Die Ansprüche steigen

Rund 120 Lkw-Züge fährt die Spedition Michel im bayerischen Wemding. Von internationalen Fernverkehren über Verteilerfahrten in der Region bis hin zu Spezialtransporten mit Kippern und Tiefladern bietet das Familienunternehmen nahezu alle marktüblichen Verkehrsdienstleistungen an. "Viele Zugmaschinen sammeln in wenigen Jahren über eine Million Kilometer an", sagt Werkstattleiter Josef Hoffmann. Regelmäßig mustert das Unternehmen deshalb Fahrzeuge aus und bietet diese im Internet zum Verkauf an. "Die meisten Züge werden von Zwischenhändlern in asiatische und afrikanische Länder exportiert", sagt Hoffmann. In wenigen Wochen steht der letzte Lkw mit Euro-3-Motor zum Verkauf an. Alle übrigen Fahrzeuge haben Euro-5- und Euro-6-Motoren. Für Hoffmann wird dies den Verkauf erheblich erleichtern. "Auch in außereuropäischen Ländern werden niedrige Schadstoffklasse immer stärker nachgefragt", sagt der Werkstattprofi. "Meine Geschäftspartner müssen offenkundig auf veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen reagieren." Bei 500.000 Kilometern ist Schluss Die Spedition Michel hat mit einem Trend zu kämpfen, den professionelle Fahrzeugbewerter bereits seit längerer Zeit beobachten. Für Lkw mit langer Laufleistung ist der Markt in Deutschland sehr klein geworden. Fahrzeuge mit über 500.000 Kilometern auf dem Tacho sind hierzulande auch dann kaum vermittelbar, wenn sie Euro-5- oder Euro-6-Normen erfüllen. "Für solche Lkw bleibt in der Regel nur der Export", sagt ein Experte des Wertermittlers Deutsche Automobil Treuhand (DAT). Über niedrige Schadstoffklassen hinaus stellen heimische Käufer hohe Ansprüche an gebrauchte Nutzfahrzeuge. Vor allem die Ausstattung muss überzeugen. Retarder-Bremsen und Fahrerassistenzsysteme gelten als selbstverständlich, die Fahrerkabine sollte mit Standheizung, Kühlschrank und Standklimaanlage ausgerüstet sein. Auch die Motorisierung und die Rahmenhöhe müssen stimmen. PS-starke Lkw verkaufen sich besser Der DAT zufolge sind Zugmaschinen mit weniger als 400 PS und niedrigen Höhen immer schwerer zu verkaufen. Professionelle Verkäufer bestätigen dies. "Viele Interessenten wollen ausschließlich Zugmaschinen mit über 500 PS erwerben", sagt Timo-Alexander Plate von der Beresa-Gruppe in Münster. Im Fokus stehen jedoch weiterhin die Euro-Normen. Vor allem für Euro-5-Fahrzeuge aus zweiter Hand konstatieren die DAT-Experten derzeit ein Überangebot, weil vor der Normeinführung von Euro 6 im Januar 2013 viele Unternehmen Anschaffungen vorgezogen und nochmals in Euro-5-Fahrzeuge investiert haben. Der bewährte Klassiker galt als weniger wartungsintensiv und reparaturanfällig. Heute konkurrieren solche Lkw mit Euro-6-Fahrzeugen, welche 2013 und 2014 eingekauft wurden und jetzt ausgemustert werden. Weil Letztere weniger Maut kosten, haben sie gegenüber Euro-5-Fahrzeugen einen leichteren Stand. "Viele Käufer geben für die schadstoffärmste Klasse gerne 5000 bis 10.000 Euro mehr aus", bestätigt Plate. Vor allem die Bauwirtschaft fragt derzeit gebrauchte Lkw mit Kipper und anderen Spezialaufbauten nach. Offenbar ist sie von der Dauerhaftigkeit der aktuellen Konjunktur nicht wirklich überzeugt. Plate rechnet mit einer weiter anziehenden Nachfrage im Frühjahr. Überangebot von Euro-5-Fahrzeugen Von solchem Spezialequipment einmal abgesehen, haben die Preise vielerorts leicht nachgelassen. Diesen Trend bestätigen auch Fahrzeugvermieter. "Während der vergangenen zwölf Monate sind viele Modelle um 1000 bis 2000 Euro günstiger geworden", sagt Sebastian Fritsch von KLVRent. Der größte markenunabhängige Vermieter verkauft ziehende Einheiten nach spätestens drei Jahren und gezogene nach fünf Jahren Betriebszeit. Alle Fahrzeuge sind werkstattgeprüft und haben die vom Hersteller vorgesehenen Wartungs- und Instandhaltungstermine