Schneller und smarter

Dass das Internet der Dinge oder die Datenübertragung auch die Lkwund Trailerfahrwerke längst erfasst hat, belegen die komplette Übernahme des Softwareexperten Idem durch BPW ebenso wie Knorrs immer populärer werdendes " i-TAP", mit dem sich diverse Trailerfunktionen steuern lassen.An der weitergehenden Vernetzung der Achsen und Bremsen samt deren Daten mit dem Trailer und dem Rechner des Nutzers arbeiten auch Krone und Schmitz Cargobull, die neben Telematik auch Achsen inhäusig entwickeln. Frage an die Praktiker: Ist das die richtige Richtung?Die Antworten mehrerer Spediteure und Transportunternehmer lauten: "Jein". Einerseits begrüßen sie es, wenn die Fahrzeuge vor Auftreten von Problemen kundtun, wann und wo Handlungsbedarf besteht, andererseits kämpfen sie noch immer mit der Integration mehrerer herstellereigener Softwaretypen in die Speditionssoftware, was das Gesamtsystem nicht vereinfacht. Und im Zweifelsfall werden ihnen Probleme ohnehin immer als "Bedienfehler" ausgelegt.Neue 12-Tonnen Achsen von SAFBis dato verlassen sich Spezialisten wie beispielsweise Jens Bode, der viel temperierte Fracht fährt, oder das Schwertransportunternehmen Horst Wallek auf die eigene Erfahrung und versuchen Standzeiten durch prophylaktisches Tauschen von Schmierstoffen oder Komponenten möglichst gering zu halten und Ausfälle nach Möglichkeit zu vermeiden. Die Anhänger und Aufbauten werden meist in der eigenen Werkstatt "versorgt". Doch da darf es häufig gern schneller und einfacher gehen. Das wissen auch die Achshersteller: SAF-Holland baute zuletzt sein Programm für 12-Tonnen-Achsen im 22,5-Zoll-Bereich aus, die unter anderem auf Spezialisten im Holz- oder Schwertranport zielen. Beim neuen, sogenannten "SAF Modul" mit Outboardtrommel oder Scheibenbremse will man die individuelle Ausrüstungsoption und die Wirtschaftlichkeit weiter erhöhen. Die Trommelbremse in der neuen "Outboard-Technologie" erleichtert, wie gewünscht, Belagwechsel und reduziert Standzeiten. Denn anders als bei herkömmlichen Trommelbremsen ist die Trommel hier vor der Radanlagefläche angebracht. So müssen die Servicekräfte zwar ebenfalls die Radmuttern lösen und das Rad abnehmen, können die Trommel dann aber einfach nach vorn abziehen, ohne Lager und Radkopf ausbauen zu müssen. Auf Nachfrage konnte uns SAF-Pressesprecher Stefan Kleinschnitz allerdings weder exakte Zeiteinsparungen nennen noch Aussagen zu einer verlängerten Lebensdauer des Lagers machen - was im Umkehrschluss auch darauf hindeutet, dass die aktuellen Lösungen schon nicht die schlechtesten waren und gerade im Zwölftonnen-Bereich Profis am Werk sind, die sich mit dem Equipment auskennen und es entsprechend pflegen. Als Alternative für mautgünstige Einachsanhänger (überwiegend für den Verteilerverkehr) sieht SAF die neue Modul-12-Tonnen-Achse mit der altbewährten Formel "Intradisc plls Integral". Hier sparen sich die Monteure beim Scheibenwechsel das Einstellen der Radlager.Doch ganz ohne Lagerpflege geht es doch nicht, oder? Hier blieb uns Kleinschnitz die Antwort nicht schuldig: "Die Lager sind bei üblicher Nutzung, wie in der SAF-Holland Kompetenzgarantie beschrieben, für sechs Jahre Nutzung oder eine Million Kilometer, lebensdauergeschmiert und müssen in