Der Boom neigt sich dem Ende

Derzeit hat die Transport- und Logistikbranche alle Hände voll zu tun. Die Nachfrage der Wirtschaft ist groß. Entsprechend stark ist zuletzt die Güterverkehrsleistung gestiegen: Um 1,8 Prozent sind die Tonnenkilometer 2017 im Vergleich zum guten Jahr 2016 gestiegen. Das war der höchste Anstieg seit 2013, als dieser Wert um 2,1 Prozent kletterte. Doch der Boom mit Wachstumsraten um oder (deutlich) über ein Prozent steuert auf sein Ende zu. Das geht zumindest aus der Mittelfristprognose Winter 2017/2018 hervor, die das Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegeben hat und von SSP Consult Beratende Ingenieure sowie für den Luftfahrtteil vom Bundesamt für Güterverkehr (BAG) erstellt wurde. Wachstum nähert sich der Null-Grenze In diesem Jahr können die Spediteure und Transportunternehmen noch mit einem deutlichen Plus in ihren Auftragsbüchern rechnen (siehe Grafik oben). Doch ab 2019 geht das Wachstum spürbar zurück. Mit jährlich 0,3 Prozent mehr bei der Verkehrsleistung nähert sich der Zuwachs gefährlich der Null-Grenze an. "Es gibt es eine ganze Reihe von Faktoren, die sich dämpfend auswirken", sagt Wolfgang Röhling, der für SSP Consult die Prognose für den Güterverkehr erstellt hat. Er will die These nicht so stehen lassen, dass der Boom im Transportgewerbe vorbei ist. "In diese Wachstumsrate fließen verschiedene Faktoren ein. Es gibt Teilsegmente, in denen die Nachfrage weiterhin spürbar zunimmt. Es gibt aber auch Bereiche, wie vor allem die Massengüter, bei denen mit Verlusten zu rechnen ist", sagt der Verkehrsexperte. Hier macht sich der Güterstruktureffekt bemerkbar: Die schweren Güter verlieren an Bedeutung, die leichteren hingegen sind stärker gefragt mit der Folge, dass die Verkehrsleistung sinkt. "Aussagekräftiger wären hier die Fahrleistungen, die stärker zunehmen", sagt Röhling. Als weiteren dämpfenden Faktor nennt er die Kapazitätsgrenzen: "Die gibt es bei allen Verkehrsträgern." Mit Personalengpässen haben alle zu kämpfen, sowohl die Binnenschifffahrt wie auch die Bahnen und die Straßentransporteure. Hinzu kommen witterungsbedingte Einflüsse, die sich besonders im Schienengüterverkehr und in der Binnenschifffahrt bemerkbar machen. Er relativiert die hohen Wachstumsraten, wie sie von den Wirtschaftsforschungsinstituten vorhergesagt werden. "Die Zunahmen sind zum Teil preislich bedingt, zum Beispiel im Bau", begründet Röhling seine Skepsis. Zudem gäbe es Risiken wie den Brexit, mit dem spürbare Folgen für den Außenhandel verbunden seien. BIP wächst stärker als der Güterverkehr Und dennoch, die Wachstumsraten der Güterverkehrsleistungen für die Jahre 2019 bis 2021 fallen überraschend gering aus. Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass für diesen Zeitraum eine jährliche Zunahme des BIP (Bruttoinlandsprodukt) von 1,5 Prozent zugrunde gelegt wurde. Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum in der EU und weltweit sind mit 1,8 Prozent beziehungsweise 3,7 Prozent sogar noch besser - trotz imposanter Zahlen zur Konjunkturentwicklung also ein geringes Güterverkehrswachstum. Das zeigt auch ein Blick in die Vergangenheit: 2015, als das BIP mit 1,7 Prozent in etwa so stark stieg, wie für die Jahre 2019 bis 2021 vorhergesagt, verzeichneten die Statistiker bei der Verkehrsleistung ein Plus von 1,2 Prozent. Dass nun also ab 2019 das Wachstum der Verkehrsleistung deutlich geringer