Die große Angst bleibt

Die VerkehrsRundschau beleuchtet die Aussichten für die Branche: VR 3: Die Perspektiven für den SchienengüterverkehrVR 4: Jobmarkt Logistik: Sind die glorreichen Zeiten vorbei?VR 5: Kontraktlogistik: Nach wie vor gefragtVR 6: Luftfracht: Was kommt nach dem Krisenjahr?tDie große Angst bleibt2008 war das Jahr der Finanz-krise, 2009 das der Wirtschaftskrise. Wird 2010 das Jahr der Jobkrise in der Verkehrsbranche? Fest steht: Der JobmotorLogistik gerät ins Stottern.Was für ein Absturz nach den Boomjahren 2006, 2007 und 2008, den Zeiten des schier grenzenlosen Wachstums im globalen Warenverkehr – egal ob per LKW, Bahn, Flugzeug oder Schiff. Allein 2007 beschäftigte die Logistikbranche in Deutschland fast 2,7 Millionen Menschen und wurde als Jobmotor hierzulande gefeiert. Erstmals schien sich das schwierige Image der Branche – in Politik, Medien und der Öffentlichkeit – positiv zu wandeln. Dann kam der Zusammenbruch der Finanzmärkte im Jahr 2008 und mit diesem das Konjunkturtief 2009. Höchste Zeit also für eine erste Bilanz: Wie stark hat die schwere Krise die Unternehmen der Branche tatsächlich getroffen? Welche Spuren haben die vielerorts dramatischen Einbrüche bei der Beschäftigtensituation hinterlassen? Gerät der Jobmotor Logistik ins Stottern? Fakt ist: Das schöne Bild vom Jobmotor Logistik erhielt 2008 und 2009 manchen bösen Kratzer. Immerhin mussten mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen bei ihrem Personal den Rotstift ansetzen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Unternehmensberatung Pricewaterhousecoopers (PWC) bei mittelständischen und großen Speditions- und Logistikbetrieben – wobei die größeren Firmen (60 Prozent) laut Studie stärker reduziert haben als die Mittelständler (52 Prozent). Es waren in der Tat nachdenklich stimmende Nachrichten, die in den letzten eineinhalb Jahren aus Unternehmen drangen. 4000 Arbeitskräfte wurden allein bei Kühne + Nagel abgebaut – allerdings bereits im Herbst 2008. Auch die Deutsche Post DHL verschärfte durch die Krise ihren Sparkurs – was vor allem Mitarbeiter ihrer Expresssparte in einigen Ländern und in Teilen ihres Logistikgeschäfts betraf. Und wie viele Mitarbeiter zum Beispiel im DB-Güterverkehr noch in diesem Jahr gehen müssen, ist nach wie vor offen. Im Gespräch sind 6000, wenngleich die Bahn dies dementiert.Was in keiner Statistik auftauchteAber auch im Mittelstand mussten 2009 viele Beschäftigte bangen – nicht zuletzt aufgrund etlicher Insolvenzen im Gewerbe, die im letzten Jahr trauriges Rekordniveau erreichten und selbst Traditionsbetriebe wie Borchers, HTF Logistics und Hummert trafen. Gar nicht zu reden von den unzähligen Betriebsaufgaben innerhalb der Transport- und Speditionsbranche, die so klein strukturiert waren, dass ihr Ausscheiden aus dem Markt in keiner Statistik auftauchte und keine Zeitung darüber berichtete. Gleichwohl: Die Zahl der Erwerbstätigen in der Transport- und Logistikbranche ist im Vergleich zu den Vorjahren nur unwesentlich gesunken. Zu diesem Ergebnis gelangt Christian Kille, Gruppenleiter Logistik Market Intelligence beim Fraunhofer SCS in Nürnberg. Seine Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 2007 waren demnach 2,697 Millionen Erwerbstätige in der Logistikbranche beschäftigt. 2008 waren es noch stolze 2,757 Millionen – und im Krisenjahr 2009 lag die Zahl bei etwas unter 2,7 Millionen Beschäftigten, so die Einschätzung von Kille. Damit dürfte also selbst im Krisenjahr die Zahl der Beschäftigten in etwa auf dem Niveau von 2007 liegen, was bekanntlich sehr ordentlich lief. Die HärtefälleThomas Wimmer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bundesvereinigung Logistik (BVL), sieht sich damit in seiner Wahrnehmung bestätigt: „Die Transport- und Logistikfirmen haben 2009 viel dafür getan, um ihre qualifizierten Fachkräfte halten zu können“, sagt er. „Sie haben viel Verantwortungsbewusstsein bewiesen.“ Lob kommt auch von Heiner Rogge, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV): „Die große Entlassungswelle blieb 2009 aus – trotz der zum Teil deutlichen Umsatzrückgänge, insbesondere im See- und Luftfrachtbereich und in der Automobilbranche.“ Auch er sagt: „Die Spediteure haben viel Verantwortung gegenüber ihren Beschäftigten gezeigt.“ Trotzdem gab es Härten: Manche Berufsgruppen traf es schlimm. Beispiel: LKW-Fahrer. Fast die Hälfte der Transportbetriebe, die der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) im ersten Quartal 2009 befragt hat, gaben an, Personal abbauen zu müssen, erzählt Martin Bulheller, Sprecher des Verbandes. „Da 80 Prozent der Beschäftigten im Transportgewerbe Fahrer sind, hat es diese Gruppe stark getroffen.