Betriebliches Eingliederungsmanagement

Betriebliches EingliederungsmanagementWege aus der FehlzeitLangzeiterkrankte Mitarbeiter können Arbeitgeber teuer zu stehen kommen. Betriebliches Eingliederungsmanagement soll diejenigen, die oft ausfallen, wieder fit für den Job machen. Schon wieder diese Rückengeschichte. LKW-Fahrer Max A. hat sich vom Dienst abgemeldet. Es ist nicht seine erste Krankschreibung in diesem Jahr. Insgesamt fehlte er fast zwei der vergangenen Monate. Kein Wunder also, dass sein Chef bereits über eine personenbedingte, auf Krankheit gestützte Kündigung nachdenkt. Doch es gibt eine effektivere Methode, die Abhilfe schafft.Seit acht Jahren existiert ein gesetzlich geregeltes Instrument für derartige Ausfälle von Arbeitnehmern wegen längerfristiger Erkrankungen: Das betriebliche Eingliederungsmanagement – kurz BEM. Gesetzlich verankert ist es in Paragraf 84 im Neunten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX). Gesundheit der Mitarbeiter schützenBeim BEM geht es im weitesten Sinne um den Schutz der Gesundheit der Belegschaft. Dabei soll der Arbeitgeber bei Mitarbeitern, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt sind, die Wiedereingliederung gemeinsam mit dem Beschäftigten und geeigneten Gremien planen. Es ist aber nicht ins Belieben des Arbeitgebers gestellt, ob er dieses Verfahren durchführt, sondern es handelt sich um ein zwingend anzustoßendes Prozedere. BEM ist unabhängig von der Größe des Unternehmens, gilt also auch für mittlere oder Kleinbetriebe (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17. 11. 2005, Az.: 4 Sa 328/05). Ohne die Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers geht jedoch nichts. Die Maßnahme kann also nicht gegen dessen Willen durchgesetzt werden.Was bezweckt ein solches Gesundheitsmanagement im Einzelnen? Der Gesetzgeber hat dem Arbeitgeber auferlegt, sich bei wiederholter oder längerer Arbeitsunfähigkeit eines Beschäftigten darum zu kümmern, welche Ursachen die Arbeitsunfähigkeit hat und welche Möglichkeiten denkbar sind, die Gesundheit und damit die Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters wiederherzustellen. Ein erfolgreiches BEM hat für den Arbeitgeber viele Vorteile. Insbesondere reduziert es Arbeitsunfähigkeitszeiten und damit Lohnfortzahlungskosten. Außerdem ermöglicht es, erfahrene und langjährige Mitarbeiter dem Unternehmen zu erhalten.Voraussetzung ist, dass ein Mitarbeiter mehrfach oder langfristig mindestens sechs Wochen innerhalb von zwölf Monaten (unabhängig vom Kalenderjahr) arbeitsunfähig war. Unerheblich ist im Übrigen, ob die Fehlzeiten ihre Ursache stets in derselben Erkrankung hatten oder ob unterschiedliche Krankheiten vorlagen.Den Ablauf des betrieblichen Eingliederungsmanagements beeinflusst der Chef selbst. Denn er initiiert das Verfahren. In dem eingangs beschriebenen Fall von Max A. könnte das in etwa wie folgt ablaufen: Sofern eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechs Wochen innerhalb der vergangenen zwölf Monate vorliegt, lädt der Arbeitgeber den Betreffenden am besten schriftlich unter Darlegung, was das BEM bezweckt, zu einem Erstgespräch ein. Lehnt der Mitarbeiter ein solches kategorisch ab, so endet das BEM-Verfahren bereits an dieser Stelle. Man ist in diesem Fall als Arbeitgeber zu keinen weiteren Maßnahmen verpflichtet. Ist der Mitarbeiter allerdings bereit, das Verfahren mitzumachen, folgt in der Regel ein erstes Informationsgespräch, gegebenenfalls im Beisein des Betriebsrats oder bei Schwerbehinderung der Schwerbehindertenvertretung. Sinnvoll kann es sein, den Betriebsarzt hinzuzuziehen, falls es einen im Unternehmen gibt. In diesem Gespräch sollen alle Umstände der Erkrankungen erforscht und vor allem Möglichkeiten der Abhilfe erörtert werden.Gesetz macht keine genauen VorgabenBei Max A. könnte das BEM zum Beispiel darauf hinauslaufen, dass man einen Orthopäden hinzuzieht sowie den Zusammenhang zwischen der Rückenerkrankung und der Sitzarchitektur im LKW untersucht, um hier gegebenenfalls durch orthopädische Gerätschaften eine Verbesserung herbeizuführen. Auch könnte der Besuch einer intensiven Rückenschule als Lösung im