittels der gebündelten und streckenoptimierten Transporte, welche von den Beschaffungslogistikern geplant werden, will der Konzern nicht nur Kosten sparen, sondern gleichzeitig auch umweltschonender unterwegs sein, als mit ad-hoc durchgeführten Kurierfahrten. Wo es möglich und betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, setzen die Düsseldorfer auf alternative Transportmethoden. So werden beispielsweise nicht-verderbliche Waren wie Textilien unter anderem per Schiff angeliefert. Beispielsweise gehen die Waren aus dem Duisburger Binnenhafen per Zug direkt zu den Bestimmungsorten Unna und Kamen. Der Ostwestfalen-Express spart dabei jährlich 9500 LKW-Transporte ein. rs So Macht es Metro„Die Fahrerschulung hilft am schnellsten C02 einzusparen“Prof. Dr. Paul Wittenbrink von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Lörrach erklärt, wie die Speditionen ihren Fuhrpark am schnellsten „grüner“ werden lassen. Welche Maßnahmen machen aus der Transportflotte am schnellsten einen grünen Fuhrpark, sprich: Wie sparen Fuhrpark-leiter am meisten CO2 ein? Paul Wittenbrink: Am schnellsten wirkt eindeutig die Fahrerschulung, weil hier sehr kurzfristig und mit geringem Kostenaufwand eine hohe CO2-Einsparung realisiert werden kann. Kurzfristig wirkt auch die regelmäßige Reifendruckkontrolle, die bei Neufahrzeugen automatisiert werden kann, und eine reduzierte Durchschnittsgeschwindigkeit. Daneben bringt auch der Einsatz von Leichtlauflölen und rollwiderstandsoptimierten Reifen schnelle Effekte. Generell gilt jedoch: Der gesparte Kilometer ist der effizienteste. Jede Bündelung von Transport und Vermeidung von Leerfahrten spart CO2 ein. Rechnen sich diese Maßnahmen auch für den Geldbeutel des Transporteurs?Wir haben Berechnungen durchgeführt, nach denen die Fahrerschulung bei einem Dieselpreis von 90 Cent zirka 1600 Euro Einsparung im Jahr bei einem Fernverkehrszug mit einer Jahreslaufleistung von 130.000 Kilometer bringt. Mit Ausnahme des Einsatzes von Biodiesel und von Hybridfahrzeugen resultieren bei allen Maßnahmen Netto-Einsparungen.Welcher Flottentyp lässt sich am einfachsten klimafreundlich umstellen?Da beim Fernverkehr die Dieselkosten bis zu einem Drittel der Gesamtkosten ausmachen, bietet es sich an, hier anzufangen. Im Verteilverkehr lohnt es sich, bei Neufahrzeugen über den Einsatz der Start-Stopp-Automatik nachzudenken, die bei rund 200 Euro Anschaffungskosten schnell fünf Prozent an Kraftstoffeinsparung mit sich bringt. Wann wird der Transportmarkt für Grüne Logistik höhere Raten zahlen, sodass der umweltbewusste Spediteur seine Investitionen wieder einfahren kann?Letztendlich hat der Preis nach wie vor den entscheidenden Stellenwert bei der Transportvergabe. Die Kraftstoffeinsparung an sich bringt jedoch schon Kosteneinsparungen. Wenn dann noch der CO2-Effekt hinzu kommt, ist es doch umso besser. Bei vergleichbarem Preis-Leistungs-Verhältnis kann das dann schnell den Ausschlag geben. Hinzu kommt, dass wir in den nächsten Jahren, wenn die Konjunkturkrise langsam vorübergeht, einen Kampf um die Anrechnung der CO2-Einsparungen erleben werden. Wem werden die CO2-Einsparungen angerechnet? Dem Verlader, dem Transport- und Logistikunternehmen oder dem Empfänger, der die Transporte im Rahmen der Beschaffungslogistik optimiert? Daher ist es gut, wenn sich Transport- und Logistikfirmen schon heute darauf vorbereiten.Der Hybrid wird als Wunderwaffe der Nutzfahrzeughersteller angepriesen. Ist die Hoffnung berechtigt? Wunder gibt es ja bekanntlich nicht so oft, und so ist es auch beim Hybrid. Die Nutzfahrzeugindustrie hat gewaltige Anstrengungen unternommen, das Thema „Hybrid“ voranzubringen. Da ein Hybrid-Verteiler-LKW heute aber noch zirka 30 Prozent mehr kostet, rechnet sich der Einsatz heute noch nicht. Wir haben aber ausgerechnet, dass bei einem heutigen Dieselpreis von 90 Cent die Netto-Mehrkosten nur bei rund 2000 Euro pro Jahr liegen; steigt der Dieselpreis auf 1,20 Euro/Liter, sprechen wir nur noch von 1000 Euro. Vor dem Hintergrund, dass es womöglich in einigen Jahren nur noch mit sehr emissionsarmen Fahrzeugen möglich sein wird, in die Innenstädte zu fahren, wird auch das Hybrid-Thema wieder interessanter.Wie sieht die Rechnung beim Biodiesel aus?Das Thema Biodiesel ist abgesehen von den Beimischungen tot. Seit die Steuervorteile weggefallen sind, kostet die Nutzung von Biodiesel bei einem Fernverkehrs-LKW rund 10.000 Euro mehr im Jahr. rsInterviewPaul Wittenbrink

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