"Bitte umgehend zahlen!"

"Bitte umgehend zahlen!"Der Druck der Banken auf Transport- und Speditionsbetriebe nimmt zu, die Insolvenzquote vieler Kunden droht dramatisch zu steigen – höchste Zeit, fällige Forderungen schnellstmöglich einzutreiben. Wie Sie Ihr Forderungsmanagement effizient gestalten. Beim Thema Forderungsmanagement zucken viele Transport- und Speditionsunternehmer mit den Schultern. Den meisten reicht zum Beispiel völlig ein eingespieltes Verfahren, wenn nach Überschreiten der Zahlungsziele die fälligen Rechnungsbeträge ihrer Kunden nicht auf dem Konto eintreffen. "Genau 30 Tage nach dem Versandtermin geht die erste Mahnung heraus", erzählt ein bekannter schwäbischer Logistikunternehmer. "Eine Woche später folgt die zweite Mahnung und nach der gleichen Frist die dritte." Sei nach Ablauf der letzten Zahlungsfrist immer noch keine Überweisung eingetroffen, so der Unternehmer, werde abhängig von der Kundenbeziehung entschieden, ob ein Inkassobüro oder der Hausanwalt eingeschaltet wird. Vorher aber findet in jedem Fall ein Gespräch mit dem säumigen Zahler statt. "In fast allen Fällen führt das Kundengespräch zur Lösung", bilanziert der Spediteur – meist seien ganz alltägliche Ursachen wie eine übersehene Mahnung an der nicht eingegangenen Zahlung schuld.Das hört sich gut an und reicht doch häufig nicht: Ist etwa der Kunde tatsächlich zahlungsunfähig, können selbst Inkassobüro, Rechtsanwalt und Gerichtsvollzieher wenig ausrichten. Der Gläubiger, in diesem Fall der Spediteur, muss dann oft auf einen Teil seiner Forderungen verzichten oder geht sogar völlig leer aus – es sei denn, er hat eine Kreditversicherung oder einen Factoringvertrag abgeschlossen. "Wichtig ist deshalb ein Frühwarnsystem, das lange vor Eintreten der Zahlungsunfähigkeit auf mögliche Probleme eines Kunden aufmerksam macht", mahnt Mario Martens, Inhaber der Stuttgarter Unternehmensberatung FM Consulting für modernes Forderungsmanagement (s. Interview auf S. 37). So kündigen sich entsprechende Symptome meist lange im Voraus an, etwa in Form von häufiger Umfirmierung und Eigentümerwechseln. Auch Fahrer, Vertriebsmitarbeiter und andere Angestellte mit regelmäßigen Kundenkontakten können auffällige Veränderungen wie rückläufige Warenströme oder häufige Personalwechsel registrieren. "Häufen sich solche Symptome, sollte der Unternehmer in einem Gespräch mit seinem Pendant die Ursachen klären", rät Martens eindringlich.Verschärfte Kredit-Konditionen Solche Termine könnten sich im kom-menden Jahr häufen. Bricht die Konjunktur ein, schwillt die Zahl der Insolvenzen an – in diesem Punkt wird sich 2009 nicht von anderen Krisenjahren unterscheiden. Im Gegenteil: Vor der "stärksten Zunahme der Firmenpleiten seit 2002" warnte dieser Tage Euler Hermes in Hamburg. Im zu Ende gehenden Jahr 2008 rechnet der Kreditversicherer mit 30.100 Unternehmensinsolvenzen (plus drei Prozent), 2009 werden es vermutlich sogar 33.800 sein (plus 12 Prozent). Vor allem Industrieunternehmen sieht Euler Hermes von der Pleitewelle bedroht. Während 2008 die Zahl der Insolvenzen im verarbeitenden Gewerbe um fünf Prozent zurückging, wird sie 2009 vermutlich um rund 30 Prozent nach oben schießen. Damit steigt auch das Ausfallrisiko für mittelständische Transport- und Logistikunternehmen, die industrielle Auftraggeber mit Lieferantenkrediten stützen. "Jetzt ist ein gutes Forderungsmanagement wichtiger denn je", mahnt auch Gerd-Uwe Baden, Vorstandsvorsitzender von Euler Hermes.Wer nicht regelmäßig die Zahlungsmoral seiner Kunden unter die Lupe nimmt, weiterhin eine Vorleistung nach der anderen erbringt und trotzdem sein Geld verspätet und überhaupt nicht bekommt, ist stärker als in früheren Flautejahren selbst von der Insolvenz bedroht. Als Folge der Finanzkrise gewähren zum Beispiel viele Banken auch langjährigen Geschäftskunden Darlehen nur mit verschärften Konditionen und zusätzlichen Sicherheiten oder stellen ihre Kreditlinien völlig ein. Auch Kontokorrentkredite, die nur die kurzfristige Zahlungsfähigkeit gewährleisten, stehen auf einmal zur Disposition. So weiß der Dortmunder Banken- und Finanzexperte Michael Vetter, der mehrere mittelständische Logistikunternehmen als Kunden hat, von etlichen Kontokorrentkreditkündigungen, in denen die Spediteure gerade mal vier Wochen Zeit für die Begleichung