Bewertungsportale

BewertungsportaleNoten für den ChefImmer mehr Transport- und Logistikunternehmen werden auf Bewertungsportalen beurteilt. Das wirkt sich nicht nur auf die Bewerberzahlen, sondern auch auf das Image aus. Was erlaubt ist und wie Unternehmen sich wehren können. Selbst denken ist nicht erwünscht, es gilt nur eine Meinung, nämlich die der Geschäftsleitung“, schreibt ein Angestellter einer Spedition aus der Nähe von Berlin auf dem Arbeitgeber-Bewertungsportal kununu.com. Einzig gut sei der Zusammenhalt in der Abteilung. Die Abteilungen untereinander seien sich aber spinnefeind. 16 Erfahrungsberichte sind für dieses Unternehmen auf Kununu zu finden, 14 davon haben Mitarbeiter geschrieben, zwei stammen von Bewerbern. Das Bild, das sich vom Betriebsklima zeichnet, ist alles andere als gut. Insgesamt hat die Spedition eine Bewertung von 1,46 auf einer Skala von fünf möglichen Punkten erhalten. Macht nichts, liest ja ohnehin niemand? Von wegen: 8663 Mal wurde die Bewertung angeklickt! Jeder vierte User liest Bewertungen Können sich Transport- und Logistikunternehmen Benotungen wie diese angesichts des Fachkräftemangels noch leisten? „Jeder vierte Internetnutzer liest regelmäßig solche Bewertungen“, erklärt Tamara Katja Frast, PR und Social-Media-Managerin bei Kununu. 70 Prozent ließen sich dadurch in ihrer Jobentscheidung beeinflussen, sagt Frast mit Verweis auf eine Bitkom-Studie vom Mai 2013. Kununu, gegründet 2007, ist mit fast 143.000 bewerteten Unternehmen Marktführer. Um hier freigeschaltet zu werden, muss eine Beurteilung den internen Bewertungsrichtlinien entsprechen. „Schmähkritik und unwahre Tatsachenbehauptungen sind verboten“, erklärt Frast. Dampfablassen oder persönliche Rachefeldzüge akzeptiert das Portal deshalb nicht. Gibt es viele sachlich formulierte, schlechte Bewertungen, deute das allerdings darauf hin, dass in dem Unternehmen etwas im Argen liegt. Was dabei erlaubt ist und was nicht, gleicht oft einer Gratwanderung. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wann ein Unternehmen vom Portalbetreiber verlangen kann, eine Bewertung zu löschen. „Verbieten kann ein Unternehmen in jedem Fall unwahre Tatsachenbehauptungen“, erklärt Cornelius Renner, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz in Berlin und Lehrbeauftragter an der Humboldt-Universität. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Mitarbeiter behauptet, eine Spedition arbeite für die Rüstungsindustrie – obwohl das nachweislich nicht stimmt. Meinungsäußerungen sind zulässig „Meinungsäußerungen sind dagegen erst einmal zulässig“, erklärt der Anwalt. Die Wertung, das Betriebsklima sei nicht gut, ist daher in Ordnung. Die Grenze sei laut Renner allerdings dort erreicht, wo es nicht mehr um eine Auseinandersetzung in der Sache, sondern um Schmähkritik oder Beleidigung geht. „Speckrolle“ geht daher gar nicht. Nachweisliche Wahrheiten dürfen Nutzer zwar verbreiten. Doch auch hier gibt es Grenzen. „Die Intimsphäre einer Person ist komplett tabu“, betont der Experte. „Bei Äußerungen zur Privatsphäre muss immer eine Abwägung erfolgen, ob ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht.“ Das könne bei Prominenten manchmal bejaht werden, bei Geschäftsführern oder Personalleitern eher nicht. Und wie beurteilt man vor diesem Hintergrund die Äußerung „der Chef bezahlt seine Fahrer schlecht, fährt aber selbst einen Porsche“? Renner hält sie noch für zulässig. Sie zeigt aber auch, dass die Abgrenzung zwischen Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen manchmal schwierig ist. „Denn auch Werturteile könnten einen Tatsachenkern enthalten“, sagt der Medienrechtsexperte. „Hier wird schlecht bezahlt“ sei etwa so ein Grenzfall oder „Der Chef ist cholerisch“. Portalbetreiber hat keine Prüfpflicht Müssen Portalbetreiber all diese juristischen Überlegungen anstellen, bevor sie eine Bewertung freischalten? „Nein“, sagt der Anwalt, „der Portalbetreiber hat erst einmal keine Prüfungspflicht.“ Wird er jedoch auf eine Rechtsverletzung hingewiesen, müsse er die Äußerung herausnehmen. Der Bundesgerichtshof hat festgelegt, wie das Prozedere in der Praxis abläuft. Renner erklärt: „Zunächst schreibt das Unternehmen den Portalbetreiber an. Der wendet sich an den Autor und bittet um eine Stellungnahme. Reagiert der Autor nicht, entfernt der Portalbetreiber die Wertung. Kann der Autor seine Äußerungen dagegen belegen, bleiben sie zunächst im Netz. Der Portalbetreiber leitet die Stellungnahme des Autors an das Unternehmen weiter. Das kann dann wiederum Stellung nehmen und so weiter.“ Seine Erfahrung zeigt, dass Portalbetreiber eher dazu tendieren, stark umstrittene Äußerungen zu entfernen. Und: „Bei diesem Ping-Pong-Spiel verzichtet häufig der Arbeitnehmer darauf, weiter nachzulegen.