Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt

Das Bundesarbeitsgericht in ErfurtNeue Klauselregeln aus ErfurtUm Entgeltvereinbarungen flexibel zu gestalten, kombinie-ren Arbeitgeber Grundgehälter oft mit Entgeltzulagen. Lesen Sie, welche Anforderungen das Bundesarbeitsgericht an Freiwilligkeits-, Anrechnungs- und Widerrufsklauseln im Arbeitsvertrag stellt.Arbeitgeber sollten sich im „Klauseldickicht“ gut auskennen. Denn selbst wenn sie mit ihrem Mitarbeiter zum Beispiel einen Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag vereinbart haben, sind sie womöglich an die Sonderzahlungen gebunden, wenn es sich um Zulagen auf das laufende Arbeitsentgelt handelt. Ist die Unternehmenskasse knapp, kann diese finanzielle Belastung dann sehr wehtun. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat zu vorformulierten Freiwilligkeits-, Anrechnungs- und Widerrufsklauseln unter dem Gesichtspunkt der seit 1. Januar 2002 geltenden AGB-Inhaltskontrolle für Arbeitsverträge erstmals in mehreren Urteilen Stellung genommen und neue Spielregeln zur Wirksamkeit solcher Klauseln aufgestellt.So erkennt das BAG Freiwilligkeitsvorbehalte bei Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld und Jubiläumszuwendungen zwar an. Bei monatlich mit der Grundvergütung gezahlten Zulagen ist das jedoch anders. Denn der Arbeitnehmer werde unangemessen benachteiligt, wenn sein Rechtsanspruch auf das „laufende Arbeitsentgelt“ vertraglich ausgeschlossen würde. Das BAG begründet dies in seinem Urteil vom 25. April 2007 (Az.: 5 AZR 627/06) mit dem Grundsatz, dass Verträge und die sich aus ihnen ergebenden Verpflichtungen für jede Seite bindend sind (pacta sunt servanda = Verträge sind einzuhalten). Deshalb soll ein Arbeitnehmer grundsätzlich auf die Beständigkeit monatlich zugesagter Vergütungen vertrauen können. Freiwilligkeitsvorbehalte beim laufenden Arbeitsentgelt erklärt das Gericht daher für unwirksam.Zulässig bleibt es dagegen auch in Zukunft, einen Anrechnungsvorbehalt zu vereinbaren. Damit behält sich der Arbeitgeber die Anrechnung künftiger Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Entgeltbestandteile vor. Das regelmäßig gewährte Arbeitsentgelt wird also nicht gekürzt, sondern lediglich nicht erhöht. Kombiniert der Arbeitgeber einen unzulässigen Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag mit dem zulässigen Anrechnungsvorbehalt (Beispiel: „freiwillige, jederzeit widerrufliche und anrechenbare Zulage“), bleibt nur der wirksame Anrechnungsvorbehalt bestehen (BAG, Urteil vom 1.3.2006, Az.: 5 AZR 363/05).Der Widerruf übertariflicher Leistungszulagen bedarf eines sachlichen GrundesAn die Wirksamkeit von Klauseln zum Widerruf übertariflicher Lohnbestandteile hat das BAG schon in der Vergangenheit folgende Anforderungen gestellt:das Bestehen eines entsprechenden Widerrufsvorbehalts,das Vorliegen eines sachlichen Grundes für den Widerruf undkeine Umgehung des Kündigungsschutzes.Bereits vor der Erstreckung der AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen)-Kontrolle auf formularmäßige Arbeitsbedingungen verlangte das höchste deutsche Arbeitsgericht für den Widerruf also das Vorliegen eines sachlichen Grundes. Die Vorbehaltsklausel selbst konnte jedoch pauschal formuliert sein und musste die Art der Widerrufsgründe nicht näher bezeichnen. Als nachvollziehbare Gründe wurden bislang in erster Linie wirtschaftliche Gründe anerkannt. Je nach Art der übertariflichen Leistung wurden unter Umständen, insbesondere bei Leistungszulagen, auch Gründe im Leistungsbereich des Arbeitnehmers anerkannt. In seiner Entscheidung vom 12. Januar 2005 (Az.: 5 AZR 364/04) stellte das BAG fest, dass seit dem 1. Januar 2002 auch formularmäßige Arbeitsverträge der AGB-Inhaltskontrolle unterliegen. Da der Widerrufsvorbehalt auf eine Änderung beziehungsweise Abweichung der versprochenen Vergütung gerichtet ist, muss die Klausel für den Arbeitnehmer zumutbar sein. Dies setzt nach Auffassung des Senats voraus, dass sich zusätzlich zu den bisher an einen Widerrufsvorbehalt gestellten Anforderungen bereits aus der vertraglichen Regelung zumindest die Art der Widerrufsgründe ergeben muss. Wichtig ist also, dass die Klausel die Art der Widerrufsgründe nennt.Eine unzulässige Umgehung des Änderungskündigungsschutzes hat das BAG angenommen, wenn „wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages einer einseitigen Änderung unterliegen sollen, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört würde“ (BAG, Urteil vom 15.8.2000, Az.: 1 AZR 458/99) beziehungsweise wenn der kündigungsrechtlich geschützte „Kern-bereich des Arbeitsverhältnisses“ angetastet wird. Letzteres bemisst sich vor allem nach der Höhe des übertariflichen Entgeltbestandteils im Verhältnis zur Gesamtvergütung bei unveränderter Tätigkeit. Das BAG zieht die Grenze bei einer Zulagenhöhe von 25 bis 30 Prozent gemessen am Gesamtverdienst. Die 25-Prozent-Grenze gilt für normale Gehaltszulagen, die 30-Prozent-Grenze bei