des entstandenen Solls inklusive der Effektivzinsen hatten. "Solche Maßnahmen werden nur als letztes Mittel ergriffen", warnt der Branchenkenner, der selbst lange Jahre in einer Bank gearbeitet hat. "Wer jetzt nicht Strategien für das Eintreiben von Außenständen entwickelt, riskiert die Existenz seines Unternehmens."Warnsignale, die aufhorchen lassen Häufen sich trotz aller Warnzeichen plötzlich die unbezahlten Rechnungen, ist Härte und Flexibilität zugleich angesagt. "Der Unternehmer sollte sein Vorgehen vom Einzelfall abhängig machen", rät Harald Wenker, Geschäftsführer der RKW Bayern e.V. Kompetenzzentrum in München. "Ein Stammkunde muss natürlich anders behandelt werden als ein einmaliger Auftraggeber." Oft hilft schon ein Griff zum Telefon. Im direkten Gespräch mit ihrem Gegenüber können Unternehmer und Geschäftsführer sich schon einmal auf besondere Konditionen wie Ratenzahlungen oder Skonti einigen – eine Möglichkeit, die nach Meinung von Experten viel zu wenig genutzt wird. Auch notariell beglaubigte Schuldanerkenntnisse können ein Ausweg sein, wenn ein Stammkunde hohe Forderungen nicht sofort begleichen kann. Sind solche Papiere dann noch mit Bürgschaften und anderen Sicherheiten unterlegt, kann der Gläubiger sich auf einen späteren Zahlungseingang fast 100-prozentig verlassen. Voraussetzung ist natürlich ein funktionierender Cashflow mit anderen Kunden.Hartnäckigkeit ist allesFruchten solche Maßnahmen nichts, muss das marktübliche Mahnverfahren gestartet werden. Bei bislang guten Kunden sollte dies individuell formuliert und persönlich unterschrieben werden – bei einmaligen Kunden genügen standardisierte Mahnschreiben mit angedrohten Zwangsmitteln. Die sofortige Bezahlung mit ausgefülltem Überweisungsformular erleichtern, vor gerichtlichen oder außergerichtlichen Mahnverfahren in jedem Fall nochmals mit dem Gläubiger sprechen – auch diese Punkte sollten auf der Checkliste jedes Forderungsmanagements stehen. Und steht nach Ablauf der letzten Frist die Zahlung immer noch aus, müssen die angedrohten Zwangsmittel in jedem Fall eingeleitet werden – andernfalls nimmt der Schuldner künftige Mahnschreiben nicht ernst. Hartnäckigkeit ist gefragt: Können Anwälte und Inkassobüros die Forderung wegen offensichtlicher Zahlungsunfähigkeit des Kunden nicht außergerichtlich durchsetzen, müssen auch sie die Gerichte einschalten. Und dann kann sich die Begleichung über Wochen und Monate hinziehen – der Kunde kann schließlich gegen jeden Mahnbescheid innerhalb von zwei Wochen Widerspruch einlegen und eine gerichtliche Verhandlung erzwingen. Ein Trost: Kommt es wegen eines Mahnbescheids oder einer Gerichtsverhandlung zum Vollstreckungsbefehl, verjährt dieser erst in 30 Jahren. Bei zahlungsunfähigen Kunden kann der Gläubiger also hoffen, dass er bei veränderter Liquiditätssituation doch noch zu seinem Geld kommt. Natürlich kann ein Spediteur, der nicht auf unbezahlten Rechnungen sitzen bleiben will, auch gleich beim zuständigen Amtsgericht oder Mahngericht einen Mahnbescheid (entsprechende Vordrucke gibt es in fast jedem Schreibwarengeschäft) beantragen oder Klage auf Vollstreckung einreichen. Er sollte diesen Weg aber erst gehen, wenn Bonitätsschwierigkeiten des Kunden von vornherein bekannt sind und ein Inkassobüro die Forderung aller Wahrscheinlichkeit nach nicht eintreiben kann, rät Wenker. "Inkassobüros arbeiten in der Regel sehr effektiv", weiß er. "Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde auf ihre Intervention hin zahlt, steigt um 30 bis 40 Prozent." Allerdings muss der Leumund eines solchen Dienstleisters über jeden Zweifel erhaben sein. Denn schillernde Firmen wie Moskau Team, die mit mar-tialischem Auftreten Schuldner einschüchterten, haben dem Image der Branche geschadet. Mittlerweile ist vielen solcher Firmen die Ankündigung oder auch Vollstreckung von Inkassoleistungen gerichtlich untersagt worden. "Jeder Interessent sollte daher prüfen, ob das Inkassobüro registriert ist und sich Referenzkunden nennen lassen", rät Wolfgang Spitz, Präsident des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) in Berlin.Auch der Anwalt ist eine OptionAnsonsten macht die Einschaltung eines solchen Dienstleisters dem Schuldner klar, dass der Gläubiger es ernst meint und eine weitere Verzögerung der Bezahlung nicht hinnehmen