Ausbildung

AusbildungRan an den NachwuchsVorbei sind die Zeiten, da sich Transport- und Speditionsbetriebe, die Ausbildung anboten, vor Bewerbungen nicht mehr retten konnten. Jetzt gilt es, sich für Auszubildende attraktiv zu machen. Wie Arbeitgeber junge Leute für ihr Unternehmen begeistern können. Sie sind noch nicht lang her, die Zeiten, da der Postbote ächzte, wenn er bei Transport- und Speditionsunternehmen vorfuhr und wieder einen Stapel Bewerbungsschreiben für Ausbildungsstellen abgab. Langsam, aber sicher nimmt die Zahl der Interessenten ab – und die Logistikbranche kämpft damit, bei vielen potenziellen Azubis neben Banken und Industrie nicht erste Wahl zu sein. Mancherorts versiegt der Strom der Interessenten sogar völlig. Selbst Ausbildungsunternehmen mit bestem Ruf wie Hellmann Worldwide Logistics in Osnabrück bekommen das zu spüren: „Im Moment haben wir auf Basis der Bewerberzahlen eigentlich einen guten Stand“, berichtet Claudio Gerring, Personalleiter Deutschland der Osnabrücker Spedition. Allerdings sei „das Thema Recruiting nicht mehr so einfach wie in der Vergangenheit“ – und zum Beispiel im Raum Hannover „tun wir uns schon ein bisschen schwer bei der Suche nach geeigneten Auszubildenden“, weiß Gerring.Die Gründe für die Probleme, gute Auszubildende zu bekommen, liegen für Fachleute auf der Hand: Zum einen schlägt der demografische Wandel zu. „Er macht sich schneller und stärker bemerkbar, als erwartet“, sagt Hubert Schöffmann, stellvertretender Geschäftsführer der IHK München und Oberbayern und dort für das Thema Ausbildung zuständig. Zum anderen sinkt die Qualität der Bewerber weiter. „Allein in Bayern verlassen 9000 Schüler die Schule ohne Abschluss“, weiß Schöffmann. „Dazu kommen noch 20 Prozent der Absolventen, die nicht fit sind für eine Ausbildung – ob schulisch, persönlich oder sozial.“ In solchen Zeiten gewinnt „Azubi-Marketing“ an Stellenwert. Das Unternehmen muss in der Öffentlichkeit und bei den potenziellen Kandidaten für Lehrstellen bekannt sein, um die Besten von ihnen anzuziehen. Die Liste der möglichen Aktivitäten ist lang. Sie reicht vom Besuch von Ausbildungsmessen bis zu einer auch für Jugendliche ansprechenden Internetpräsenz (s. nebenst. Kasten). Allerdings warnt Elke Schneider, beim Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) in Bonn für berufliche Bildung zuständig, Mittelständler vor zu viel Hoffnung auf Ausbildungsmessen: „Das sind Materialschlachten, da können die wenigsten mittelständischen Betriebe mithalten.“ Sie empfiehlt daher eher, „Schulpartnerschaften aufzubauen und kontinuierlichen Kontakt zu pflegen. Da bieten sich Praktika, Schulbesichtigungen oder Bewerbungstrainings an.“ Damit hat auch Hellmann in den letzten Jahren gute Erfahrungen gemacht. „Wir haben fast an jedem unserer großen Standorte feste Schulkooperationen“, erzählt Deutschland-Personalchef Gerring. „Da gehen wir über die Lehrer und sagen etwas zum Thema Ausbildung.“ Bei Hermes Europe in Hamburg setzt man dagegen laut Einar Ninnemann, Bereichsleiter Human Resources, stark auf die Handelskammern und Argen. „Man kann schon viel verschenken, wenn man die nicht nutzt.“ Leitbild zum Thema Ausbildung schaffenDarüber hinaus müssen Firmen in die Qualität der Ausbildung investieren und diese Qualität auch nach außen vermarkten. „Wir machen das schon immer – so eine Haltung funktioniert nicht mehr“, betont Hubert Schöffmann von der IHK München und Oberbayern. „Das Unternehmen muss ein Leitbild zum Thema Ausbildung haben – und das auch klar und deutlich nach außen kommunizieren.