Stückgut-Logistik 4.0: Ist KI der Schlüssel zum Erfolg

Für die einen ist sie die Zukunft, für die anderen ein schwer einschätzbares Risiko: Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, die Wirtschafts- und Arbeitswelt grundlegend zu verändern. Ihre Nutzung nimmt einer aktuellen Studie des Branchenverbands Bitkom zufolge rapide zu. Derzeit setzen 15 Prozent der deutschen Unternehmen KI-Tools ein, vor einem Jahr waren es nur neun Prozent. Der Einsatz von entsprechenden Anwendungen wird in den kommenden Jahren signifikant weiter steigen, schließlich sehen gut zwei Drittel der befragten Firmen in KI die wichtigste Zukunftstechnologie überhaupt. Digitale Transformation ist ein Muss Fakt ist: Die Digitalisierung schreitet mit immer ausgefeilteren Algorithmen voran. Auch in der Logistik sind Machine Learning (Maschinelles Lernen) und KI längst angekommen. Die digitale Transformation der Branche ist auch dringend notwendig, um die Qualität zu sichern und den steigenden Herausforderungen durch Fachkräftemangel und Flächenknappheit zu begegnen. Mehr noch: Die Branche ist gefordert, die Geschwindigkeit bei der Adoption neuer Technologien zu erhöhen und auch die gesellschaftlichen Mega-trends, die unser Leben verändern - etwa Digitalisierung, Urbanisierung, E-Mobilität oder Konnektivität - in die Entwicklung einfließen zu lassen. Dabei gilt es indes, strategisch zu denken und das Steuerrad fest in der Hand zu behalten. Denn es kommt darauf an, die Entwicklung aktiv und vorausschauend für die Kunden und Mitarbeitenden zu gestalten. Dachser fokussiert sich deshalb in seiner digitalen Transformationsstrategie im Wesentlichen auf drei Kernbereiche. Erstens: die konsequente Digitalisierung der Geschäftsprozesse und die Entwicklung beziehungsweise Bereitstellung von Tools und Lösungen, die Kunden, Mitarbeitenden und Partnern einen greifbaren Mehrwert liefern. Zweitens: die Modernisierung der eigenen Kernsysteme für Transport und Warehousing sowie die sichere Anbindung von zum Teil cloudbasierten Fremdsystemen. Und last, but not least gilt es, alle Mitarbeitenden einzubinden und mit auf die Transformationsreise zu nehmen. Denn nur wenn Digitalisierung im Unternehmen gelebt wird, kann sie auch Früchte tragen. Dafür gilt es, ein "Digital Mindset", also eine Digitalisierungskultur, zu schaffen. Vier Einsatzfelder für KI-Anwendungen Wo wird nun der Einfluss von Künstlicher Intelligenz in der Logistik besonders wichtig und bedeutsam? Dachser bearbeitet hier vier wesentliche Einsatzfelder für KI-Anwendungen: im Stückgut-Handling selbst, in den Planungs- und Entscheidungsprozessen, im Managen der zunehmenden Service-Komplexität und schließlich auch beim Reduzieren von Emissionen. Die Stückgut-Logistik ist ein elementarer Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit industrieller Volkswirtschaften, und sie gewinnt weiter an Bedeutung. In Zeiten von Omnichannel-Vertriebswegen liefert die verladende Industrie in immer kleineren Mengen - und das vermehrt direkt zum Kunden an verschiedene Empfangspunkte bis hin zum Drop-Shipment. Sich Laderaum mit anderen Verladern zu teilen ist da sinnvoll, um die Ware kostengünstig, schnell und mit möglichst niedrigen CO2-Emissionen zuzustellen. Die deutliche Zunahme von Lieferungen an Endkunden sowie gebrochene Supply Chains wie etwa Mikrohubs in Innenstädten stellen jedoch auch leistungsfähige Stückgutnetze vor Herausforderungen. Hier kommen intelligentes Datenmanagement, Algorithmen und KI ins Spiel, die in der Lage sind, mithilfe mathematischer Modelle die Muster und Strukturen ihrer eingegebenen Trainingsdaten zu "erlernen" und daraus bestmögliche Lösungen zu generieren. Ausgangspunkt ist dabei die Logistikpraxis. Hier spielen vorrangig menschliches Know-how und physische Assets zur Leistungserfüllung, etwa Netzwerk- und Terminalstrukturen, eine Rolle. Besonders an den Knotenpunkten im Netzwerk, wo Fern- und Nahverkehr miteinander verbunden werden, entscheidet die Effizienz. Erfolgsfaktoren sind die gewerblichen Mitarbeitenden, allen voran die Be- und Entlader, die mit ihrer Erfahrung in der Lage sind, den Laderaum von