“ Ohne das Instrument Kurzarbeit hätte es aber sicher noch mehr Mitarbeiter getroffen, glaubt er. Nun aber sei der große Abbau gebremst. Am schlimmsten traf es 2009 aber „die ungelernten, die wenig qualifizierten Kräfte“, sagt Wimmer. Gerade in den volumenabhängigen Bereichen wie Lager und Umschlag verloren vielerorts Leiharbeiter und befristete Beschäftigte als erste ihre Arbeit, sagt er. Wie viele dies in der Logistikbranche traf, darüber gibt es aber keine gesicherten Zahlen. „Der Anteil von Leiharbeitern im Verhältnis zu Vollzeitkräften dürfte aber in der Logistikbranche höher sein als in anderen Branchen“, schätzt Werner Schäffer, der bei der Bundesgewerkschaft Verdi den Bereich Logistik verantwortet. Folglich dürfte in der Logistikbranche der Abbau in 2009 hoch gewesen sein. Erster Anhaltspunkt: Bundesweit waren im August 2008 über 800.000 Zeitarbeiter deutschlandweit in Unternehmen tätig, im Mai 2009 sank diese Zahl branchenübergreifend auf den dramatischen Tiefpunkt von 500.000.Die Reserven schwinden Bleibt die entscheidende Frage: Wie wird sich der Jobmarkt in der Transport- und Logistikbranche 2010 entwickeln? Wie viele Stellen wird die Krise noch zerstören? Oder reichen die Maßnahmen der Betriebe aus, um die Zahl der Arbeitsplätze zu halten oder gar weiter auszubauen? Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte beim Institut für Wirtschaft (IW) in Köln, ist zumindest skeptisch. Die Wirtschaft zeige zwar mittlerweile Anzeichen von Erholung – das IW gehe 2010 von einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent aus. Gleichwohl bleibe die Tatsache, dass die Wirtschaft im Jahr 2009 um das Rekordniveau von fünf Prozent gesunken sei. Schäfer ist sich daher sicher: „Die Arbeitsmarktlage wird sich in Deutschland in diesem Jahr verschlechtern – auch in der Logistikbranche.“Befragt man dazu die Unternehmen, spricht einiges dafür, dass die Lage stabil bleibt – zumal die Zeichen fast bei allen derzeit auf Erholung und Stabilisierung stehen. Das zeigt die Blitzumfrage der VerkehrsRundschau bei mittleren und großen Playern (s. Tabelle links). Auch Heiner Rogge vom DSLV, Thomas Wimmer vom BVL und Christian Kille vom Fraunhofer SCS betonen unisono: „Die große Entlassungswelle in der Transport- und Logistikbranche steht 2010 nicht an.“ Grund: Die meisten Unternehmen halten ihrer Einschätzung zufolge an ihrer im Jahr 2009 bewährten Strategie fest: „Wir überbrücken die Krise mit Kurzarbeit, Urlaubs- und Überstundenabbau und versuchen selbst ausgebildete und angelernte Fachkräfte möglichst zu halten.“ Ob diese Instrumente für einige Unternehmen reichen, 2010 Personalabbau vermeiden zu können, bezweifelt Gunter Fittkau, Geschäftsführer der Lila Logistik in Herne. Er sagt: „2009 hatten die Speditions- und Logistikbetriebe dank der Jahre 2007 und 2008 noch Speck auf den Knochen und konnten daher häufig ihre Mitarbeiter halten. Zieht im ersten Halbjahr 2010 allerdings die Wirtschaft wider Erwarten doch nicht im erhofften Maße an, geht es manchen Betrieben an die Knochen“, befürchtet er.Gleichwohl: der demografische Wandel kommt und mit ihm deutlich sinkende Schüler- und Mitarbeiterzahlen (siehe Grafik auf S. 31). Allein im Fahrerbereich rechnet BGL-Sprecher Bulheller damit, dass im Lauf der nächsten zehn Jahre 30 Prozent der LKW-Fahrer in den Ruhestand gehen. Und der Nachwuchs rücke nur spärlich nach – trotz des gestiegenen Interesses der Firmen an der Berufskraftfahrerausbildung. Aber auch der Kampf um qualifizierte Speditions- und Logistikkaufleute wird aufgrund des demographischen Wandels härter, befürchtet DSLV-Chef Heiner Rogge. Kurz: „Der War for Talents geht in der Transport- und Logistikbranche weiter – und zwar auf allen Ebenen“, da ist sich auch BVL-Geschäftsführer Wimmer sicher. Fest stehe aber auch: „Die Logistik bleibt ein Zukunftsmarkt mit nach wie vor deutlichen Wachstumschancen“, sagt er. „Das hat sich durch die Krise nicht geändert.“ ❙❚■ Eva Hassa, Bettina GöttlerDer Jobmarkt 2007 bis 2009Beschäftigte in der Logistik nach BerufsgruppenDie Kurven zeigen es eindeutig: Der Jobmarkt in der Transport- und Logistikbranche ist 2009 eingebrochen, aber längst nicht in dem Maße, wie vielerorts befürchtet. Noch liegen für 2009 aber keine endgültigen Zahlen vor, noch sind dies erste Schätzungen des Fraunhofer Instituts SCS. eh 200720082009 geschätzt1,250,790,460,191,280,810,470,20

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