Warehouse: KI als Lager-Designer

Künstliche Intelligenz (KI) ist zum Rückgrat des technologischen Fortschritts der Logistikbranche geworden. Autonome Roboter übernehmen zunehmend Aufgaben von Menschen, intelligente Kameras identifizieren und verfolgen Waren, und in Warehouse-Management-Systemen wird KI als Prognosewerkzeug verwendet. Im Windschatten dieses ersten KI-Durchbruchs hat sich ein neuer Hype entwickelt. Generative KI erkennt nicht nur Muster und erstellt Prognosen, sondern produziert auch neue, plausible Inhalte. Ein Beispiel ist der "WarehouseDesigner" am Fraunhofer IML (siehe Kasten). Dazu später mehr. Blicken wir zunächst zurück: Die erste industrielle Revolution brachte mechanische Produktionsanlagen mit Wasser- und Dampfkraft wie etwa den mechanischen Webstuhl. Die zweite industrielle Revolution elektrifizierte die Produktion, wie in der Automobilindustrie. Die dritte industrielle Revolution automatisierte Abläufe und machte programmierbare Roboterzellen möglich. KI als aktive Mitgestalterin Industrie 4.0 vernetzt Maschinen, Daten und Prozesse zu cyber-physischen Systemen - und mit generativer KI werden diese Systeme kreativ. Sie liefert nicht nur Output, sondern gestaltet aktiv mit. Damit ist generative KI weit mehr als ein Werkzeug. Sie zeigt Handlungsoptionen auf und wird von vielen als super-schlauer Kommunikationspartner genutzt. Generative KI ist damit ein Gamechanger vieler Branchen. Eine IW-Consult-Studie hat eine Reduktion von bis zu 100 Stunden Arbeitsaufwand im Jahr ermittelt. Im digitalen Marketing entstehen Posts und Video-Skripte durch Prompts. In der Architektur erwachsen aus groben Ideen binnen Sekunden dreidimensionale Entwürfe. Und in der Logistikbranche hat generative KI eine stille Revolution für Programmierer ausgelöst. Heute dirigieren sie Softwareprozesse, die KI generiert die Codeblöcke. Entscheidender Hebel: Programmiersprachen folgen festen Regeln, die sich leicht in maschinell erlernbare Muster überführen lassen. Glossar: Was ist ein WarehouseDesigner? Der WarehouseDesigner ist ein KI-gestütztes Werkzeug, das die Konzeptphase der Lagerplanung unterstützt. Das Tool generiert basierend auf handgezeichneten Lagerlayouts automatisch eine strukturierte, digitale Datenbasis der Layouts, die mit Technologien wie Regalsystemen gefüllt und schlussendlich zum Beispiel als CAD-Dateien bereitgestellt werden. Dazu erfasst der WarehouseDesigner die Skizzen mit KI-basierter Computer Vision. Perspektivisch soll es den gesamten Planungsprozess KI-basiert unterstützen. Deutlich schnellere Planung Ein Beispiel für die Nutzung generativer KI in der Logistik ist der WarehouseDesigner, an dem das Fraunhofer IML als Partner im Lamarr-Institut arbeitet. Die oft unstrukturierten, schlecht definierten und branchenspezifischen Entscheidungsprobleme ermöglichen viele alternative Lösungen in der Planung. In der Folge sind die Ergebnisse und die dabei bedachten Varianten stark von der Erfahrung der jeweiligen Experten abhängig. Dieses Expertenwissen in die generative KI zu bringen und zu nutzen, wird die Planung in der Logistik elementar verändern. Denn dann ist es im Dialog mit der generativen KI - unter Nutzung des gesammelten Expertenwissens - möglich, binnen weniger Stunden Logistiksysteme zu planen. Die generative KI zeigt, welche alternativen Layouts und Lagerstrategien es gibt oder umgekehrt, welche Technologien in einem gegebenen Layout als Optionen infrage kommen. Besonders im Greenfield dauert die Ausarbeitung von Logistiksystemen mehrere Monate mit vielen Iterationsschleifen (Iteration - die Wiederholung eines Schritts, die Red.). Ein wesentlicher Bestandteil ist die Erstellung und Bewertung verschiedener Layoutvarianten, die auf einer detaillierten Daten- und Prozessanalyse basieren. Und für die Ausarbeitung der Layouts werden heute enorm viele Ressourcen verbraucht. Hier setzt das Projekt WarehouseDesigner des Fraunhofer IML an (siehe Foto Seite 49). Das Ziel ist es, die Generierung und Bewertung von Layoutvarianten deutlich zu vereinfachen und zu beschleunigen. Der Prozess beginnt mit einem manuell gezeichneten Blocklayout (1), das mithilfe von KI-gestützter Bild- und Handschrifterkennung in ein digitales Datenmodell überführt wird (2). Für die Erstellung der Blocklayouts befüllt ein generativer Algorithmus das gezeichnete Layout automatisch mit Objekten aus einer Technologie-Bibliothek. Dabei