ausfallen soll bei fast gleichem BIP, wäre eine äußerst ungewöhnliche und in diesem Ausmaß und über so einen langen Zeitraum auch neue Entwicklung. Bei den einzelnen Verkehrsträgern ist eine unterschiedlich starke Nachfrage zu beobachten (siehe dazu auch die Kästen auf Seite 27 und 28). Das macht sich auch im Modal Split der Landverkehrsträger bemerkbar. Der Straßengüterverkehr kann seine ohnehin schon starke Stellung noch leicht ausbauen: 71,1 Prozent betrug der Anteil an der Verkehrsleistung in Deutschland 2016. 2021 rechnen die Experten dann mit 72,0 Prozent. Die Eisenbahn verliert leicht in diesem Zeitraum von 17,7 Prozent auf 17,5 Prozent. Auch die Binnenschifffahrt muss sich mit einem kleineren Kuchenstück zufriedengeben: 2021 sind es 7,9 Prozent nach 8,3 Prozent im Jahr 2016. Die Rohrfernleitungen spielen mit 2,2 Prozent (2016) beziehungsweise 2,0 Prozent (2021) weiterhin eine geringe Rolle. Das größte Wachstum ist bei der Luftfracht zu beobachten. Dort kletterte die Transportleistung 2017 mit 6,5 Prozent so stark wie bei keinem anderen Verkehrsträger. Auch in diesem Jahr ist das Plus mit 4,5 Prozent überdurchschnittlich groß. Für 2019 bis 2021 können sich die Luftfrachtspediteure auf eine weiterhin stark steigende Nachfrage mit 3,0 Prozent pro Jahr einstellen. 2017 war sowohl bei den KEP-Verkehren wie auch bei der konventionellen Luftfracht und bei der Beiladefracht von Passagierflugzeugen ein Zuwachs zu beobachten. Dieser Trend soll bis 2021 anhalten. Auch wenn in Summe in Deutschland das Güterverkehrswachstum ab 2019 geringer ausfallen soll, muss man sich deshalb keine Sorgen im Transportgewerbe machen. Denn das bedeutet ja zum einen, dass die derzeit gute Auslastung der Kapazitäten weiterhin Bestand hat beziehungsweise sogar noch leicht erhöht wird. Zum anderen gibt es je nach Branche, in der die Logistikdienstleister tätig sind, nach wie vor ansehnliche Zuwachsraten. So dürfen sich die Dienstleister, die im Maschinen- und Anlagenbau tätig sind oder langlebige Konsumgüter befördern, über eine weiterhin hohe Nachfrage freuen: 2018 beträgt die Zunahme der Verkehrsleistung 2,4 Prozent, und ab 2019 bis 2021 steht dann jährlich ein Prozent mehr zu Buche. Ähnlich die Entwicklung von sonstigen Produkten, zu denen unter anderem Container und hochwertige Stückgüter gehören: Hier sagen die Experten ein Plus von 2,1 Prozent (2018) beziehungsweise 1,0 Prozent per anno (2019 bis 2021) voraus. Gründe für die positive Entwicklung sind zum einen die nach wie vor hohe Konsumneigung in Deutschland und zum anderen der wachsende Außenhandel. Nachfrage nach Massengütern sinkt Aber: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Vor allem die Nachfrage nach Transporten von Massengütern ist rückläufig. Bei der auch für den Straßengüterverkehr wichtigen Gütergruppe Erze, Steine, Erden und Bergbau wächst die Verkehrsleistung 2018 noch mit 0,8 Prozent. Ab 2019 rechnen die Experten jedoch mit Rückgängen bei der Transportleistung in Höhe von 0,6 Prozent pro Jahr. Noch schwächer entwickelt sich das Segment Kohle, Rohöl, Erdgas (- 0,8 Prozent 2018 und - 1,1 Prozent pro Jahr von 2019 bis 2021) sowie Kokerei- und Mineralölerzeugnisse (- 1,4 Prozent beziehungsweise - 2,0 Prozent pro Jahr). Dies betrifft vor allem die Verkehrsträger Bahn und Binnenschiff. Mehr zum Thema im Dossier Markt für Transport www.verkehrsrundschau.de/dossiers Entwicklung im Schienengüterverkehr