Rahmen des BEM erörtert werden. Entschließt sich der Mitarbeiter, solche Maßnahmen durchzuführen, ist nach deren Ende zu prüfen, wie wirksam sie gewesen sind und ob sie zum gewünschten Erfolg geführt haben. Weil das Gesetz keine detaillierten Vorgaben macht, hängt es vom Einzelfall ab, welche beratenden Personen in das BEM miteinzubeziehen sind und welche Maßnahmen möglich sind. So ist bei einem orthopädischen Leiden wie im vorliegenden Fall sicherlich eine andere Vorgehensweise angezeigt als etwa bei alkoholbedingten Ausfallzeiten des Arbeitnehmers. Wer von vornherein Abstand vom BEM nimmt, weil es zu kompliziert erscheint, der muss mit durchaus nachteiligen Konsequenzen rechnen. Denn sollte sich der Arbeitnehmer später per personenbedingter Kündigung (wegen Krankheit) von einem Mitarbeiter trennen wollen, hat der Chef im Arbeitsgerichtsprozess ein Problem: Er kann sich nicht darauf berufen, dass ihm keine alternativen, der Erkrankung angemessenen Einsatzmöglichkeiten im Betrieb bekannt sind.Richter erkennen Kündigung nicht anTeilweise wird von den Arbeitsgerichten eine krankheitsbedingte Kündigung ohne vorheriges BEM-Verfahren für unverhältnismäßig und damit unberechtigt angesehen. Denn vor einer krankheitsbedingten Kündigung hätten Chefs alle zumutbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, den Arbeitsplatz leidensgerecht auszugestalten, so die Richter. Das Unterlassen des BEM deute darauf hin, dass diese Bemühungen nicht in erforderlichem Umfang erfolgt seien (LAG Hamm, Urteil vom 24.01.2007, Az.: 2 Sa 991/06). Das Landesarbeitsgericht Berlin (Urteil vom 27.10.2005, Az.: 10 Sa 783/05) ging sogar so weit, bei einer krankheitsbedingten Kündigung ohne BEM zunächst zu unterstellen, dass eine Kündigung unwirksam ist, weil sie als letztes Mittel ohne den vorherigen Versuch einer Wiedereingliederung ausgesprochen wurde.Während der Durchführung von BEM-Maßnahmen, etwa einer mehrwöchigen Kur, ruht das Arbeitsverhältnis. Das hat zur Folge, dass der Arbeitgeber kein Arbeitsentgelt zu bezahlen hat; der Arbeitnehmer erhält Leistungen vom jeweiligen Träger der Rehabilitationsmaßnahme. Der Zeitraum der Wiedereingliederung ist bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs miteinzubeziehen, da es insoweit nur auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ankommt. Während der Durchführung von Wiedereingliederungsmaßnahmen kann ein Urlaubsanspruch nicht geltend gemacht werden, da der Arbeitgeber wegen des Ruhens der Hauptleistungspflichten (Entgeltzahlung/Arbeitsleistung) den Arbeitnehmer von seiner Arbeitspflicht nicht befreien kann (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.04.1994, Az.: 9 AZR 462/92). ❙❚■ Klaus Krohn, freier JournalistDurch betriebliches Eingliederungsmanagement lassen sich Fehlzeiten von Mitarbeitern reduzierenBetriebliches EingliederungsmanagementDas betriebliche Eingliederungsmanagement bietet in vielen Fällen eine realistische Chance, krankheitsbedingte Ausfallzeiten künftig zu reduzieren oder sogar zu vermeiden. Unterstützung bei der Durchführung des BEM leisten insbesondere auch Handwerkskammern und Innungen sowie Servicestellen der Rehabilitationsträger. kkFazitDas Unterlassen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements führt laut dem Bundesarbeitsgericht nicht ohne Weiteres zur Unwirksamkeit der krankheitsbedingten Kündigung. Allerdings kann sich der Arbeitgeber nicht pauschal darauf berufen, dass ihm keine alternativen leidensgerechten Einsatzmöglichkeiten des Arbeitnehmers bekannt seien. Vielmehr muss der Arbeitgeber beweisen, dass ein der Erkrankung angemessener Arbeitsplatz nicht zur Verfügung steht und nicht geschaffen werden kann.Urteil vom 12.07.2007Aktenzeichen: 2 AZR 716/06Das betriebliche Eingliederungsmanagement hat kündigungsschutzrechtliche Bedeutung. Unterlässt es der Arbeitgeber, vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung ein an sich gebotenes betriebliches Wiedereingliederungsmanagement durchzuführen, so kann dies die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge haben.Urteil vom 24.01.2007Aktenzeichen: 2 Sa 991/06

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