Der Lkw: beliebter denn je

Das Tempo im Straßengüterverkehr ist beeindruckend. Nicht, wie schnell die Ware beim Versender ist (das womöglich auch). Sondern, wie schnell sich die Verhältnisse im Markt gewandelt haben. Der Markt hat sich komplett gedreht Noch vor zwölf Monaten dominierten die Käufer den Markt für Lkw-Frachtraum. Es gab genug Ladung von Transportunternehmen, sodass die Verlader in der stärkeren Position waren und die Konditionen weitestgehend bestimmen konnten. Doch im Laufe des Jahres 2017 kam dann die Wende: Die Nachfrage nach Laderaum zog kräftig an. Der Käufermarkt wandelte sich zum Verkäufermarkt, auf dem Lkw knapp wurden. Und auf einmal hatten die Fuhrunternehmen die Wahl, wem sie den Zuschlag geben für den begehrten Frachtraum. Christoph Kösters muss auf die Frage, ob die wirtschaftliche Lage im Straßengüterverkehrsgewerbe überhaupt schon mal so gut war, zunächst mal nachdenken. "Vielleicht war es 2006/2007 der Fall, als kurz vor der Wirtschaftskrise 2008 die Nachfrage auch boomte", fällt dem Hauptgeschäftsführer des VVWL (Verband Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen) nur ein Zeitraum ein, in dem die Nachfrage womöglich ähnlich gut war wie derzeit. "Aber keine Frage, es ist momentan eine besondere Situation", sagt Kösters, der seit fast 20 Jahren im VVWL als Geschäftsführer tätig ist. Der Lkw: beliebter denn je. Zumindest bei denjenigen, die in Industrie und Handel über die Vergabe von Transporten zu entscheiden haben. Damit setzt sich ein Trend fort, der schon die letzten Jahre zu beobachten war: Im Modal Split der Verkehrsträger legt der Straßengüterverkehr weiter zu (siehe untere Grafik Seite 15). Treffen die Einschätzungen der Experten der Mittelfristprognose zu, nimmt die Verkehrsleistung zwischen 2013 und 2018 um fast 50 Milliarden Tonnenkilometer zu - das entspricht fast der Verkehrsleistung, die die Binnenschifffahrt pro Jahr erbringt, und sind über 40 Prozent der jährlich von den Bahnen in Deutschland erbrachten Leistung. Geht die Entwicklung so weiter - und nichts spricht dagegen -, dann dürfte 2019 erstmals die Grenze von 500 Milliarden Tonnenkilometer in Reichweite sein. Die Transportunternehmen in Deutschland können sich also über eine fehlende Nachfrage nicht beklagen. Das belegen auch die Zahlen, die der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) zu Jahresbeginn veröffentlicht hat. Jedes Quartal befragt der Verband seine Mitglieder zu der wirtschaftlichen Entwicklung. Im dritten Quartal haben 331 Betriebe an der Umfrage teilgenommen. "Die Geschäftslage ist vergleichsweise gut", umschreibt der Verband in gewohnt zurückhaltender Form die Ergebnisse für das dritte Quartal 2017, um dann zu ergänzen: Die Geschäftslage wird von den Unternehmen "so gut wie schon lange nicht mehr" beurteilt. Der Saldo der positiven und negativen Einschätzungen zur aktuellen Geschäftslage stieg auf plus 13,5 Punkte (Vorquartal plus 7 Punkte). Zuletzt wurde im dritten Quartal 2006 mit 18,1 Punkten ein besseres Resultat erzielt. Kleiner Dämpfer in der Euphorie: Die Prognosen für das dem Berichtsquartal folgende Halbjahr fielen saisonbedingt nicht ganz so positiv aus. Aktuellere Umfrageergebnisse zur Lage im Straßengüterverkehr kann das Ifo-Institut vorlegen. Jeden Monat befragen die Wissenschaftler Anbieter von Lkw-Frachtraum zur aktuellen Lage sowie zu ihren Erwartungen für die kommenden sechs Monate. Im Januar 2018 verbesserte sich der Erwartungswert nochmals auf 40,2 Punkte nach 39,4 Punkten im Dezember (siehe obere Grafik Seite 15). Auch hier gilt: Das ist der höchste Wert eines Monats seit Dezember 2006 (44,1 Punkte). Also eine Bestätigung, dass die momentane Lage im Straßengüterverkehrsgewerbe ausgesprochen gut ist. Ebenfalls nicht ganz so euphorisch fallen die Einschätzungen zu den Erwartungen aus. Aber: Im Januar gab es einen kräftigen Sprung nach oben. Der Indikator kletterte von 19,4 Punkten (Dezember 2017) auf 25,4 Punkte. In dieser Entwicklung spiegelt sich auch wider, dass der Prognosezeitraum in den Frühjahrs- und Sommermonaten liegt, in denen generell die Nachfrage nach Lkw-Frachtraum anzieht. Den Erwartungs-Wert kann man fast schon als historisch hoch bezeichnen. Denn seit 2005 wurde er nur ein einziges Mal übertroffen, im Januar 2014 mit 25,7 Punkten. Der Pferdefuß des Aufschwungs "Der Januar war etwas ruhiger als das vierte Quartal. Aber das ist jedes Jahr so", bestätigt Kösters den etwas ruhigeren Jahresauftakt. Den registriert man auch bei Timo-Com. "Im Januar war zwar auf unserer Plattform eine leichte Entspannung gegenüber dem vierten Quartal 2017 zu beobachten", sagt Gunnar Gburek, Unternehmenssprecher bei TimoCom, der nach eigenen Angaben größten