Der Kombinierte Verkehr als Treiber des Wachstums Vielleicht ist es für den Schienengüterverkehr ja schon ein Erfolg, dass die Verkehrsleistung in den kommenden Jahren das Wachstum erreicht, das auch im Gesamtmarkt zu beobachten ist - sofern nicht Stürme und Baustellen eine mehrwöchige Unterbrechung wie auf der Strecke bei Rastatt im letzten Jahr den Bahnen einen Strich durch die Rechnung machen. Als Folge ging damals das Wachstum im Güterverkehrsmarkt (+ 1,8 Prozent) komplett an der Schiene vorbei (+ 0,1 Prozent). Immerhin, für 2018 sagen die Experten den Bahnen einen Zuwachs von 1,5 Prozent voraus sowie für die darauffolgenden drei Jahre ein Plus von jährlich 0,4 Prozent. Wachstumstreiber sind die Kombinierten Verkehre: Mit 2,1 Prozent (2018) beziehungsweise 1,1 Prozent (2019 bis 2021) mehr können sie die Rückgänge in anderen Segmenten mehr als ausgleichen. Als Verkehrsträger, der stark beim Transport von Massengütern ist, leiden die Bahnen unter dem Rückgang in diesem Bereich besonders. Eine bessere Entwicklung verhindern zudem Kapazitätsengpässe aufgrund von fehlendem Personal sowie zahlreiche Baustellen wie zum Beispiel am Brenner, die zu Qualitätseinbußen führen. cd Entwicklung im Strassengüterverkehr Im Nahverkehr sinkt die Verkehrsleistung ab 2019 Der Straßengüterverkehr behält seinen Wachstumskurs bei. Allerdings müssen auch die Lkw-Transporteure kleinere Brötchen backen, was die Wachstumsraten betrifft. Das Jahr 2018 wird aber nochmals ein gutes Jahr. Die Nachfrage steigt: mit 1,6 Prozent bei der Verkehrsleistung nicht ganz so stark wie im Vorjahr, aber angesichts eines sehr starken Jahres 2017 durchaus beachtlich. Ab 2019 geht es dann vergleichsweise langsam bergauf mit einem Zuwachs von 0,4 Prozent.Ein wesentlicher Grund für die sich abschwächende Entwicklung sehen die Autoren der Mittelfristprognose "im allmählichen Rückgang der Bauverkehre bis zum Jahr 2021". Hinter der Güterkategorie "Erze, Steine und Erden, Bergbau" verbergen sich vor allem die Bauverkehre. Die Güterkategorie ist für etwa ein Viertel der Tonnage im Straßengüterverkehr verantwortlich und verringert sich der Prognose zufolge um jährlich 0,8 Prozent zwischen 2019 und 2021.Ein weiterer Faktor, der das Wachstum der Verkehrsleistung bremst, sind die "deutlichen Engpässe", die sich abzeichnen, verursacht vor allem durch den Fahrermangel. Und nicht zuletzt trägt auch eine gemäßigtere Konjunkturentwicklung dazu bei, dass sich die Wachstumsraten verringern.In der Studie wird unterschieden nach deutschen und ausländischen Betrieben. Deutsche Unternehmen müssen sich demnach ab 2019 sogar mit einer Stagnation abfinden (+ 0,1 Prozent bei der Verkehrsleistung). Nur für den Fernverkehr (ab 150 Kilometer) geht es mit 0,2 Prozent pro Jahr noch bergauf. Im Regionalverkehr (50 bis 150 Kilometer) gibt es keine Veränderungen, während im Nahverkehr (bis 50 Kilometer) die Verkehrsleistung sogar deutlich rückläufig ist mit 0,8 Prozent jährlich. Die Wachstumsraten für Lkw aus dem Ausland lagen in den letzten Jahren deutlich über denen der deutschen. Daran ändert sich zwar nichts, aber: 2016 lagen zwischen den beiden Wachstumsraten noch 3,7 Prozentpunkte. Von 2019 bis 2021 soll der Unterschied nur noch 0,9 Prozentpunkte betragen. Und auch die jährliche Zunahme der Kabotage schrumpft: 2017 betrug das Plus noch 6,9 Prozent, von 2019 bis 2021 sollen es nur noch 2,8 Prozent jährlich sein. cd