Auf dem Sprung

Auf dem SprungDer russische Carrier AirBridge Cargo will bis zum Jahr 2015 unter die Top 20 der weltweit größten Frachtfluglinien kommen.Nicht das russische Krasnojarsk, Sankt Petersburg oder Moskau waren Ort des Geschehens. Statt die jüngsten Geschäftszahlen an einem ihrer interkontinentalen Drehkreuze zu verkünden, wählte die russische Linienfrachtgesellschaft AirBridge Cargo (IATA-Code: RU) das gediegene Ambiente des Claridge’s Hotels in der Londoner City als Veranstaltungsort. Die noble Location spiegelt das neue Selbstbewusstsein der Russen wider. Kein Wunder, sind doch nach Aussage von Stan Wraight, dem kanadischen Vorstandschef von RU, die Geschäfte in 2006 glänzend gelaufen. So wurden mit der aus fünf Boeing 747-200F beziehungsweise -300F bestehenden Frachterflotte im abgelaufenen Jahr 78.400 Tonnen befördert. Damit konnte ein Umsatz von umgerechnet 168,5 Millionen Euro generiert werden, nach 88,2 Millionen im Vorjahr. Ein kapitaler Sprung. Ähnlich gut, prognostiziert Airline-Chef Wraight, schauten die Dinge für 2007 aus, wo abermals erhebliche Umsatz- und Tonnagezuwächse erwartet werden. Wer steckt hinter AirBridge Cargo, die unter anderem wöchentlich 14-mal Frankfurt mit Jumbo-Frachtern anfliegt? Es ist die auf Netzwerkflüge spezialisierte Tochter der russischen Volga-Dnepr-Gruppe. Während Mutter Volga vor allem ihre Großfrachter AN-124 vermarktet und zusätzlich die IL-76 als Zubringerflieger für Moskau, St. Petersburg und Krasnojarsk nutzt, setzt Tochter ABC auf ihren internationalen Strecken auf westliches Boeing-Gerät und auf den Ausbau ihres globalen Routennetzes. Obwohl sie erst 2004 gegründet wurde, hat sie sich bereits erhebliche Marktanteile auf den Transporten zwischen Ostasien und Westeuropa gesichert. Und diese dürften weiter wachsen. So wurde im vergangenen Mai ein weiterer Cargo-Jumbo übernommen und bis April kommenden Jahres sollen drei für extra lange Strecken geeignete B747-400ERF zusätzlich eingeflottet werden. Allerdings wird sich RU diesen September von zwei älteren B747-200F trennen. Expansion der FrachterflotteWas die Flottenplanung angeht, setzt die in Moskau beheimatete Linie auf kontinuierlichen Kapazitätsausbau. Dies belegt der kürzlich besiegelte Kauf von fünf B747-8-Frachtern, die ab 2010 von Hersteller Boeing an RU ausgeliefert werden sollen. Hinzu kommen fünf Optionen für das gleiche Gerät. Zusätzlich bekommt AirBridge Cargo 2008 zwei Tupolew- 204C-Frachter. Die Mittelstreckenflieger werden als Zubringergerät für die Drehscheibenverkehre eingesetzt. Besonders ambitioniert sind die künftigen interkontinentalen Streckenpläne der Gesellschaft. So stehen bereits ab November dieses Jahres Flüge vom südsibirischen Knoten Krasnojarsk nach Toronto auf dem Routenplan. Die über den Nordpol führende Verbindung von Asien nach Nordamerika ist deutlich schneller und damit für RU entsprechend kostengünstiger als vergleichbare Routen etwa von China in die USA. „Hier können wir unseren geografischen Wettbewerbsvorteil voll ausspielen“, freut sich der Manager auf den Erhalt der ersten LangstreckenBoeings, mit der die Überquerung des Nordpols im Linienverkehr in Angriff genommen werden soll. Sobald sich die Strecke etabliert hat, werden die Flüge weiter nach Houston und über Amsterdam wieder zurück nach Krasnojarsk geführt. „Damit haben wir dann einen Weltumrunder“, so Wraight. Neue Märkte im VisierUnd weitere Pläne stehen schon weit oben auf der To-do-Liste des aus Montreal stammenden Cargomanagers. Städtenamen wie Sao Paulo, Quito und Bogota sind dort dick markiert. „Wir wollen von den lokalen Erzeugern Blumen für den russischen Binnenmarkt holen“, kündigt er Flüge zwischen Südamerika und Moskau an. Indien und der Nahe Osten sind weitere wichtige Zielgebiete. Zudem