Trailern und Wechselbrücken wie bei einem Tetris-Spiel optimal zu nutzen. Der Unterschied zwischen einem erfahrenen und unerfahrenen Belader kann bis zu 15 Prozent der Laderaum-Auslastung betragen. Digitalisierung beim Stückgut-Eingang In Zukunft aber wird es immer schwieriger werden, auf diese menschliche Erfahrung zuzugreifen. Der Fachkräftemangel ist bereits deutlich zu spüren und wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Logistiker müssen Wege finden, diesen Erfahrungsverlust im operativen Alltag auszugleichen. Zum Beispiel im Dachser Future Terminal: Mit dem digitalen Zwilling @ILO, der bereits in den Niederlassungen Unterschleißheim und Öhringen implementiert ist, wurden die Prozesse im Stückgut-Eingang erstmals umfassend digitalisiert. Über die im Dachser Enterprise Lab gemeinsam mit dem Fraunhofer IML entwickelte KI-Bilderkennung und -verarbeitung lassen sich alle Packstücke im Umschlaglager in Echtzeit metergenau orten. Eine vollautomatische Identifizierung macht das manuelle Scannen von Barcodes überflüssig und ermöglicht es, die Prozesse digital und in Echtzeit mit Prozesshinweisen zu unterstützen und zu dokumentieren. Damit werden einzelne Prozesse in den beiden @ILO-Pilotanlagen in einer Spanne von 15 bis 35 Prozent beschleunigt. Die vollautomatische und permanente Vermessung aller Packstücke wird der nächste Innovationsschritt in Richtung Logistik 4.0. Im Pilotbetrieb kann das System bereits Länge, Höhe und Breite der Packstücke mit hoher Genauigkeit ermitteln und in Echtzeit anzeigen, ohne MessStationen anfahren zu müssen. Sobald das System perfektioniert ist, können die ermittelten Volumendaten unter anderem von intelligenten Algorithmen genutzt werden, um die Verlade- und Tourenplanung zu unterstützen und die Auslastung von Wechselbrücken, Trailern und Nahverkehrsfahrzeugen weiter zu erhöhen. Das reduziert Transportkilometer und verringert Emissionen. KI kann aber nicht nur im Umschlaglager, sondern auch in der Warehouse-Automatisierung sinnvoll zum Einsatz kommen. Selbstfahrende Transportfahrzeuge, sogenannte AGV, erfassen über Sensorik-Elemente wie Kameras, Lidar (eine Form des dreidimensionalen Laserscannings) und Radar die Umgebung und finden sich mittels KI selbstständig in der Warehouse-Umgebung zurecht. Sie können autark agieren und einfache, repetitive Abläufe abbilden - etwa Paletten aus dem Warehouse in das Umschlaglager bringen. Damit fügen sie sich auch in den Mischbetrieb ein. Der "Kollege Computer", daher oft auch mit Namen versehen, ist akzeptiert und wird als freundlicher Helfer gesehen. Entscheidungsfindung verbessern Planbarkeit ist in der Logistik ein entscheidendes Kriterium für Effizienz und Qualität. KI kann hier einen wertvollen Beitrag leisten, wie Panda One, das erste Machine-Learning-Projekt von Dachser, zeigt. Das Akronym (Abkürzung) steht für Predictive (P) Analytics (An) Dachser (DA) sowie das erste seiner Art (One). Das Modell wurde speziell zur Prognose der Eingangsmengen einer Landverkehrs-Niederlassung konzipiert und stellt eine Entscheidungsunterstützung für die saisonale Kapazitätsplanung bereit. So lassen sich frühzeitig Laderaum-Kapazitäten auf dem Markt sichern und Ressourcen im Umschlaglager vorplanen. Dazu liefert das Prognosemodell entsprechende Eingangsmengen bis zu 25 Wochen im Voraus. Die Niederlassungen haben damit ein zusätzliches Hilfsmittel an der Hand, das das "Bauchgefühl" der erfahrenen Speditionsleiter mit Daten unterfüttert und die im Kundengespräch gewonnenen Eindrücke validiert. Die Technik unterstützt den Menschen in seinen Entscheidungen. Künstliche Intelligenz (KI): Lessons Learned bei Dachser Was hat das Speditions- und Logistikunternehmen Dachser aus diesen ersten Einsatzfeldern der KI-Anwendung gelernt? Zunächst einmal, dass maschinelles Lernen oft ein Vorgehen nach der "Trial-and-Error"-Methode bedeutet, so lange, bis eine hinreichende Genauigkeit erreicht ist. Denn man darf eines nicht vergessen: Man arbeitet hier stets mit Wahrscheinlichkeiten. Es gilt, Lerndaten immer wieder zu testen, so lange bis die Qualität des Ergebnisses für den Anwendungsfall ausreicht. Anders