DHL Freight Russland

DHL Freight Russland Netzwerken im Osten Wie DHL Freight Russland im größten Flächenstaat der Welt erfolgreich wachsen will und mit welchen ganz alltäglichenProblemen das Unternehmen in dem riesigen Land zu kämpfen hat. Umgerechnet gerade einmal 50 Cent pro Liter (20 Rubel), keine LKW-Fahrer- und keine Laderaumprobleme – auf den ersten Blick ist Marco Leineweber, Landeschef Russland von DHL Freight, zu beneiden. Spricht man mit dem 42-Jährigen aber ausführlicher über seine Erfahrungen im mit neun Zeitzonen größten Flächenstaat der Welt, erfährt man, wie schwer es ist, dieses Land logistisch zu erobern. Das wurde in einem Pressegespräch in Moskau deutlich mit Leineweber, CEO Stefano Arganese (s. Interview auf S. 33) und Marketing- und Vertriebschef Remco Rohaan (beide DHL Freight CEEME). Dabei ist DHL Freight mittlerweile seit 20 Jahren in Russland präsent – beziehungsweise die damalige Danzas Spedition, bevor sie von der Deutschen Post DHL in 1999 übernommen wurde. Leineweber selbst ist seit 1995 für das Unternehmen tätig. Seit 2009 ist er Russland-Landeschef und damit für 380 Frachtmitarbeiter der Logistikdivision verantwortlich, die mit derzeit 1300 Mitarbeitern in Russland vertreten ist. Landesweit gibt es zwölf Büros, die logistische „Schaltzentrale“ befindet sich indes in Moskau Puschkino, wo DHL Freight ein Logistikcenter von 60.000 Quadratmetern hat. Rund 40.000 m2 davon sind Lagerfläche und 20.000 m2 Frachtumschlagsfläche inklusive Zollposten. Jährlich werden dort rund 30.000 Teil- und 60.000 Komplettladungen und mehr als eine Million Paletten zu 80 Prozent russlandweit und 20 Prozent nach Fernost verteilt. Vorwiegend Textilien, Ersatzteile, Automobil- und Maschinenbau sowie Heimwerker-Produkte, die zu 20 Prozent aus China, zu 50 Prozent aus der EU und zu 30 Prozent aus Russland kommen. Tendenz steigend: So ist das Geschäft laut Leineweber „in den vergangenen Jahren im zweistelligen Prozentbereich“ gewachsen. Dabei stützt sich DHL Freight auf drei logis-tische Netze, wie Arganese und Leineweber ausführen. Erstens auf das innerrussische Domestik-Netz, dessen zentraler Konsolidierungspunkt in Moskau Puschkino sitzt. Von diesem aus werden die Waren in die neun größten Städte Russlands in die DHL-eigenen Cross Docks verteilt, also nach Sankt Petersburg, Nowosibirsk, Jekaterinburg, Nischni Novgorod, Samara, Kasan, Voronesh, Rostow und Ulyanovsk. Zentraler Konsolidierungspunkt des zweiten logistischen Netzes ist Wladiwostok. Dort werden alle aus Asien eingehenden Inbound-Verkehre (Stückgut, Teil- und Komplettladungen) über die Schiene innerhalb von Russland verteilt. Und seit April diesen Jahres verfügt das Unternehmen über ein drittes logistisches Netz, dessen zentraler Umschlagspunkt das nordchinesische Urumtschi ist, durch das unter anderem die Eisenbahnlinie von Peking nach Almaty (Kasachstan) führt. Von Urumtschi aus schlägt DHL Freight unter anderem seine Import-Warenströme aus Nordchina nach Russland um. Von einem 48- oder gar 24-Stunden-Service, wie man dies aus EU-weiten Verkehren mittlerweile gewöhnt ist, kann man in Russ-land aufgrund seiner gigantischen Größe nur träumen. Immerhin ist dieser Staat mit seinen 17 Millionen Quadratkilometer Gesamtfläche gut 50-mal größer als Deutschland, hat mit seinen 142 Millionen Einwohnern aber nur unwesentlich mehr Bevölkerung als Deutschland (80 Millionen). So dauern laut Leineweber Stückgut-Transporte – jeweils inklusive Verzollung – von Berlin nach Moskau mindestens 6 bis 7 Tage, von Berlin über Moskau nach Jekaterinburg mindestens 9 bis 11 Tage und von Berlin über Moskau nach Almaty mindes-tens 13 Tage. Selbst Komplett-LKW sind von Berlin nach Minsk inklusive Verzollung 3 bis 4 Tage unterwegs, während ein Stückguttransport von Berlin über Moskau nach Minsk mindestens 7 Tage benötigt. Politische Unwägbarkeiten Und die Tücken in der Logistik sind nicht zu unterschätzen, angefangen bei der Verkehrsinfrastruktur über das Thema Zoll bis hin zur Unplanbarkeit bestimmter Dinge aufgrund politischer Unwägbarkeiten. Zuweilen fühlt man sich im Gespräch mit Leineweber und Arganese in Zeiten versetzt, die Deutschland längst hinter sich gebracht hat. So sind im April die Straßen nach dem harten Winter durch das einsetzende Tauwetter oft so schwierig zu passieren, erzählt Leineweber, dass die LKW meist nicht mit 33 Paletten, sondern nur mit 20 bis 25 Paletten beladen werden dürfen, um die Straßen nicht zu beschädigen. Ein weiteres Problem in Russland ist nach wie vor die mangelnde Rückladung: „Vier von unseren LKW fahren voll nach Russland, einer kommt