wird. Mit der Einschaltung eines Inkassobüros verzichtet er allerdings auf eigene Anstrengungen zur Einziehung. Entsprechende Vorstöße können nur nach Absprache unternommen werden. Und er muss unabhängig vom Inkassoerfolg Gebühren und Auslagen des Inkassobüros zahlen. Kann die Forderung eingetrieben werden, fällt zusätzlich eine Erfolgsprovision von rund einem Prozent an. In aussichtslosen Fällen sollte ein Unternehmer daher lieber gleich selbst oder über einen Anwalt die Gerichte einschalten, empfehlen Experten. "Dem schlechten Geld darf nicht noch gutes Geld hinterhergeworfen werden", sagt Wenker. ❙❚■ Stefan BottlerWer 2009 nicht mit leeren Händen dastehen, sondern liquide bleiben will, braucht ein effizientes Forderungsmanagement Ausstehende Forderungen steigen schnell in horrende Höhen"Häufig fallen Unternehmer aus allen Wolken"Wer Forderungsausfälle vermeiden will, sollte sowohl seine Alt- als auch Neukunden regelmäßig überprüfen, sagt Mario Martens, Inhaber von FM Consulting für modernes Forderungsmanagement. Warum merken zahlreiche Unternehmen viel zu spät, dass wichtige Kunden in die Insolvenz schlittern? Mario Martens: Ein Grund ist sicher die unterschiedliche Behandlung von Alt- und Neukunden. Während für Letztere in der Regel eine Bonitäts- oder wenigstens Wirt-schaftsauskunft eingeholt wird, bleiben langjährige Auftraggeber völlig ungeprüft und profitieren von großzügigen Lieferanten-kreditkonditionen. Wenn das interne Mahnwesen erstmals Alarm schlägt, fällt der Unternehmer häufig aus allen Wolken.Woran kann er frühzeitig erkennen, dass mit seinem Großkunden etwas nicht stimmt? Wenn er schlecht erreichbar ist, sich ständig verleugnen lässt oder sich in Ausreden flüchtet, ist es häufig schon zu spät. Weil er in der Regel weitere Außenstände hat, können Anwälte und Inkassobüros dann nur wenig erreichen. Oft kündigt sich jedoch eine Zah-lungsunfähigkeit mit ständigen Umfirmierungen oder Eigentümerwechseln an: Gehört das Unternehmen plötzlich der Ehefrau, ist Vorsicht angesagt. In vielen Fällen kommen auch Mitarbeiter mit häufigem Kundenkontakt durch auffällige Veränderungen wie dauerhaft verringerte LKW-Verkehren Problemen auf die Spur. Welche Fehler werden bei Neukunden immer wieder gemacht? Viele wichtige Daten werden bei der Geschäftsaufnahme nicht oder nur unvollständig erfasst. Vor allem bei telefonischen Kontaktaufnahmen ist Vorsicht angesagt: Vor der endgültigen Zusage muss immer ermittelt werden, welche Rechtsform das Unternehmen hat und welcher Mitarbeiter für Auftragserteilung und Rechnungsempfang verantwortlich ist. Bei größeren Aufträ-gen sollte der Verkehrsunternehmer auf Vorkasse von 50 Prozent bestehen – ein wirklich solventer Kunde wird für solche Forderungen Verständnis haben.Was tun, wenn auf Veranlassung eines insolventen Auftraggebers viel Geld in die Zusammenarbeit mit weiteren Dienstleistern gesteckt wurde? Der Unternehmer sollte sich sofort mit diesen in Verbindung setzen und sein weiteres Vorgehen mit diesen abstimmen – auch die Partner sind schließlich von Zahlungsausfällen bedroht. botInterviewSo kommen Sie an Ihr GeldInformieren Sie sich bei Creditreform und anderen Auskunfteien zumindest einmal im Jahr auch über langjährige Stammkunden.Mitarbeiter mit regelmäßigem Kundenkontakt sollten Ihnen über auffällige Änderungen vor allem bei Stammkunden berichten. Sprechen Sie diese gegebenenfalls darauf an.Erstellen Sie sich einen Fristenkatalog, wann Mahnungen zu verschicken und Inkassobetriebe oder Rechtsanwälte einzuschalten sind.Holen Sie Angebote von Kreditversicherern und Factoring-Anbietern ein und machen Sie einen Abschluss davon abhängig, dass möglichst alle Geschäftsbeziehungen erfasst sind. Fordern Sie umgehend Bonitätsnachweise von den Kunden an, die die Finanzdienstleister partout nicht berücksichtigen wollen. Schlagen Sie Stammkunden mit Zahlungsschwierigkeiten bessere Konditionen vor: Gegen verkürzte Lieferantenkreditfristen oder vorzeitige Abschlagszahlungen können Skonti oder Ratenzahlungen gewährt werden.Sprechen Sie nach Ablauf aller Mahnfristen und vor Inkassobüro-Einschaltung nochmals mit dem Kunden. Prüfen Sie, ob das Inkassobüro beim zuständigen Gericht registriert ist (www.rechtsdienstleistungsregister.de). ExpertenTipps

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