Zulagen als Aufwendungsersatz beispielsweise für Fahrtkosten. Erfasst der Widerrufsvorbehalt eine Zulage in dieser Größenordnung, so ist er unzulässig. Gleiches gilt für einen Freiwilligkeitsvorbehalt.Das Bundesarbeitsgericht hat für mehr Rechtssicherheit gesorgtZwar wird die AGB-Inhaltskontrolle seit dem 1. Januar 2003 auch auf Altverträge angewendet. Für Arbeitsverträge, die bereits vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 abgeschlossen wurden, lässt das BAG jedoch eine ergänzende Vertragsauslegung zu, da die Parteien die spätere Gesetzesänderung bei Vertragsschluss nicht kennen konnten. Klauseln in Altverträgen vor dem 1. Januar 2002 bleiben im Ergebnis daher wirksam.Positiv ist, dass das Bundesarbeitsgericht den Rechtsrahmen zur Zulässigkeit von Freiwilligkeits-, Anrechnungs- und Widerrufsklauseln klargestellt hat. Damit gibt es ein gewisses Maß an Rechtssicherheit und Orientierung für die Gestaltung künftiger Arbeitsverträge.Die Vereinbarung einer Anrechnungsklausel im Zusammenhang mit der Erbringung einer übertariflichen Leistung bleibt auch weiterhin möglich. Gleiches gilt für die Vereinbarung einer formularmäßigen Widerrufsvorbehaltsklausel, sofern die Widerrufsgründe sachlich nachvollziehbar und bereits in der Klausel benannt sind. Dabei kommt es für die Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung von Widerrufsgründen maßgeblich auch auf Art und Zweckbestimmung der Leistungszulage an. Sollen Rechtsansprüche des Arbeitnehmers auf Weitergewährung zusätzlicher Leistungen in der Zukunft von vornherein ausgeschlossen werden, so bietet es sich an, statt eines Widerrufsvorbehalts einen Freiwilligkeitsvorbehalt zu vereinbaren. Möglich ist dies jedoch nur noch bei Sonderzahlungen, nicht bei regelmäßig wiederkehrendem und damit laufendem Arbeitsentgelt. Eines Sachgrundes für die Einstellung der Leistung bedarf es dann nicht. In jedem Fall ist darauf zu achten, dass der unter Vorbehalt gestellte Anteil der Vergütung nicht so gewichtig ist, dass der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses berührt wird.In jedem Fall gibt die neue Rechtsprechung Anlass, bisher benutzte Arbeitsvertragsmuster zu überprüfen und gegebenenfalls abzuändern. Denn auf so manche schon vereinbarte Klausel wird man sich in Zukunft nicht mehr verlassen können. ❙❚■Dr. Timo Didier ist Geschäftsführer des Verbandes des Württembergischen Verkehrsgewerbes und als Rechtsanwalt spezialisiert auf Arbeits- und Logistikrecht.Alles im Blick: Der Platz des Richters in einem Verhandlungssaal des BundesarbeitsgerichtsTippFormulierungsmuster für die VertragsgestaltungWiderrufsvorbehalt bei Treueprämie:Die übertariflich gewährte Treueprämie kann bei Vorliegen wirtschaftlicher Gründe vom Arbeitgeber jederzeit für die Zukunft widerrufen werden.Widerrufsvorbehalt bei übertariflicher Leistungszulage:Die übertariflich gewährte Leistungszulage kann sowohl bei Vorliegen wirtschaftlicher Gründe des Arbeitgebers oder im Rahmen einer Umstrukturierung als auch bei Gründen im Leistungsbereich (Verhalten oder Person) des Mitarbeiters vom Arbeitgeber jederzeit für die Zukunft widerrufen werden.Widerrufsvorbehalt bei Erschwerniszulagen:Zulagen, die für bestimmte Erschwernisse oder Tätigkeiten gewährt werden, können widerrufen werden, wenn die entsprechende Erschwernis oder Tätigkeit für den Mitarbeiter wegfällt. Wichtig: Für die Ausübung des Widerrufsvorbehaltes bedarf es eines besonderen sachlichen Grundes.Anrechnungsvorbehalt bei übertariflicher Leistungszulage:Die übertarifliche Leistungszulage kann auf künftige Tariflohnerhöhungen angerechnet werden.Freiwilligkeitsvorbehalt:Übertarifliche Sonderzahlungen und Gratifikationen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld oder Jubiläumszuwendungen werden freiwillig gewährt und begründen – auch bei wiederholter Gewährung – keinen Rechtsanspruch auf Gewährung für die Zukunft.Wichtig: Die Ausübung des Freiwilligkeitsvorbehaltes bedarf keines sachlichen Grundes. Die Entscheidung zur Einstellung freiwillig gewährter Leistungen darf jedoch nicht offenbar unvernünftig oder willkürlich sein. Ist der Freiwilligkeitsvorbehalt in eine vertragliche Regelung (insbesondere Arbeitsvertrag) eingebunden, empfiehlt es sich, am Ende des Vertrages eine doppelte Schriftformklausel aufzunehmen, die beispielsweise wie folgt lauten kann:Änderungen und Ergänzungen bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für eine Änderung des Schriftformerfordernisses.FreiwilligkeitsvorbehaltKlauseln, nach denen bestimmte Zulagen oder auch Sonderzahlungen freiwillig erfolgen, ohne dass ein Rechtsanspruch für die Zukunft gewährt wird.WiderrufsvorbehaltKlauseln sehen vor, dass Leistungen einseitig vom Arbeitgeber für die Zukunft widerrufen werden können. AnrechnungsvorbehaltKlauseln, nach denen sich der Arbeitgeber bei Zahlung übertariflicher Lohnbestandteile die Anrechnung späterer Tariflohnerhöhungen vorbehält.

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