diesem Zeitrahmen nicht nachgeschmiert werden." Womit sich die Franken nahtlos in die Garantieumfänge der meisten Achshersteller einreihen.Wie die Produktion verbessert wirdAber auch BPW widmet sich weiter der Hardware: In Wiehl investierten die "Blauen" zuletzt in eine neue Montageanlage für Wheelends, die jetzt, Mitte November, anlaufen soll. Für eine erhöhte Qualität bei niedrigeren Kosten soll eine hohe Automatisierung sorgen. Neueste Sensortechnik regelt unter anderem Befettung der Lager und Achsmuttern. Alle relevanten Fertigungs- und Montagevorgänge sowie Qualitäts- und Funktionsprüfungen werden in einem Produktionsleitsystem dokumentiert und können jederzeit nachvollzogen werden. "Wir erfassen beispielsweise, mit welcher Einpresskraft jedes einzelne Lager eingefügt wurde", erklärt Ralph Ley, Leiter der Geschäftseinheit Systemkomponenten bei BPW. "Durch diese vollständige Dokumentation können wir sämtliche Fertigungsschritte von jedem einzelnen Fahrwerk nachvollziehen."Auch Jost und die Gothaer Achsfabrik investieren gerade in ihre Fertigung, um die Qualität weiter zu erhöhen, ebenso wie Krone und Schmitz Cargobull, die den Anteil ihrer eigenen Achsen kontinuierlich erhöhen. Krone hat mittlerweile mehr als 10.000 Stück der eigenen Achse, die von Gigants Euro-Modell abgeleitet wurde, verbaut. Sie soll als Scheibenbremsversion vor allem durch eine wartungsfreie Lagereinheit sowie den leichten Luftfederlenker mit geschraubter Einbindung punkten. Außerdem betont Krone den "homogenen Materialverlauf von Lagersitz zu Lagersitz", der für hohe Stabilität sorgen soll. Entsprechend gewähren auch die Emsländer ihren Kunden sechs Jahre Garantie ohne Kilometerbegrenzung auf die Achse, was im Fernverkehr fast einem Trailerleben mit rund 750.000 Kilometern entspricht. Auch Krone macht sich Gedanken zur Standzeiten- und damit Kostenreduktion und bietet deshalb ein sogenanntes "One-Check-per-Year"-System an, das nur eine Überprüfung pro Jahr im Rahmen der Hauptuntersuchung mit sich bringt.Telematik überwacht das FahrwerkBald 500.000 eigene Achsen hat mittlerweile Schmitz Cargobull auf der Straße, womit das "Rotos" genannte Fahrwerk als etabliert und problemfrei gilt, was Praktiker auf Nachfrage bestätigen. Außerdem bleiben die Cargobullen in Sachen Telematik aktiv und erweitern beständig Funktionen und Sensoren, was den Kunden neue Kosten-Nutzen-Effekte bieten soll. Dabei ist es laut Karl-Heinz Neu, Geschäftsführer Schmitz Cargobull Telematics, egal, welche Fahrzeugstruktur die Kunden haben und was sie transportieren: "Mit unserer Technologie für die Trailer bieten wir für jeden Kunden Lösungen, wie er mit Telematik seine Kosten reduzieren und gleichzeitig seinen eigenen Kunden Mehrwerte bietet. Dieses können wir vorrechnen und mit Referenzen belegen", verspricht er.Dabei konnten die Münsterländer auf zahlreiche Erfahrungen mit temperaturgeführten Transporten aufbauen, die sie über das komplette Portfolio bis hin zum Kipper ausdehnten. Hier kommt Knorrs sogenanntes "i-TAP" ins Spiel, mit dem sich im Prinzip der komplette Trailer steuern lässt. Das nutzt Kässbohrer künftig beispielsweise auch für die neuartige Steer-by-Brake-Technologie im Tiefladersegment.Schmitz kann via Telematik beispielsweise sagen, in welchem