“ Natürlich ist es für potenzielle Auszubildende von Interesse, welche Rolle der Nachwuchs im Unternehmen spielt, wie viel Raum es gibt, um sich zusätzliche Fähigkeiten zum Beispiel über Weiterbildungskurse anzueignen, und ob die Azubis im Unternehmen eine Zukunft haben.Logistikdienstleister Dachser in Kempten macht das seit Jahren vor – und begrüßt die neuen Azubis nach Angaben von Thomas Schulz, Bereichsleiter Corporate Human Resources, nicht nur jährlich mit einem eigenen Event zum Kennenlernen, sondern bietet auch unterstützende Leistungen wie Nachhilfe, Vorbereitungsschulungen, Englischkurse und sogar Kniggekurse an. Bekannt gemacht wird dieses Konzept über alle nur erdenklichen Kanäle – auch über eine eigene Homepage für Interessenten an einer Ausbildung im Logistikbereich. „Man kann hier auch die Mitarbeiter einspannen“, sagt IHK-Mann Schöffmann. „Ehemalige Auszubildende sind oft sehr gute Fürsprecher.“ Damit hat auch Hermes Europe gute Erfahrungen gemacht: „Bei jeder Personalversammlung betonen wir, dass die Mitarbeiter im Bekanntenkreis Nachwuchs werben sollen“, sagt Einar Ninnemann von Hermes. Viele große Unternehmen spielen die Klaviatur der Azubisuche zwar schon mit hoher Perfektion. Doch kleine und mittlere Betriebe müssen deswegen nicht den Kopf in den Sand stecken. Zum einen hat nach Ansicht von Hubert Schöffmann „die kleinere Firma auch die Chance, auf die verborgenen Talente von Bewerbern zu schauen, die nicht so gute Schulnoten haben und aufgrund eines festgelegten Rasters bei den Größeren rausfallen.“ Zum anderen gelte es, die Vorteile eines kleineren Betriebes herauszustreichen, wo „Auszubildende von Anfang an komplett in die Prozesse integriert werden, was viele reizt.“Fazit: Der Aufwand, den Transport- und Speditionsbetriebe in den nächsten Jahren treiben müssen, um an gute Auszubildende zu kommen, wird größer sein als bisher. „Besser wird es wohl nicht“, sagt auch Lothar Krenge, Geschäftsführer der Krefelder Spedition Bönders achselzuckend (siehe Kasten rechts). Und eine letzte Galgenfrist verstreicht auch bald: „Nächstes und übernächstes Jahr haben wir wegen der Einführung des 12-klassigen Gymnasiums vermehrt Schulabsolventen“, schätzt Gerring von Hellmann. „Aber das wird uns im Jahr danach wieder einholen.“ Doch der Aufwand lohnt sich. Schließlich ist es eine Binsenweisheit, dass gerade in der Logistik das Personal den Unterschied macht. ❙❚■ Florian Beck, freier JournalistMasse ist nicht gleich Klasse: Qualifizierte Auszubildende sind für Betriebe oft schwer zu findenAusbildungWie ein Unternehmen bei Azubis punkten kannWie Arbeitgeber dank gezieltem „Employer-Branding“ ihr Unternehmen für Bewerber attraktiv machen, sagt Peter H. Voß, Geschäftsführer der Fokus Kommunikation in Dortmund.„Employer Branding“, das klingt wie eine jener aufgepumpten Unternehmensberater-Phrasen, mit denen ein Mittelständler nicht viel anfangen kann.Peter H. Voß: Falsch! Employer Branding ist auch für mittelständische Transport- und Speditionsbetriebe ein wichtiges Instrument, um sich im Kampf um die besten Nachwuchskräfte auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten. Das gilt gerade für die Logistikbranche, die unter potenziellen Kandidaten erst einmal als nicht so sexy gilt.Wie soll das einem Unternehmen gelingen, dass kein Bataillon von Marketing-Experten beschäftigt, um am eigenen Image zu feilen?Das fängt damit an, dass ich ehrlich bin, in allem, was ich tue. Bei manchen Stellenanzeigen schauen sicher die Mitarbeiter des Unternehmens drauf und sagen: In dem Laden arbeite ich nicht. Dabei können gerade die Mitarbeiter die besten Botschafter nach außen sein. Das ist bei vielen nicht angekommen. Da kann ich meine