Kostenalarm im Stückgut

In Kürze Neue CO2-Maut, deutlich höhere Kosten, gleichzeitig eine abkühlende Konjunktur mit weniger Sendungsvolumen - die Lage für Stückgut-speditionen ist nicht einfach. Doch die Zeichen für höhere Preise sind besser als viele meinen, wie der Artikel zeigt. Kommt der neue CO2-Zuschlag auf die Lkw-Maut in der Höhe, wie im Entwurf des Mautänderungsgesetzes vorgesehen? Kommt er plangemäß zum 1. Dezember 2023, oder wird er auf den 1. Januar 2024 verschoben? Viele Fragen dazu sind nach wie vor offen. Denn noch hat der Gesetzgeber nicht final entschieden. Stattdessen hängt das Mautänderungsgesetz im parlamentarischen Prozess fest. Zumal die Ampelkoalition offenbar parallel dazu daran arbeitet, die Maut auf Landstraßen und Städte auszuweiten (siehe Seite 9). Die Zeit wird also langsam knapp, wenn die CO2-Maut pünktlich zum 1. Dezember starten soll. IDS Logistik dreht an der Preisschraube Keine guten Nachrichten für Transport- und Speditionsunternehmen, die für ihre Preisgespräche jetzt Planungssicherheit brauchen. Zumal die Wirtschaft spürbar abkühlt - mit entsprechend weniger Mengenvolumen für die Dienstleister, während ihre Kosten weiter steigen. "Das Sommerloch war tief. Sechs bis sieben Prozent unter dem Vorjahr. Auch das Herbst-geschäft ist nicht so angezogen wie sonst", beschreibt Michael Bargl, Geschäftsführer der Stückgutkooperation IDS Logistik, die Lage. Gleichzeitig seien die Kostensteigerungen infolge des Mindestlohngesetzes und des Fachkräftemangels in 2023 im Vergleich zu 2022 erheblich - insbesondere im Personalbereich und bei den Sachkosten im hohen einstelligen Prozentbereich, betont Bargl und verweist auf die Werte des DSLV-Kostenindex, an dem auch IDS Logistik mitwirkt. Für ihn und seine Partner ist deshalb klar: Sie werden und müssen an der Preisschraube drehen. CO2-Maut trifft IDS in zweifacher Hinsicht Die neue CO2-Maut trifft IDS Logistik gleich in zweifacher Hinsicht. Zum einen steigt die Höhe der Maut, konkret um 83 Prozent beim klassischen 40-Tonnen- Fernverkehrs-Lkw. Zum anderen unterliegen ab 1. Dezember 2023 auch die abgelasteten Fahrzeuge mit 7,49 Tonnen zGG, die eine tatsächliche zulässige Gesamtmasse (tzGm) von 7,5 Tonnen haben, nun der Mautpflicht, weil das neue Mautgesetz ab 1. Dezember auf tzGm umgestellt wird. "Das spielt bei uns im Stückgut eine Riesenrolle", betont der IDS-Geschäftsführer, "weil wir rund 30 bis 40 Prozent solcher 7,49-Tonner bei uns im Einsatz haben. Bislang waren die mautbefreit; das kommt zu der Erhöhung der CO2-Maut dazu." Zudem rutschen die abgelasteten 11,9- Tonner in die nächsthöhere Mautklasse. Die Folge: Lag der Mautkostenanteil an den Gesamtkosten beim IDS-Stückgut bislang im mittleren einstelligen Prozent-bereich, dürfte sich dieser Wert mehr als verdoppeln, hat Bargl ausgerechnet. Kurz: "Die Lkw-Maut wird nach der Erhöhung für uns im Stückgut ein richtig großer Kostenblock. Und natürlich werden wir diese Kosten an unsere Kunden vollumfänglich durchreichen. Das ist wie eine Steuer", kündigt Bargl an. Immerhin: Die Kunden hätten dafür auch Verständnis. "Wir sehen also keine Schwierigkeiten. Das wird gelingen." Und natürlich werde IDS auch die deutlich gestiegenen Personal- und Sachkosten weitergeben. "Wir