Zustand sich die Bremsbeläge befinden oder ob der Anhänger durch einen Subunternehmer ohne gestecktes EBS Kabel gefahren und so die Trailerbremse über Gebühr verschlissen wurde. Wichtig ist aber auch, dass man die Telematikdaten in die Speditions-Software integrieren kann. Das führt bei Schmitz in der aktuellen Ausbaustufe zum sogenannten "TrailerConnect Portal", das Ende des Jahres komplett ans Netz gehen soll. Mit nur wenigen Klicks soll man hier laut Schmitz alle gewünschten Informationen erhalten.Dass die Zukunft im Komplettsystem liegt, sieht man auch bei Wabco respektive Wabco-Würth. Dort brachte man Mitte des Jahres das neue Software-Update 1.15.1 für alle "Weasy" genannten Mehrmarken-Diagnoselösungen auf den Markt. Hier wendet man sich bevorzugt an Fuhrparks mit eigenen Werkstätten oder Mehrmarkenbetriebe. Alle Bestands- und Neukunden erhalten jetzt das größte Update der technischen Daten für Truck und Trailer: Es soll mehr als 15.000 neue technische Informationen zu Systemen sowie 600 neue Modelle beinhalten. Zusätzlich sind damit laut Wabco-Würth 5300 neue Wartungs- und Servicepläne ergänzt worden.Für alle Kunden mit einer Wabco Trailer oder -Komplettlizenz gibt es außerdem eine besondere Neuerung: den Wabco-Scan für alle Trailer-Systeme. Er bietet eine automatisierte Wabco-Trailer-Systemerkennung und fragt ebenso automatisch den Systemzustand ab, den er in einer Übersicht anzeigt.Aus dem Scan direkt in die DiagnoseAus dem Scan kann man direkt in die Einzeldiagnose einsteigen. Dies bedeutet laut Wabco-Pressesprecherin Jennifer Kübler "eine deutliche Zeitersparnis und Vereinfachung der Diagnosearbeit im Werkstattalltag". Die eingangs erwähnten Praktiker dürften so oder so sehr zufrieden sein: Denn in den Werkstätten kann es im Prinzip nie smart und schnell genug gehen!Mehr im Dossier Achsen für Lkw und Trailer www.verkehrsrundschau.de/dossiersSo testet Knorr-Bremse am PolarkreisPlatz für Tests extremer Bedingungen und SituationenIm schwedischen Arjeplog verfügt Knorr Bremse über ein riesiges Areal für Wintertests, das Vorstandsmitglied und Ingenieur Eduard Gerum schon auf der Busfahrt erläutert, ebenso wie die Testverfahren und Prinzipien der ESP-Regelung, die neben der Hardware den Kern der Bremsen-Weiterentwicklung darstellt.Den aus heutiger Sicht "simplen" ABS-Tests folgen mittlerweile komplexe Überprüfungen sämtlicher Fahrwerksregelsysteme unter exakt festgelegten und reproduzierbaren Bedingungen. Dazu schuf Knorr ein Testareal am Polarkreis, das Testbahnen auf dem Festland und auf Seen bietet. Während die Strecken auf dem Land schon knapp unterhalb des Gefrierpunktes nutzbar sind, braucht es für die glatten Seepisten eine länger anhaltende Frostperiode mit Temperaturen von unter minus zehn Grad Celsius, was in den immer wärmeren Wintern tendenziell schwieriger wird.Ice-Maker präparieren die StreckeDie Pisten immer in identischer Qualität zu präparieren, ist Aufgabe des sogenannten "Ice-Makers", der mit diversen Maschinen für kontinuierlich gleichbleibende Oberflächen sorgt. Am einfachsten ist das noch beim Teilstück mit dem geheizten Asphalt. Der ist auch Teil der sogenannten "µ-Split-Strecke", bei der zwei unterschiedliche Fahrbahnoberflächen das ESP und ABS extrem fordern. Dort gab es