plant RU eine engere Zusammenarbeit mit der japanischen Nippon Cargo Airline. Gegenseitige Transportkontingente auf einer Vielzahl von Flügen wurden bereits vereinbart. „Diese Kooperation wollen wir vertiefen“, kündigt Wraight einen russisch-japanischen Freundschaftspakt in der Luftfracht an. ❙❚■ Heiner Siegmund, freier JournalistGegründet 2004Tochtergesellschaft (100%) der Volga-Dnepr-GruppeSpezialisiert auf LinienfrachtflügeIATA-Code: RUDrehscheiben: Moskau, Krasnojarsk und Sankt Petersburg Firmensitz: MoskauUmsatz (2006): 168,5 Mio. EuroMarktanteile China nach Europa 14%Europa nach China 7,2%Russland nach Europa 6%Europa nach Russland 53%*Stand: April 2007AirBridge Cargo Ein Großfrachter der russischen AirBridge CargoAirBridge Cargo Die Nummer zwei in FrankfurtKooperation mit Air Union und neue Tupolew-Zubringerflugzeuge. Airline-Chef Stan Wraight über die hochfliegenden Pläne der Russen. Sie sprechen von 2007 als dem Jahr der Konsolidierung. Finden Sie nicht, dass ,,kontinuierliche Expansion’‘ der passendere Begriff für die Entwicklung Ihrer Fluglinie wäre?Stan Wraight: Konsolidierung ist vor allem deshalb die korrekte Wortwahl, weil wir im Zuge unseres Flotten- und Flugplanwachstums in der Vergangenheit sehr schnell unsere diversen Drehkreuze aufbauen mussten. Dafür sind die Grundlagen geschaffen, sodass wir uns nun auf die Feinarbeit in Moskau, Krasnojarsk oder St. Petersburg konzentrieren können. Fehlt nicht Frankfurt in dieser Liste?Korrekt, denn der Rhein/Main-Airport ist unsere zentrale europäische Station. Hier starten und enden die meisten über die russischen Drehkreuze von und nach Ostasien geführten Flüge. Mit vierzehn wöchentlichen Abflügen im Schnitt sind wir nach der Lufthansa Cargo mittlerweile der zweitgrößte Kapazitätsanbieter in Frankfurt. Neben den Exporten Richtung China oder Japan wird die aus dem deutschen Markt kommende und für Russland beziehungsweise die GUS-Länder bestimmte Tonnage immer bedeutender. Ob Komponenten für die Autoindustrie, Modeartikel, chemische Produkte und Arzneimittel oder Maschinenbauteile: Der Anteil dieser Waren, die für Nachfrager in Russland und den GUS-Staaten bestimmt ist, steigt. Dies ist wichtig, da es uns sowohl beim Aufkommen als auch bei den Raten unabhängiger von der Fracht zwischen Fernost und Europa macht. AirBridge Cargo will mit der neuen Air Union kooperieren, also der aus Kras Air, Sibaviatrans, Omskavia, Samara und Domodedowo Airlines sowie der ungarischen Malev bestehenden Gruppierung. Wie soll das genau funktionieren?Indem wir Frachtstücke an die von Ihnen genannten Fluggesellschaften auf unseren Knoten Moskau Domodedowo, Krasnojarsk und künftig auch Budapest übergeben. Diese nehmen sie im Rumpf ihrer Passagierflugzeuge auf ihren zahlreichen Routen mit. Dadurch erhalten die Partnergesellschaften ein lukratives Zusatzgeschäft und wir erweitern unser nationales Netzwerk. Dadurch können wir unseren Kunden viele neue Ziele in Osteuropa, Russland und der GUS anbieten. Diese Kooperation soll an Fahrt gewinnen, sobald die Air Union im Herbst unter dem Dach einer Holding verschmolzen sein wird. Daher auch Ihr Beschluss, den von der Air Union frequentierten Moskauer Flughafen Domodedowo stärker zu nutzen?Wir werden weiter in Moskau Sheremetievo bleiben, aber mehr Flüge über Domodedowo führen. Entsprechend investieren wir dort in Infrastruktur. Mittelfristig wird es darauf hinauslaufen, dass Sheremetievo vor allem von SkyTeam-Mitgliedern genutzt wird, während die Star Alliance ihre Flüge über Domodedowo abwickelt. Bekanntlich gibt es ja Intentionen bei Air Union, der Star-Gruppe beizutreten. Übrigens verlegt auch Lufthansa ihre Sheremetievo-Aktivitäten nach Domodedowo. hsInterview

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