orientiert er sich an individuell definierbaren Zielfunktionen wie beispielsweise Flächenverbrauch oder Kosten. Das Ergebnis wird in Form eines zweidimensionalen Layouts visualisiert (3), das exportiert und somit in gängigen Planungstools weiterverwendet werden kann. Perspektivisch ist auch die Generierung dreidimensionaler Modelle vorgesehen (4), da diese inzwischen in Ausschreibungen zunehmend gefordert werden. Die Mensch-Maschine-Rollen Die Rollen in der Interaktion zwischen Mensch und Maschine sind klar verteilt. Die KI ist Ideengeber, schlägt Designs und Optimierungen vor. Planungsexperten wählen die passendste Variante, nehmen Anpassungen vor und spielen so ihr Fachwissen in die Generierungslogik zurück, sodass es nachhaltig im System verbleibt. Die Zukunft des WarehouseDesigners reicht indes über die Layoutgenerierung im Greenfield hinaus. Künftig werden auch Brownfield-Szenarien unterstützt, also die Analyse bestehender Lagerlayouts und ihre Nutzbarmachung für Neu- und Umplanungen. Zudem werden Materialflussanalysen integriert, automatisierte Kapazitätsberechnungen durchgeführt und Vorschläge auf Basis vergangener Projekte gemacht. Gamechanger mit Grenzen Der Mehrwert des WarehouseDesigners für Firmen liegt in der Beschleunigung der Konzeptphase eines Planungsprojektes. Zudem hilft die Lösung angesichts des Fachkräftemangels, wertvolles Expertenwissen zu formalisieren, im Betrieb zu halten und skalierbar einzusetzen. Der WarehouseDesigner zeigt den Weg von langwierigen, stark manuellen Prozessen hin zu einer interaktiven Zusammenarbeit zwischen Planer und KI. Generative KI ist ein Gamechanger, allerdings heute noch mit klaren Grenzen und Herausforderungen. KI kann zwar Vorschläge generieren, die Auswahl von Zielgrößen und die Definition von Restriktionen wird auf absehbare Zeit durch erfahrene Planer erfolgen. Um bestehende Planungen für einen Algorithmus nutzbar zu machen und Zusammenhänge erlernbar darzustellen, sind strukturierte und qualitativ hochwertige Daten erforderlich. Um diese aus verfügbaren Daten zu kreieren, bedarf es derzeit noch manueller Arbeit. Hier sind Feedbackschleifen zu drehen: Welches von einem Menschen oder einer KI vorgeschlagene Layout ist tatsächlich wie gut? In vielen Unternehmen existieren diese Informationen zwar, liegen jedoch verteilt über verschiedene Dateien und Experten und in unzureichend standardisierter Form vor. Es gilt: Generative KI wird zuerst für die Unternehmen zum Wettbewerbsvorteil, die den technologischen Wandel aktiv mitgestalten. Wichtig ist es, Akzeptanz zu schaffen, indem man die Mitarbeiter bei der Gestaltung der neuen Lösungen mitnimmt. Denn so gibt es die Möglichkeit, Chancen, Grenzen und Mehrwerte künftigen Anwendern erlebbar zu machen. Führungskräfte sind aufgerufen, Transformation vorzuleben. Mensch und KI stehen nicht in Konkurrenz, sondern in produktiver Partnerschaft. Lassen Sie uns gemeinsam den Transfer aus der Forschung in die Praxis gestalten. Der WarehouseDesigner des Fraunhofer IML Eine erste Version des WarehouseDesigner ist als Proof of Concept erfolgreich umgesetzt und läuft auf handelsüblichen Tablets. Für die praktische Umsetzung gilt es nun, die Datengrundlage zu diversifizieren und gemeinsam mit Industriepartnern unternehmensspezifische Informationen zu integrieren - schließlich hat jeder Anbieter eigene Produkte mit eigener Spezifikation und eigenen Alleinstellungsmerkmalen. Für eine Demonstration des aktuellen Entwicklungsstands und firmenspezifische Weiterentwicklungen stehen die Projektverantwortlichen Anike Murrenhoff und Maximilian Otten zur Verfügung. Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML geht den Weg der Innovation gemeinsam mit seinen Industriepartnern. Professorin Alice Kirchheim studierte Informatikingenieurwesen an der TU Hamburg und promovierte im Fachbereich Produktionstechnik der Universität Bremen. Seit 2024 ist sie Inhaberin des Lehrstuhls Förder- und Lagerwesen an der TU Dortmund und Institutsleiterin am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML. 2021 bis 2024 war sie Professorin für Technologie von Logistiksystemen an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg. Zuvor war sie unter anderem Professorin für Prozessmanagement in Produktion und Logistik an der Hochschule Aalen sowie in leitenden Positionen bei Still und Dematic tätig.

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