sehen im Nicht-Maut-Bereich signifikante Preissteigerungen." Gleichzeitig wird IDS laut Bargl weiter an Effizienz-, aber auch IT-Sicherheits-Verbesserungen in den Prozessen arbeiten - insbesondere dank Digitalisierung - um die Sendungsmindermengen (in 2023 wohl vier Prozent weniger als in 2022) aufzufangen. So rollt IDS derzeit im Nahverkehr eine neue Software aus, um den Scan-Prozess weiter zu beschleunigen. Zudem hat die Kooperation ein Pilotprojekt aufgesetzt, das den Lieferschein-Prozess effizienter gestalten soll. So werden für die Sendungsavisierung nicht mehr die Lieferscheine von den Waren abgenommen, sondern via selbst entwickelter IT-Lösung die digitalen Lieferscheindokumente an das Empfangsdepot und in einer zweiten Phase auch an den Empfänger weitergeleitet. Unabhängig davon arbeitet IDS derzeit massiv an der Ermittlung des CO2-Fußabdrucks auf Sendungsebene. Ziel ist es, auf Basis der Lösung EcoTransIT World eine automatische Kalkulation der Carbon Foot Print je Stückgutsendungen in 2024 zu realisieren. Simcargo: Maut durchreichen als Ziel "Wir werden und müssen unsere Preise anheben und die neue CO2-Maut an unsere Kunden durchreichen. Die vollständige Umsetzung ist das Ziel", sagt auch Alexander Bauz, Geschäftsführer der Stückgutkooperation Simcargo. "Angesichts des Mengendrucks im Markt werden wir aber wohl wenig Spielraum für höhere Preise haben", fürchtet er. Oberste Priorität für die Simcargo habe es deshalb, die Produktivität und Effizienz weiter zu erhöhen. "Wir versuchen überall die Kosten dadurch herunterzubringen." So hat die Simcargo seit September den Anteil der Direktverkehre in Deutschland über 19 Trans-Shipment-Points (TSPs) reduziert und den Anteil ihrer Hub-Verkehre deutlich erhöht, um die Lkw-Auslastung in den Hauptläufen weiter zu verbessern, erzählt Bauz. Gingen bislang rund zwei Drittel der Verkehre über 19 TSPs und rund ein Drittel über das Zentralhub in Homberg/Efze), sind es aktuell rund 40 Prozent. Und es sollen noch mehr werden. Das Zentralhub ist für die Mehrmenge gerüstet. Schon im Frühjahr haben die Partner in mehr Videoanlagen und mehr Tauschauflieger kräftig investiert. Damit nicht genug: Simcargo und der Ladungsverbund Elvis wollen ab November zusammenarbeiten, verrät Bauz (s. Interview im Kasten unten). Warum kooperiert Simcargo jetzt mit Elvis? Alexander Bauz, Geschäftsführer der Stückgutkooperation Simcargo in Homberg/Efze Der Stückgutverbund Simcargo und der Ladungsverbund Elvis wollen künftig zusammenarbeiten. Was planen Sie da? Elvis wird seine Stückgutsendungen künftig über das Zentralhub von Simcargo in Homberg/Efze einspeisen, während wir unser Langgut und unsere Teilladungen über das Zentralhub von Elvis in Knüllwald abwickeln. Das Schöne ist: Knüllwald und Homberg sind nur 13 Kilometer auseinander. Mit dem Vorteil, dass Elvis über uns die Möglichkeit erhält, Stückgut zu verteilen, während wir Langgut und Teilpartien, die nicht wirklich in unser Netz passen, über Elvis verteilen können. Wir starten damit zunächst in unserem Hub in Homberg, wo wir einen eigenen Abhol- und Zustellpartner haben, der dann auch für Elvis die Verteilerverkehre abwickeln wird. Welche Vorteile sehen Sie? Es geht uns bei der Zusammenarbeit vor allem um