Verkehrswende im Straßengüterverkehr?

Zusammen mit der Fahrzeugindustrie treibt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks die Entwicklung des Oberleitungs-Lkw voran, um ihrem Ziel einer Verkehrswende näher zu kommen. Bevor ab Anfang 2019 auf zweimal sechs Kilometern Feldversuche in Hessen und Schleswig-Holstein starten, ist sie ihn Probe gefahren. "Ich muss Impulse geben", betonte sie vergangene Woche bei einem Besuch der Siemens-Teststrecke für Oberleitungs-Lkw in Groß Dölln bei Berlin. Auf dem einst größten Militärflugplatz Europas betreibt Siemens einen "EHighway". Lastwagen ausgerüstet mit einem Stromabnehmer und einem Hybridantriebsystem versorgen sich auf der zwei Kilometer langen Teststrecke aus Oberleitungen mit elektrischer Energie und fahren emissionsfrei. Hendricks hält den Einsatz der Oberleitungs-Lkw im Realbetrieb in einem "überschaubaren Zeitraum" von 15 Jahren für realistisch. Bei einer weiteren Verbesserung der Batterieladefähigkeit müssten "vielleicht 3000 Kilometer mit hoher Verkehrsdichte" des 12.000 Kilometer langen Autobahnnetzes mit Oberleitungen ausgestattet werden. Die Kosten schätzt die Ministerin auf etwa sechs Milliarden Euro. Dies sei vertretbar angesichts des Volumens von knapp 270 Milliarden Euro des Ende 2016 verabschiedeten Bundesverkehrswegeplans. Hendricks ist bewusst, dass es wegen der Zusatzkosten für das System zunächst eine Anschubfinanzierung braucht. "Geübte Praxis ist es, finanzielle Anstöße zu geben, um etwas zu fördern." Die Umweltministerin denkt an eine Befreiung von der Lkw-Maut für die Zeit, während der der abgenommene Strom bezahlt wird. Entschieden sei allerdings noch nichts, denn der Oberleitungs-Lkw befinde sich bis 2021 im Versuchsstadium. Jochen Eickholt, Chef der Siemens-Mobilitäts-Aktivitäten, verwies auf Interesse in anderen Ländern wie Frankreich, Schweden und die Niederlande. "Das hat schon jetzt europäische Perspektiven", bekräftigte Hendricks. Doch lohnen sich die Lkw mit Stromgeweih wirklich? Klar ist aus Sicht von Umweltschützern, dass im Güterverkehr etwas passieren muss. "Bedauerlicherweise" trage der Verkehrssektor nicht dazu bei, den CO2-Ausstoß zu mindern, und konterkariere somit das von der Bundesregierung beschlossene Ziel, Mobilität bis 2050 klimagasneutral zu gestalten, so Hendricks. Die Technologie ist umstritten Im Güterverkehrsgewerbe stößt der Oberleitungs-Lkw auf geteiltes Echo. Höchst interessiert sei die Bundesvereinigung Logistik (BVL). Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) sowie die International Road Transport Union (IRU) werden von Siemens als "involvierter europäischer Stakeholder" aufgeführt. Frank Huster, Geschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV), rät aber zum Abwarten, um Fehlinvestitionen des Gewerbes zu vermeiden. Es sei "völlig offen", welche Technologie sich durchsetze. Dem letzten Punkt stimmt auch das Bündnis Allianz pro Schiene zu, das den Bau von Oberleitungen schlicht für die falsche Priorität hält. Statt sich daran zu "berauschen", solle der Bund ehrgeiziger bei der Elektrifizierung des Zugverkehrs werden, sagt Geschäftsführer Dirk Flege. Heute fahren nach Angaben des Bündnisses etwa 60 Prozent der Züge elektrisch. Viele andere werden noch mit Diesel betrieben. Hendricks sieht hier keine Konkurrenzsituation. Das sagt das Ministerium "Das Bundesumweltministerium fördert seit 2010 die Forschung und Entwicklung alternativer, klimafreundlicher Antriebe für schwere Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen. Etwa 26 Prozent der Klimagasemissionen des Verkehrs stammen derzeit von dieser Fahrzeuggruppe. Auf dem Weg zu einem klimagasneutralen Güterverkehr sollen diese drastisch reduziert werden. Nun zeichnet sich vor allem eine Lösung ab: eine Kombination aus Elektro-Hybridantrieb und einer Oberleitungsinfrastruktur zur Aufladung der Elektro-Lkw, zum Beispiel auf Autobahnen, wo der Großteil des Schwerlastverkehrs stattfindet."Quelle: Bundesumweltministerium

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