Leben über tausenden Containern

05.09.2006 00:00 Uhr

Aus dem Leben eines Frachterkapitäns: Peder Christensen, Kapitän der „Gudrun Maersk, kommandiert ein kleines Dorf auf hoher See

Bremerhaven. Wie bunte Legosteine stapeln sich tausende rote, gelbe und blaue Container vor Peder Christensens Fenster. Der 53 Jahre alte Däne ist Kapitän des Frachters „Gudrun Maersk“. Wenige Stunden vor der Abreise des 367 Meter langen Schiffs in Bremerhaven herrscht reges Treiben an Bord und im Hafen. Riesige Krananlagen heben die tonnenschweren Ladungen vom Schiff und fahren sie wie leichtes Plastikspielzeug an Land. Auf die frei gewordenen Plätze kommen neue bunte Container. „Mit dem Ladeplan haben wir nicht viel zu tun“, erzählt der graubärtige Seemann. Das machen die Mitarbeiter der Reederei an Land. Auf dem offenen Meer werde es aber auch für ihn und seine internationale 27-Mann-starke Crew wieder stressig. Zwar steuert ein Autopilot den Riesenfrachter, die Kontrolle per Menschenhand fehlt aber nie. „Ich bin 24 Stunden lang auf Abruf“, erzählt Kapitän Christensen. Neun Wochen lang ist seine Schicht, dann übernimmt ein anderer Kapitän das Schiff. Erst nach weiteren neun Wochen Freizeit heißt es wieder Abschied nehmen von der Ehefrau, den Hunden und Freunden. „Ich mag meinen Job“, sagt Christensen ohne zu zögern, „er hat immer noch eine gewisse Faszination für mich.“ Zwar gehören die romantischen Seefahrerzeiten, als die Schiffe noch tagelang im Hafen lagen, längst der Vergangenheit an. Dennoch möchte Christensen die sternenklaren Nächte auf hoher See, den würzigen Geruch in südostasiatischen Häfen oder den Blick auf die japanische Küste in der Morgendämmerung nicht missen. „Du musst wissen, dass Du zwei Leben hast: Eines auf See und eines zu Hause.“ Auf See fehlen ihm und seiner Crew außer den persönlichen Kontakten nur wenige Annehmlichkeiten des Landlebens. Auf dem Schiff gibt es eine Bibliothek, einen Aufenthaltsraum mit Leinwand und DVD-Spieler, einen Computerraum mit Netzwerkverbindung und Dutzenden Spielen auf der Festplatte, ein kleines Fitnessstudio und einen Außenpool. „Das hier ist ein eigenes Dorf auf See“, sagt Christensen. Zum Frühstück, Mittagessen und Abendbrot kommen Kapitän, Offiziere, Ingenieure und Matrosen zusammen an einen Tisch. „Ich versuche immer wach zu sein für die Stimmungen an Bord“, erzählt Christensen, der sich in seinem beigen Hemd mit den vier obligatorischen Kapitäns-Streifen, beigen Shorts und dunklen Pantoffeln am wohlsten fühlt. „Wenn wir als Team nicht funktionieren, funktioniert es gar nicht.“ Aus den verschiedensten Nationalitäten eine Mannschaft zu formen, ist aber nicht immer einfach. Der Seefahrtspsychologe Hans-Joachim Jensen spricht von teilweise erheblichen kommunikativen und kulturellen Barrieren. Zudem seien Matrosen aus Asien oft viel länger an Bord als die europäische Crew und würden auf einer mehrmonatigen Schicht unter zwei bis drei Kapitänen dienen. Ein Bindungsgefühl käme da nur schwer auf. Kapitän Christensen spricht Probleme auf hoher See sofort an. Mit dem nächsten Hafen in tagelanger Entfernung könnten kleine Streitereien schnell ausarten, befürchtet er. „Ich versuche die Leute so zu behandeln, wie ich selbst gerne behandelt werden möchte.“ Damit die Bindung an die Heimat nicht abbricht, verfügt das Schiff über Email-Anschluss und der Fernschreiber spukt verschiedene nationale Nachrichten aus. „Die Firma macht viel, damit wir uns an Bord wohlfühlen“, sagt er über die weltweit größte Reederei, die dänische Maersk-Gruppe. Dennoch räumt auch er ein: „Ich bin dann auch ein bisschen müde, nach neun Wochen auf dem Schiff.“ (dpa)

MEISTGELESEN


KOMMENTARE

SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

WEITERLESEN



NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


Die VerkehrsRundschau ist eine unabhängige und kompetente Abo-Fachzeitschrift für Spedition, Transport und Logistik und ein tagesaktuelles Online-Portal. VerkehrsRunschau.de bietet aktuelle Nachrichten, Hintergrundberichte, Analysen und informiert unter anderem zu Themen rund um Nutzfahrzeuge, Transport, Lager, Umschlag, Lkw-Maut, Fahrverbote, Fuhrparkmanagement, KEP sowie Ausbildung und Karriere, Recht und Geld, Test und Technik. Informative Dossiers bietet die VerkehrsRundschau auch zu Produkten und Dienstleistungen wie schwere Lkw, Trailer, Gabelstapler, Lagertechnik oder Versicherungen. Die Leser der VerkehrsRundschau sind Inhaber, Geschäftsführer, leitende Angestellte bei Logistikdienstleistern aus Transport, Spedition und Lagerei, Transportlogistik-Entscheider aus der verladenden Wirtschaft und Industrie.