früher sogar gekühltes Eis. Die sind deshalb so wichtig, da auch in der Realität oft auf der einen Seite auf Teer gebremst wird, während (meist der beifahrerseitige) der andere Radsatz auf Schnee oder Eis verzögern muss.Deutlich komplexer wird das Vorbereiten der Strecke, sobald die Vorgaben "gepackter Schnee" oder "poliertes Eis" heißen. Die Bahnen auf dem See werden jedes Jahr mit GPS-Datenunterstützung neu gebaut, damit die Testreihen vergleichbar sind. Außerdem gibt es einen "ASR-Hügel" für Anfahrtests, der zehn respektive 15 Prozent Steigung aufweist. Wie funktioniert das Ganze in der Praxis? Anfang dieses Jahres war beispielsweise ein neues ESP mit Lenkeingriff in Erprobung. Aufgabenstellung für unsere "Testfahrten" war, eine ballastierte MAN TGX 18.400-Sattelzugmaschine auf der Kreisbahn so lange zu beschleunigen, bis sie ausbricht und dann vom System wieder eingefangen wird. Dabei geht es nicht nur um Hard-, sondern auch um Software, sprich neue Platinen oder Steuergeräte, die in der Regel mit weniger Bauraum und Gewicht mehr können müssen als die Vorgängergeneration, die meist die Basis für die nächste Entwicklungsstufe darstellt. Neben der Praxiserprobung wird viel am Rechner gearbeitet: Rund 30.000 Situationen werden per Software simuliert. Rund 100 Ingenieure sind dafür zwei bis drei Monate unterwegs - wobei man die Testverfahren theoretisch bis ins Unendliche ausdehnen könnte.Software optimierenNeben der Hardware geht es Knorr vor allem um die Optimierung der Software, namentlich das ESP. Dessen Kernstück, so erläutert Gerum, ist der Drehraten- und Querbeschleunigungssensor. Er misst sowohl die Drehung um die Hochachse als auch die Querbeschleunigung. Wichtig ist dabei der korrekte Montagepunkt am Fahrzeug, um dem Sensor die "Orientierung" zu erleichtern und auch die Tatsache, dass der Anbauort möglichst keine Vibrationen aufweist, da das laut Gerum zu Signalrauschen führt. Nach der Einführung am Lastwagen, den Sattel- und ersten Gliederzügen arbeitet Knorr jetzt vor allem daran, es für weitere Fahrzeugtypen kompatibel zu machen, darunter auch seltenere Baumuster wie Vier- oder Fünfachser mit unterschiedlichsten Aufbauten. Außerdem versuchen die Knorr-Ingenieure selbstlernende Algorithmen zur Adaption an die entsprechenden Fahrzeuge zu entwickeln, was wiederum die Applikation vereinfacht. Am Ende stünde eine Art selbstlernendes intelligentes Basis-ESP, das sich aufgrund der ermittelten Fahrdaten automatisch und exakt auf das entsprechende Fahrzeug justiert.Außerdem erweitert Knorr die ESP-Eingriffsmöglichkeiten, was sich durch neue Lenkungen ergibt. Dazu gehört neben dem Lenkeingriff mit Momentenüberlagerung der Eingriff mit Winkelüberlagerung (auch als "Aktivlenkung" bekannt, bei der das mechanische Lenksignal elektrisch verstärkt respektive verändert wird) oder auch ein rein elektronischer Eingriff per Steer-by-wire, also ein System, bei dem keine mechanische Verbindung mehr zwischen Lenkrad und gelenkten Rädern besteht. Damit sollen auch vollautomatische fahrzeugstabilisierende Lenkbewegungen möglich sein, um die Fahrsicherheit weiter zu erhöhen. Über allem schwebt in Schweden übrigens der Segen der Kirche: Das Gelände in Arjeplog inklusive der Ländereien im Umkreis gehört dem Klerus.kitz