Mitarbeiter zur Außendarstellung nutzen.Wenn die Mitarbeiter da mitmachen.Das Ganze funktioniert nur, wenn man die Mitarbeiter mit ins Boot holt, sie über Pläne und Entwicklungen informiert. Meist lassen sich Mittelständler nicht gern in ihre Karten schauen. Doch gleichzeitig sagen viele, wir müssen mit den Großen vergleichbar werden. Dann müssen sie da aber ihr Verhalten ändern. Es muss ganz viel kommuniziert werden – ob persönlich, elektronisch oder über eine Mitarbeiterzeitschrift.Aber sicher sollte man nicht nur die Mitarbeiter die Außendarstellung erledigen lassen, oder?Nein, ich muss mich auch um den Kirchturm herum öffnen, zum Beispiel mit den IHKs ko-operieren. Doch wenn die Unternehmenskultur stimmt, wenn der Unternehmer jeden gleich ernst nimmt, gleich wahrnimmt, dann ist der Mitarbeiter der beste Verkäufer des Unternehmens: Wenn man es schafft, dass ein Angestellter sein Unternehmen im Freundeskreis empfiehlt, dann ist das die höchste Anerkennung, die ich bekommen kann. fbInterviewPeter H. VoßDas können Speditionsbetriebe tun, um gute Auszubildende zu bekommenBesuch von AusbildungsmessenAttraktive Internetpräsenz mit ehemaligen Auszubildenden als „Kronzeugen“Kooperation mit Schulen in der Region, zum Beispiel Angebot von Bewerbungstrainings vor OrtAngebot von Praktika und Schnupper-lehrenZusammenarbeit mit BerufsberaternKooperation mit zum Beispiel IHKs, Ar-beitsagenturen, LionsclubsMund- zu Mund-Propaganda über Kundenkinder oder Kinder der AngestelltenZusammenarbeit mit Betriebsakademien und HochschulenFrühzeitige Suche: Je später man beginnt, desto ausgesuchter ist das Angebot fbAusbildungLothar Krenge: „Es ist schwierig, die richtigen Leute zu finden“ Eigentlich könnte Lothar Krenge sehr zufrieden sein: Während die Branche unter den Folgen der Finanzkrise ächzt, blickt der Geschäftsführer der Bönders Spedition in Krefeld (130 Mitarbeiter) auf zwei Jahre außerordentlichen Wachstums zurück. Die Folge: „Wir sind derzeit auch auf der Suche nach Mitarbeitern.“ Insbesondere nach Auszubildenden. Doch da fangen die Schwierigkeiten an: „Der Nachwuchs ist ein Problem“, sagt Krenge. Zwar habe er 20 Bewerbungen von Interessenten für Ausbildungsplätze. Den richtigen Kandidaten hat er aber noch nicht. Dabei ist die Spedition Bönders in der Region präsent . Wenn sich also jemand für Logistik interessiert, stößt er unweigerlich auf den Namender 1954 in Krefeld gegründeten Firma. Zudem hat eine gute Ausbildung bei Bönders Tradition und führt dazu, dass der ganze Nachwuchs meist aus Azubis rekrutiert wird. Auch ist Bönders auf regionalen Ausbildungsmessen sowie bei Jobbörsen und der Arbeitsagentur präsent. Trotzdem wurde es in letzter Zeit immer schwieriger, gute Interessenten anzuziehen und zu finden: „Die Qualifikation vieler Kandidaten ist definitiv nicht ausreichend – und zwar grundsätzlich, nicht nur beim Lesen, Rechnen und Schreiben. Die gesamte Basis fehlt“, beklagt Krenge. „Oft ist das Engagement auch nicht da. Die Kandidaten empfinden die Aufgaben oft als zu schwer, weil man mitdenken muss.“ Lothar Krenge wirft aber die Flinte nicht ins Korn: „Wir werden aus den vorliegenden Bewerbungen einige einladen“, sagt er. „Dann sehen wir, was dabei herauskommt.“ Der „Wahnsinnsaufwand, der damit verbunden ist“, wird seiner Überzeugung nach auch in den nächsten Jahren bleiben: „Es wird auch mittelfristig ein intensives Unterfangen, gute Azubis herauszufiltern. Das geht nicht mit Bewerbungen und einmal vorstellen. Da muss man Zeit und sehr viel Mühe reinstecken.“ fbBönders-Geschäftsführer Lothar KrengeAus der Praxis

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