Sendungszuwächse. Sprich: Unsere Partner können uns nun auch ihr Langgut und ihre Teilpartien geben, die wir über das Elvis-Hub abwickeln und umgekehrt. Zudem erhoffen wir uns, auch Mengenvolumen von anderen Verbünden "abzugreifen" und die Auslastung für alle zu verbessern. Wie wirkt sich alles das auf die Zeitfenster Ihrer Transportpartner und Kunden aus? Da wird sich letztlich nichts ändern. Wir haben im ersten Halbjahr unser Zentralhub kräftig aufgerüstet. Dadurch haben wir unsere Umschlagsprozesse so beschleunigt, dass wir unsere Produktions-Zeitfenster und Cut-off-Zeiten halten werden. Cargoline: Fast nicht leistbarer Spagat "August ist sowieso immer ruhig, und im September ist das Mengenvolumen nicht wirklich durchgestartet." Auch die Stückgutkooperation Cargoline spürt die momentane konjunkturelle Flaute, sagt Jörn Peter Struck, Geschäftsführer des Speditionsverbundes. Acht Prozent weniger Mengenvolumen im Netz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum seien die Folge. "Und da wird in diesem Jahr auch nichts mehr kommen." Eher das Gegenteil. Wenn man mit Kunden spreche, kommen mittlerweile wieder Themen wie Kurz-arbeit, erklärt Struck. Erschwerend kommt in den Betrieben der Ergebnisdruck dazu. "Weniger Umsatz, steigende Kosten, Kapazitäten vorhalten und gleichzeitig das Qualitätsniveau hochhalten - das ist ein Spagat, den die Firmen fast nicht mehr leisten können", mahnt er. "Die neue Lkw-Maut würde sich daher im Ergebnis der Speditionen niederschlagen und muss deshalb eins zu eins weitergegeben werden." Denn in den Unternehmen sind laut Struck die Kosteneinsparpotenziale fast ausgeschöpft. Klar könne man immer versuchen die Lkw in den Hauptläufen noch besser auszulasten, fallweise würde man im Nahverkehr auch einzelne Fahrzeuge herausnehmen. Viele Möglichkeiten gebe es für regionale Spediteure aber nicht. "Am Ende werden manche Cargoline-Partner wohl nicht umhinkommen, einige ihrer Kapazitäten abzubauen", befürchtet Struck. "Im ersten Schritt wird man das noch über die Fluktuation lösen; danach wird man sehen. Das Ergebnis muss ja schwarz bleiben." Um wie viel Prozent müssen die Cargoline-Partner ihre Stückgutpreise jetzt also anheben? "Das ist für alle im Moment die große, große Frage. Noch sind da alle am Rechnen", weiß Struck, und noch sei die Maut-Studie von Professor Dirk Lohre nicht fertig. Er erwarte allerdings, meint er, dass allein die Maut pro Stückgutsendung 4,5 bis fünf Prozent ausmachen wird. Und um die deutlich gestiegenen Mehrkosten entsprechend einzupreisen, wird es wohl auf zehn bis elf Prozent höhere Preise pro Stückgutsendung hinauslaufen. Letztlich könne und müsse dies aber jeder Cargoline-Partner selbst entscheiden und selbst rechnen, betont Struck. Ritter Logistik: Die Kunden sind informiert "Im Grunde sind wir gezwungen, zum 1. Dezember 2023 die neue Lkw-Maut an unsere Kunden und Partner abzurechnen, da unsere aktuellen Margen weit unterhalb der Mauterhöhung liegen", sagt Andreas Ritter, Geschäftsführer des Stückgut- und Logistikunternehmens Ritter Logistik in Hannover und Magdeburg. Um wie viel Prozent er nun konkret seine Preise erhöhen will, weiß er noch nicht. Als Mittelständler warte er ab, wie die großen Speditionen das Thema Preise