als beim herkömmlichen Coding (Programmieren) braucht man also vor allem eines: Geduld. Wichtig ist darüber hinaus, dass man Kenntnisse über Tools und Programmiersprachen wie Python mit Wissen über Mathematik sowie über Geschäftsmodell und Prozesse zusammenbringen muss. Nur aus dem Zusammenspiel dieser drei Faktoren entstehen erfolgreiche KI-Anwendungen. Service-Komplexität besser managen Logistik ist heute viel mehr als bloß sach- und fachgerechtes Lagern und termin-gerechter Transport von Rampe A nach Rampe B. Insbesondere die Sendungen an Privatempfänger haben in den letzten Jahren zugenommen und für ein höheres Maß an Komplexität gesorgt. Daraus resultierte bei Dachser beispielsweise das B2X-Labeling-Projekt. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob es sich beim Empfänger um eine Firma (B2B) oder um eine Privatperson (B2C) handelt. Anhand der Empfängerdaten im Auftrag ist die Unterscheidung zwischen B2B und B2C nicht immer eindeutig. Für die logistischen Prozesse macht es aber einen großen Unterschied, ob eine Firma oder ein Privathaushalt beliefert wird. Das fängt bei der Avisierung an und hört bei der Wahl des geeigneten Zustellfahrzeugs auf. Ein Machine-Learning-Algorithmus bereitet nun die Empfängerdaten, geografische Daten und externe Informationen so auf, dass das Modell im Echtbetrieb auf Basis dieser verknüpften Informationen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bestimmen kann, ob es sich bei dem Empfänger um einen Geschäfts- oder Privatkunden handelt, und automatisiert Folgeprozesse anstoßen kann. Smart-Transport-Emissionen reduzieren Nachhaltiges Handeln - in seinen ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimensionen - bereitet den Weg für eine sichere und auch wirtschaftlich stabile Zukunft. Dachser zielt zuerst bei den eigenen Anlagen und Fahrzeugen darauf, möglichst schnell auf Netto-null-CO2-Emissionen zu kommen. In 13 europäischen Metropol-Regionen hat Dachser bereits die emissionsfreie Zustellung von ungekühlten Stückgut-Sendungen in definierten Innenstadt-Bereichen auf den Weg gebracht. Bis 2025 sollen elf weitere europäische Großstädte folgen. Während in der Stadtlogistik schon leistungsfähige E-Lkw als Serienfahrzeuge verfügbar sind, müssen beim Fernverkehr noch viele offene Fragen geklärt und Hindernisse beseitigt werden. Deshalb etabliert Dachser in Freiburg, Hamburg und Malsch bei Karlsruhe spezielle E-Mobility-Standorte. Im Fokus von Forschung und Entwicklung stehen dabei emissionsfreie Lkw und ihre Ladeinfrastruktur, die Nutzung und Eigenproduktion von erneuerbarem Strom sowie das intelligente Strom- und Lastmanagement. Es mag überraschend klingen, aber auch hier spielen Daten und ihre intelligente Nutzung eine entscheidende Rolle. Sie müssen im großen Stil erhoben werden, um daraus belastbare Modelle und Einsatz-Szenarien für die Umsetzung emissionsfreier Nah- und Fernverkehrstransporte zu entwickeln. Das ist ein künftiges Einsatzfeld für KI und wird auch datentechnisch den Weg in die Zukunft weisen. Dabei darf natürlich nicht vergessen werden, dass KI auch Gefahren wie Kontrollverlust, Haftungsrisiken und weitere Herausforderungen mit sich bringt, die beim Einsatz stets bedacht werden müssen. Kritisches und ethisches Denkvermögen sind mehr denn je gefragt. Die digitale Transformation bietet jedoch auch große Chancen für eine nachhaltige, zukunftssichere Entwicklung. KI und Machine Learning sollen Menschen dabei nicht ersetzen, sondern ihnen - wohl dosiert - dabei helfen, fundiertere und damit bessere Entscheidungen zu treffen. Logistik ist "People Business", sie wird von Menschen für Menschen gemacht. Nicht alle Aufgaben und Fragestellungen werden sich mit KI lösen lassen, sie hat aber das Potenzial, neue Prozesse, Produkte und Geschäftsmodelle - sprich Innovationen - hervorzubringen. Im Sinne des zentralen Unternehmenswerts "Unternehmertum und Mut zur Innovation" im Hause Dachser haben es die Mitarbeitenden auf diese Weise in der Hand, die digitale Zukunft selbst zu gestalten. Stefan Hohm, Vorstand IT & Development bei Dachser

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