“ „Unternehmen sollten daher zunächst den Plattformbetreiber anschreiben, auf die Rechtswidrigkeit der Äußerung hinweisen und deren Entfernung verlangen“, erklärt Rechtsanwalt Thomas Jakubczyk von der Anwaltskanzlei Böhm in Berlin. Den Betreiber gleich kostenpflichtig abzumahnen, ginge dagegen nicht. „Das darf man erst im zweiten Schritt, wenn der Plattformbetreiber den Beitrag nicht löscht.“ Sollte dies nicht fruchten, kann der Verletzte auf Unterlassung klagen. „Diesen Anspruch setzt man im einstweiligen Verfahren durch. Auf diese Weise kommt man etwa innerhalb von zwei Wochen zu einem vollstreckbaren Titel“, erklärt der auf Urheber- und Medienrecht spezialisierte Anwalt. Spätestens dann wird der Portalbetreiber die rechtswidrige Bewertung entfernen. Ordnungsgeld und Ordnungshaft seien zwar theoretisch möglich, kämen aber praktisch nicht vor, so der Experte. Daneben kann ein betroffenes Unternehmen auch Schadensersatz geltend machen. Jakubczyk: „Die Schwierigkeit liegt hier allerdings darin, einen Schaden konkret nachzuweisen. Das dürfte kaum möglich sein.“ Ansprüche bestehen jedoch nicht nur gegen den Portalbetreiber, sondern auch gegen den Verletzer, also den Autor. „Von ihm können Unterlassung und Widerruf verlangt, Schadensersatz und eine Geldentschädigung geltend gemacht werden, Letzteres allerdings nur, wenn eine natürliche Person – wie der Personalleiter – betroffen ist“, sagt Jakubczyk. „Das Problem ist allerdings: Man weiß in der Regel nicht, wer der Autor ist.“ Denn anders als landläufig vermutet, muss ein Portalbetreiber keine Namen nennen. „Die herrschende Rechtsprechung lehnt einen solchen Anspruch ab“, sagt der Anwalt. Geschädigte sollten daher Strafanzeige erstatten, rät Jakubczyk. Dann ermittle die Staatsanwaltschaft. Über diesen Umweg könne man manchmal an den Namen des Verletzers kommen. Firma kann Mitarbeiter abmahnen Dann stehen arbeitsrechtliche Sanktionen im Raum. „Liegt eine Pflichtverletzung vor wie eine Beleidigung oder ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht, kann der Arbeitgeber den Mitarbeiter abmahnen“, erklärt Jens Klarmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kieler Kanzlei Passau, Niemeyer und Collegen. „In besonders gravierenden Fällen ist auch eine fristlose Kündigung denkbar“, sagt er. Da es sich dabei um eine verhaltensbedingte Kündigung handele, müsse in der Regel zuvor abgemahnt werden. In Einzelfällen kann auch der begründete Verdacht einer Straftat für eine Kündigung ausreichen. Etwa dann, wenn jemand über vertrauliche Details berichtet, die nur er oder ein weiterer Kollege wissen kann. „Eine Verdachtskündigung setzt allerdings voraus, dass der oder die betreffenden Mitarbeiter zuvor angehört werden“, so der Arbeitsrechtsexperte. Bestünde ein dringender Tatverdacht, dürfe der Arbeitgeber in diesen seltenen Fällen den oder die Verdächtigen aufgrund des zerstörten Vertrauensverhältnisses entlassen. Dass Arbeitgeberbewertungen aber auch positiv laufen können, zeigt Marktführer Kununu mit dem Gütesiegel „Top-Company“. Dieses wird an Unternehmen verliehen, die mindestens sechs Bewertungen mit durchschnittlich drei von fünf möglichen Punkten vorweisen können. Auch Transport- und Logistikunternehmen sind hier vertreten, darunter nicht nur große wie Kühne + Nagel, sondern auch Mittelstandsunternehmen wie Andreas Schmid Logistik aus Gersthofen oder die Seifert Logistics Group aus Ulm. ❙❚■ Ina Reinsch, freie Journalistin Social-Media-Marketing Wie Unternehmen Bewertungsportale zu ihrem Vorteil nutzen könnenPortale wie kununu.com, meinchef.de oder jobvote.de werden keineswegs nur von Arbeitssuchenden genutzt. „Auch Kunden, Geschäftspartner oder Mitbewerber können hier ganz schnell ausloten, wo der Schuh drückt“, erklärt Tamara Katja Frast, PR und Social-Media-Manager bei Kununu. Ist ein Unternehmen erst einmal bewertet, ist es im Internet auffindbar – bei Google zum Teil noch vor der eigenen Firmenhomepage. Deshalb kontrollieren und gestalten immer mehr Unternehmen ihr Image im Netz. Einige Portale ermöglichen es, ein eigenes Unternehmensprofil zu erstellen. Auf diese Weise lernen Interessenten beide Seiten kennen: die Sicht der Mitarbeiter und die des Arbeitgebers. Gerade für kleine und mittelständische Betriebe mit geringem Budget ist dies eine kostengünstige Möglichkeit, sich positiv darzustellen. Doch auch der Umgang mit Kritik sagt viel über die Firmenkultur aus. Rechtliche Schritte sind nicht immer der ideale Weg, das lenkt vielfach noch mehr Aufmerksamkeit auf das Unternehmen. Daher ist es manchmal sinnvoller, eine eigene Stellungnahme unter eine Bewertung zu setzen. „Ein Kommentar wie ‚Danke für die Bewertung, wir arbeiten daran‘ wirkt extrem wertschätzend“, sagt Frast. irUnternehmen können verlangen, dass unwahre Tatsachenbehauptungen gelöscht werden

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