voll zurück“, sagt Leineweber. Ein Problem, unter dem im Übrigen alle Logistikunternehmen leiden würden. Wie ein roter Faden durch das Gespräch zieht sich aber vor allem das große Thema Zoll, nicht zuletzt aufgrund der vielen politischen Unwägbarkeiten, mit denen sich Speditionsbetriebe hier konfrontiert sehen. So beschloss der russische Staat vor zwei Jahren, erzählt Leineweber, fast alle russischen Binnenzollämter, die bis dato schwerpunktmäßig in Moskau und Sankt Petersburg angesiedelt waren, zu schließen und dafür neue Zollstationen an den Staatsgrenzen zu errichten. Ziel war es, auf diese Weise die Ballungsräume in Zentralrussland von LKW-Schlangen zu entlasten. Nächste Zieletappe: Netzverdichtung Was in der Theorie gut ist, zeigte in der Praxis Tücken. Jede Firma musste sich quasi über Nacht, erzählt er, neue Zollposten für die Deklarierung suchen. Kein Wunder, dass der 42-Jährige stolz darauf ist, dass DHL Freight trotz dieser Unwägbarkeiten 85 Prozent seiner Russland-Sendungen binnen 24 Stunden verzollen kann. „Kilometer fahren kann jeder“, bringt es Arganese auf den Punkt. „Wenn wir also ein bis zwei Tage schneller bei der Verzollung sind, ist das ein echter Wetttbewerbsvorteil.“ Und was plant DHL Freight in Russland? Fest steht: Die Fracht- und Stückgutsparte der Post hat sich viel vorgenommen: „Wir wollen weiter überdurchschnittlich wachsen“, nennt Arganese das Ziel. Um das zu erreichen, plane DHL dreierlei, wobei die strategische Stoßrichtung „alle Services für Kunden aus einer Hand“ beibehalten werden soll: Erstens will DHL Freight sein innerrussisches Netz verdichten. „Wir peilen nun die mittelgroßen Städte unterhalb einer Million Einwohner an“, so der DHL-CEO. Zweitens erweitere das Unternehmen sein innerrussisches Domestik-Netz von bislang zehn auf 15 Standorte. So eröffne man noch 2011 einen Standort in Minsk (Weißrussland) und einen in Almaty (Kasachstan) sowie drei weitere Standorte in Russland. Wo genau, verrät Arganese nicht. Nur so viel: Dies wolle man im Zusammenspiel mit einem Partner tun, der die Terminals betreiben soll. Und schließlich soll das unlängst in Urumtschi (Nordchina) gestartete Logistiknetz sukzessive ausgebaut werden. Der wichtigste Wachstumstreiber aber ist, da sind sich alle drei Manager einig, die „eurasische Wirtschaftsunion“, der sich Russland, Kasachstan, Weißrussland, Kirgistan und Tadschikistan als Mitgliedstaaten angeschlossen haben. Ziel dieser Union ist es – vereinfacht formuliert – den Freihandel in diesen Ländern zu realisieren und dort die Zollgesetz- und Markteintrittsgesetzgebung zu harmonisieren. Gemeinsam wollen diese Länder so einen einheitlichen Finanz-, Energie- und Transportmarkt schaffen. Die wichtigste Etappe – die Zollunion – wird bereits von Russland, Weißrussland und Kasachstan umgesetzt. Dazu Leineweber: „In Russland brechen damit sehr spannende Zeiten an. Wachstumsmäßig wird sich wegen des großen Konsum-Nachholbedarfs in den nächsten Jahren viel tun.“ ❙❚■ Eva Hassa (Von links:) Remco Rohaan, Stefano Arganese und Marco Leineweber Verspricht sich in Russland wichtige Wachstumsfelder: DHL Freight DHL Freight Russland „Wir bauen unser Netz in Russland aus“ Was DHL Freight in Russland plant, sagt Stefano Arganese, CEO DHL Freight Central Eastern Europe Middle East, im Gespräch. Sie verantworten bei DHL Freight als CEO den gesamten Raum von Österreich über Osteuropa, Russland bis hin zum Mittleren Osten. Welches dieser ingesamt 25 Länder ist für Sie derzeit am wichtigsten? Stefano Arganese: Vom Wachstum ausgehend sind für uns derzeit Russland, die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate und vor allem Polen sehr interessant. Welche Ziele peilen Sie in Russland an? Bis 2012 werden wir zum einen unser Domestiknetz um Stationen in Belarus/Weißrussland und Almaty/Kasachstan erweitern. Zum anderen planen wir eine Verdichtung unseres innerrussischen Netzes. Sprich: Wir werden dann unsere Präsenz auch auf mittelgroße Städte bis eine Million Einwohner ausbauen. Sind Zukäufe ein Thema? Strategisches Ziel ist es nicht. Wenn sich aber eine interessante Gelegenheit bietet, prüfen wir diese natürlich. Würden Sie sagen, dass die Deutsche Post mit DHL Freight in Russland ein flächendeckendes Netz hat? Unser Unternehmen zählt zu den drei größten Anbietern im russischen Landverkehr. Trotzdem bauen wir unser Netz noch ständig weiter aus. Viel wichtiger ist uns aber, dass wir unseren Kunden in Russland alle Lösungen aus einer Hand anbieten können. Auch daran arbeiten wir. eh Interview StefanoArganese

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