Transportplattform in Europa. Aber das sei ganz normal und dem Jahreszyklus zuzuschreiben. Für die Region Europa ergab sich im Januar ein durchschnittliches Fracht- zu Laderaumverhältnis von 60 Prozent zu 40 Prozent. Es gab also mehr Frachten als verfügbare Lkw. Trotz aller Euphorie: Es gibt auch einen Pferdefuß. "Die Gefahr besteht, dass der eine oder andere am Erfolg erstickt", warnt Kösters. In der Bereitstellung von Frachtraum seien einige am Limit angelangt. "Deshalb können sie nicht in bester Wirtschaftlichkeit produzieren und daher steigen die Kosten", gibt er Aussagen seiner Mitgliedsunternehmen wieder. Zumal auch generell mit Kostensteigerungen gerechnet wird. Das geht aus dem NRW.Logistikindex des Beratungsunternehmens SCI hervor. Demnach gehen alle von SCI befragten Logistikunternehmen in Nordrhein-Westfalen 2018 von Kostensteigerungen aus. Auch die Ergebnisse der BGL-Konjunkturanalyse deuten auf einen kräftigen Kostenschub hin. So ist der Saldo der Gesamtkostenentwicklung im dritten Quartal 2017 auf 56,5 Punkte nach 44 Punkten im Vorquartal gestiegen. "Das ist der höchste Wert seit einem halben Jahrzehnt", teilt der BGL mit. Für das auf das dritte Quartal folgende Halbjahr rechnen 58 Prozent der Unternehmen mit steigenden Kosten. Treiber sind vor allem die Aufwendungen für Personal: 54 Prozent der Unternehmen erwarten höhere Personalkosten. "Der Hemmschuh für eine Erweiterung der Kapazitäten ist das Personal", sagt Kösters. Die eine Patentlösung, mit dem sich das Problem lösen lässt, habe er auch nicht. Es seien ein Bündel von Maßnahmen: "Selber ausbilden gehört mit Sicherheit dazu. Es darf aber auch die Bindung des eigenen Personals nicht fehlen", sagt der Verbandschef. Aber in Summe führt die hohe Auslastung dazu, dass sich die wirtschaftliche Lage der Transporteure verbessert. Laut Erhebungen des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) für das Jahr 2016 lag die Umsatzrendite der Unternehmen überwiegend in einer Bandbreite von einem bis drei Prozent. Hier könnte jetzt eine Verbesserung eingetreten sein, denn immerhin ist der Betriebsergebnis-Saldo in der BGL-Konjunkturanalyse im dritten Quartal 2017 auf sechs Prozentpunkte nach minus 1,5 Prozentpunkten gestiegen. Damit befindet sich der Saldo erst das zweite Mal im positiven Bereich. Dass sich offenbar auch bei der Rendite etwas tut, hängt auch mit der Verteuerung des Frachtraums zusammen. "Von unseren Mitgliedern höre ich, dass sich angesichts des Frachtraummangels zum Teil höhere Frachtraten durchsetzen lassen", sagt Kösters. Für Gburek eine ganz normale Reaktion: "Angebot und Nachfrage ist immer ein Spiegelbild der Marktsituation. Und getreu den Gesetzen der Marktwirtschaft treibt eine höhere Nachfrage immer den Preis nach oben." Doch er warnt davor, sich nur auf das Niveau der Frachtraten zu fokussieren: "Man muss auch die Kostenseite im Blick haben und kann über diesen Weg als Anbieter seine Marge erhöhen." Kabotage hält den Preisdruck hoch Kösters weist in diesem Zusammenhang auf die zunehmende Kabotage in Deutschland hin. Die Nachfrage sei zwar hoch genug, sodass deutsche Unternehmen zumindest derzeit nicht unter einem Mangel an Frachten leiden. "Aber die Konditionen der Kabotage-Anbieter sind ganz andere. Dadurch wird ein Preisdruck ausgeübt, der sich auf den gesamten Markt auswirkt", erklärt Kösters. Trotz einer guten Nachfrage ist also der Druck im Straßengüterverkehrsmarkt weiter vorhanden. Mehr zum Thema im Dossier Lkw-Landverkehr www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Serie Verkehrsträger im Überblick In unserer Serie analysieren wir die Situation bei den verschiedenen Verkehrsträgern. Wie ist die Nachfrage, mit welchen Problemen hat die Branche zu kämpfen und wie fallen die Erwartungen für 2018 aus.- VR 07: Straßengüterverkehr- VR 08: Binnenschifffahrt- VR 09: Schienengüterverkehr- VR 10: Seeschifffahrt Umfrage der AMÖ zur wirtschaftlichen Lage Optimismus auch bei den Möbelspeditionen Was für den Straßengüterverkehr zutrifft, gilt auch für den Möbeltransport: die Auftragslage ist sehr gut. Das zeigen die Ergebnisse einer Umfrage des Bundesverbandes Möbelspedition (AMÖ) unter seinen Mitgliedern. Demnach bewerten rund drei Viertel der Unternehmen ihre Auftragslage 2017 mit gut bis sehr gut. Nur gut ein Prozent erteilte die Note mangelhaft. Auch für das kommende Jahr zeigen sich die Möbelspediteure optimistisch. 20 Prozent gehen davon aus, dass sich die Auftragslage nochmals verbessert. Nur 3,5 Prozent befürchten einen Rückgang der Nachfrage.Die Schattenseite: 99 Prozent der AMÖ-Mitglieder geben an, dass es zunehmend schwieriger ist, gutes Personal zu finden, weshalb 80 Prozent von steigenden Lohnkosten ausgehen. cd