lösen. "Wir stehen ja im Wettbewerb, der durch die sinkenden Mengen im Markt gerade wieder deutlich zunimmt - und damit leider auch der Preisdruck. Da sind wir natürlich vorsichtig", erklärt Ritter. Er habe aber schon alle Kunden über die notwendigen Preisanpassungen zum 1. Dezember informiert. Relativ einfach werde sich das Ganze bei den Kunden gestalten, mit denen schon in der Vergangenheit Maut-tabellen vereinbart worden waren. Diese werden sich nun laut dem Geschäftsführer um 80 Prozent erhöhen. Schwierig werde es indes bei Kunden, weiß Ritter, in deren Preise die Mautgebühren bereits inkludiert seien. Grund dafür sei, dass hier der Mautanteil zunächst einmal abhängig von der jeweiligen Sendungsstruktur herausgerechnet werden müsse. Diese pauschalierte Preis-Variante hätten aber in der Vergangenheit vor allem die Kunden bevorzugt. "Die neue Lkw-Maut hat aber mittlerweile einen so hohen Anteil an den Transportkosten, dass dieser separat ausgewiesen werden sollte", unterstreicht er. "Wir wissen ja nicht, was in Zukunft da noch auf uns zukommt." Raben: Mehrkosten erhöhen die Preise Ewald Raben, CEO des Speditions- und Logistikunternehmens Raben Group, weiß schon sehr genau, um wie viel Prozent er aufgrund der deutlich gestiegenen Kosten nun seine Preise anheben will. So rechnet er bei innerdeutschen Komplettladungstransporten mautbedingt in 2024 mit rund zehn Prozent Mehrkosten; inklusive neun Prozent Mehrkosten wegen höheren Sach- und Personalkosten könnte er sich also vorstellen, die Preise für FTL-Transporte in Deutschland um 19 Prozent anzuheben. Und bei grenzüberschreitenden Sammelgut-Verkehren rechnet Raben mit bis zu 5,5 Prozent höheren Preisen und im nationalen Stückgut mit bis zu 6,5 Prozent höheren Preisen. "Wenn wir in zwei Jahren hierzulande keine Opfer in der Speditionsbranche beklagen wollen, müssen das Unternehmen jetzt tun", mahnt der Unternehmenschef. "Diese Kostensteigerungen gibt es. Diese sind nicht in der Raben Group entstanden, sondern kommen aus dem Markt. Und diese müssen wir natürlich weitergeben, auch wenn es für Verlader jetzt sicher auch nicht einfach ist. Die Mauterhöhung ist so krass und so groß, dass wir diese nicht schultern können." Was Raben angesichts der ganzen Kostensteigerungen und Preisdiskussionen deshalb vor allem ärgert, ist, dass die Lkw-Maut und Tachographen-Pflicht nicht für Fahrzeuge mit bis zu 3,5 Tonnen zGG (Busse/Vans) gilt. Die Folge sei, dass etliche Paketdienste Stückgüter mit solchen Fahrzeugklassen befördern, weil sie im Gegensatz zu den Sammelgutspeditionen eben keine Lkw-Maut bezahlen müssen. "Sammelgut wird durch die Lkw-Maut so teuer, dass es billiger ist, dieses Geschäft mit 3,5-Tonnen-KEP-Fahrzeugen zu machen", kritisiert er. Dafür müssten die Verlader nur aus einer Stückgutsendung zum Beispiel drei Pakete machen. Und das werde heute auch schon so gemacht, um Kosten zu sparen. Aus ökologischen Gründen sei dies für ihn völlig unverständlich, weil sich dadurch natürlich die Zahl der KEP-Fahrzeuge und Busse auf den Straßen deutlich erhöhe, schimpft der Unternehmenschef. "Am besten wäre es daher, wenn die Lkw-Maut und Tachographen-Pflicht schon für Fahrzeuge ab drei Tonnen gilt."

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