absolviert. Mit dem gleichen Service werben auch die Hersteller selbst und dürfen sich deshalb über stabile oder sogar - wie Scania - leicht steigende Preise freuen. "Unsere Kunden honorieren die schnelle Verfügbarkeit der Fahrzeuge, die unkomplizierte Abwicklung und die umfangreichen Service-Verträge", sagt Scania-Sprecherin Sieglinde Michaelis. Wenn der Lkw-Käufer dies wünscht, stattet der Hersteller Gebrauchte mit Wartungs- und Antriebstrangverträgen aus und nimmt sie auch in seine Flottenmanagementservices auf. Vor allem aus dem europäischen Ausland registriert der Hersteller eine wachsende Nachfrage. Ohne diese hätten die Preise nicht angezogen. Auch für Volvo- und Renault-Lkw zeigen Flottenbetreiber aus Ost- und Südeuropa offenbar ein höheres Interesse als inländische. Volvo führt diese Unterschiede auf einen deutschen Trend zu immer kürzer werdenden Fahrzeuglaufzeiten zurück. Weil viele Flottenbetreiber flexibel auf neue Markt- und Technikanforderungen reagieren wollen, ziehen sie Miete und Leasing von Neufahrzeugen dem Kauf von Second-Hand-Lkw vor. Und wenn sich gecharterte Fahrzeuge im Alltag bewähren, können die Unternehmer sie ja immer noch kaufen. Hiervon profitieren vor allem die Lkw-Vermieter. "Viele Kunden kaufen regelmäßig angemietete Züge, welche sie zuvor mehrere Jahre lang gefahren haben", bestätigt Fritsch. Als Folge kann KLVRent trotz eines Großfuhrparks von 1650 Zügen häufig nur eine Handvoll Fahrzeuge an den Verkaufsstandorten Trostberg und Gera beziehungsweise auf Online-Plattformen wie TruckScout und Mobile.de anbieten. Verlader mögen aktuelle Flotten Vorbei sind offenbar die Zeiten, als Existenzgründer mit gebrauchten Lkw einen kostengünstigen Fuhrpark aufbauten und so den Wettbewerb leicht unterbieten konnten. Heute werden solche Fahrzeuge aus zweiter Hand vor allem dann eingekauft, wenn neue Lkw nicht sofort verfügbar sind oder kurzfristige Auftragsspitzen überbrückt werden müssen. "Immer mehr Verlader machen eine Zusammenarbeit von Flotten abhängig, welche den neuesten technischen Anforderungen entsprechen", sagt Michelangelo Ballacchino, Geschäftsführer von Nostrada Deutschland. Das Transportunternehmen ist eine Tochter des litauischen Mischkonzerns RV Transport, der gegenwärtig europaweit expandiert. Auf dem deutschen Markt will Ballacchino mit neuen Fahrzeugen Fuß fassen, die nach spätestens drei Jahren ausgemustert werden. Vor wenigen Wochen hat er 20 Mercedes-Benz Actros mit Abgasnorm Euro-6 eingekauft. Kostenvorteile sucht der neue Landeschef auf anderen Feldern. "Wir wollen den Wettbewerb mit den günstigen Steuer- und Abgabesätzen von Litauen unterbieten", sagt Ballacchino. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Lkw-Kauf www.verkehrsrundschau.de/dossiers Marktbarometer Preise im Sinkflug Von einem schleppenden Absatz im Winter 2018 sprechen viele Gebrauchtwagenhändler. Mobile.de macht keine Ausnahme. Über 266.000 gebrauchte Lkw waren auf dieser Plattform im März 2018 gelistet. Gegenüber dem Vorjahresmonat sind dies fünf Prozent weniger. Gleichzeitig ist die Zahl der Standtage um 5,2 Prozent auf 81 Tage gestiegen. Die Preise sind im Fall: Heute kostet ein Lkw im Schnitt 25.240 Euro (minus zehn Prozent). Das große Produktportfolio erhöht offenkundig den Preisdruck. Schließlich bietet nahezu jeder namhafte Händler Fahrzeuge auf Mobile.de und dem Konkurrenten Truckscout.com an. Beide Portale haben offenbar auch verstärkt mit unseriösen Angeboten zu kämpfen und müssen massiv in Filtersoftware investieren. Mit ADAC und Polizei wurden deshalb Sicherheitstipps entwickelt, welche der Käufer bei einem Vertragsabschluss beachten sollte. bot

Die Ansprüche steigen

Transfrigoroute-Branchendialog

Auslastung der Lkw im Verteiler- und Fernverkehr

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