Gesundheitsmanagement

GesundheitsmanagementUnterwegs in Sachen GesundheitWie sich Unternehmen um die Fitness gewerblicher Mitarbeiter kümmern und was sie dabei beachten müssen, damit die Angebote auch angenommen werden, zeigt der erste Teil unserer Serie zum Gesundheitsmanagement.Wenn die Fahrer der Spedition Kellershohn aus Lindlar unterwegs sind, haben sie seit Neuestem eine spezielle Ladung dabei: das Theraband. Mit dieser Art Gummiband können sie in ihren Pausen einige Fitnessübungen machen. Einfach das Band auf der einen Seite an der Stoßstange befestigen, am anderen Ende mit den Armen nach oben ziehen – und schon werden Schultergürtel und Rücken gestärkt. Und das ist nur eine von vielen Maßnahmen, mit denen das Lindlarer Transportunternehmen sein Personal fit hält: Kellershohn bietet seinen Angestellten viele Seminare zu Gesundheitsthemen an, außerdem wird Mitarbeitern das Sportstudio bezahlt, wenn sie mindestens einmal pro Woche trainieren gehen (siehe Interview).Mit diesem umfassenden Fitnessprogramm gehört Kellershohn ganz klar zu den Pionieren. Denn wenn es um die Förderung der Mitarbeitergesundheit geht, hinkt die Transportbranche hinterher: Nur rund jeder fünfte Betrieb beschäftigt sich mit dem Thema, ergab eine Umfrage der Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin. Zum Vergleich: Im Durchschnitt kümmert sich mehr als ein Drittel der deutschen Unternehmen systematisch um die körperliche Fitness der Belegschaft, sagt die Initiative Gesundheit und Arbeit (IGA). Die Maßnahmen reichen von der Rückengymnastik über Seminare zur Stressbewältigung bis zum kostenlosen Obst im Bürokühlschrank. Wird das Ganze langfristig und planvoll betrieben, sprechen Fachleute von Gesundheitsmanagement – und das gewinnt durch die demografische Entwicklung weiter an Bedeutung: Sind Arbeitskräfte noch knapper, wird es für Unternehmen überlebenswichtig, die Belegschaft leistungsfähig zu halten. Mitarbeiter beteiligenOb eine Gesundheitsmaßnahme wirklich den gewünschten Erfolg bringt, entscheidet sich schon früh – nämlich bei der Auswahl. „Die Mitarbeiter müssen unmittelbar beteiligt werden“, betont Andreas Tautz, Chief Medical Officer bei der Deutschen Post. Der Bonner Konzern hat in jedem seiner Betriebe einen Arbeitskreis Gesundheit eingerichtet, in dem Management, Betriebsarzt und Betriebsrat sitzen, und der Maßnahmen gemeinsam beschließt. „Die halbe Miete ist, ins Gespräch zu kommen“, so Tautz. Er warnt vor einer zu mechanischen Betrachtung bei der Auswahl von Präventionsmaßnahmen. So ließen sich beispielsweise nur 15 Prozent aller Rückenleiden auf organische Ursachen zurückführen, so der Mediziner. Und trotzdem würden Aktivitäten zur Rückengesundheit noch allzu häufig lediglich auf Aktivitäten zum „richtigen Heben und Tragen“ fokussiert.Wie wichtig Feedback aus der Mannschaft ist, illustriert er anhand eines Beispiels: In einem Betrieb ist der Krankenstand dauerhaft hoch. Daraufhin wird die Belegschaft befragt – mit einem überraschenden Ergebnis: Die Mitarbeiter wünschen sich keinen Rückenkurs, sondern würden gerne ihren Arbeitsraum neu gestalten. Gesagt, getan: An einem Samstagvormittag räumt die Mannschaft gemeinsam mit dem Chef die Räume auf, außerdem werden neue Schränke aufgestellt (die Maßnahme wird zur Hälfte als Arbeitszeit angerechnet). Daraufhin sinkt der Krankenstand wieder auf ein normales Niveau.Vorbildfunktion der FührungskräfteDas Beispiel illustriert einen weiteren Faktor, der dafür sorgt, dass Weiterbildungsangebote von der Belegschaft auch angenommen werden: „Die Führungskräfte müssen vorangehen“, so Tautz. Auch dazu ein Beispiel: Zusteller der Post lernen nicht im Seminarraum, wie sie sich besser ernähren können, sondern direkt am Arbeitsplatz. Unter fachkundiger Anleitung findet ein sogenanntes „Zustellerfrühstück“ statt, bei dem die gesamte Mannschaft – auch das Management – morgens gemeinsam isst.Der Knackpunkt bei allen Weiterbildungsangeboten ist: Was bringt das Ganze? Bei dieser Frage sind nur Schätzungen möglich. Angenommen ein Betrieb hat 30 Mitarbeiter, und es gelingt durch Vorsorgemaßnahmen pro Kopf einen Krankheitstag (Kosten: mindestens 300 Euro) zu vermeiden, ließen sich so 9000 Euro jährlich einsparen. Dem stehen freilich die Kosten für die Maßnahmen gegenüber, wobei hier der Staat den Spediteuren unter die Arme greift: Wird in betriebliche Gesundheit investiert, sind 500 Euro pro Mitarbeiter steuerfrei. Unter dem Strich dürfte das Geld gut angelegt sein. Die AOK hat in einer Erhebung ermittelt, dass ein Großbetrieb durch Gesundheitsmanagement ca. 270 Euro pro Mitarbeiter einspart. So genau lässt sich das Gesundheitsplus jedoch nur selten errechnen. Dabei ist die Akzeptanz von Vorsorgemaßnahmen in der Praxis oft gering. „Darauf haben die Leute keine Lust“, meint beispielsweise Uwe Dechert. Der Bremer Spediteur weiß, wovon er spricht, schließlich hat er seiner Belegschaft in den letzten Jahren schon vieles angeboten: Kurse zum Stressabbau, Beratung durch eine Physiotherapeutin, sogar das Fitnessstudio wurde den Fahrern auf Wunsch bezahlt – vergebens. „Die sind nie da gewesen“, berichtet Dechert, der selbst an den meisten Weiterbildungsangeboten teilgenommen hat. Sein Fazit nach fünf Jahren Gesundheitsförderung: „Jeder geht heutzutage seinen eigenen Weg.“ ❙❚■ Constantin Gillies, freier JournalistFit im Betrieb – fit unterwegsDie Fahrer der Spedition Kellershohn haben bei ihren Touren ein Theraband dabei, mit dem sie in den Pausen Übungen am und im LKW machen könnenGesundheitsmanagementDas können Unternehmen tun, damit ihre Mitarbeiter fit bleiben: VR 24: Maßnahmen für gewerbliche MitarbeiterVR 25: Maßnahmen für kaufmännische MitarbeiterGesundheitsmanagementSo werden Weiterbildungsangebote besser angenommenBevor Sie Präventionsmaßnahmen ergreifen: Befragen Sie die Mitarbeiter, was im Betrieb verbessert werden könnte. Oft sind gesundheitliche Probleme nur ein Resultat von falschem Führungsstil oder mangelhaften Arbeitsmitteln. Beziehen Sie die Belegschaft in die Auswahl von Seminaren, Coachings oder Kursen ein. Für Fernfahrer: Bieten Sie Seminare blockweise an, zum Beispiel am Wochenende.Setzen Sie Anreize: Rechnen Sie die Teilnahme an Seminaren zum Beispiel als Arbeitszeit an; Veranstaltungen sollten außerdem an einen leicht zu erreichenden Ort und zu bequemen Zeiten stattfinden.Nutzen Sie fertige Angebotspakete, zum Beispiel von BKK oder AOK.Am wichtigsten: Weiterbildungsmaßnahmen finden nur Akzeptanz, wenn der Chef mitmacht. Versuchen Sie, die gesamte Belegschaft anzusprechen. cgGesundheitsmanagementEinmal die Woche ins SportstudioWilli Kellershohn, Geschäftsführer der Spedition Kellershohn, hat durch Gesundheitsförderung die Krankheitstage gesenkt. Sie bezahlen Ihren Fahrern die Mitgliedschaft im Sportstudio, wenn sie einmal die Woche trainieren gehen. Wie kontrollieren Sie das?Willi Kellershohn: Das ist leicht: Die Mitarbeiter bekommen Zehnerkarten, auf der jedes Training abgestrichen wird. Natürlich schwankt das sportliche Engagement etwas zwischen Sommer und Winter, aber im Schnitt nehmen 20 Prozent der Mitarbeiter das Angebot wahr. Dazu kommen acht bis zehn Seminare pro Jahr, zum Beispiel zum Thema „Heben, Tragen und Sitzen“, wobei wir das etwas zurückfahren werden. Die Mitarbeiter sagen, das wäre ein bisschen viel.Gibt es nicht Widerstände dagegen à la „Gesundheit ist meine Privatsache“?Auf diese Einwände muss man eingehen. Schließlich stellt sich niemand vor alle Kollegen hin und sagt, hier und da tut es mir weh‘. Deshalb gehen wir in den Seminaren so vor, dass es erst mal einen allgemeinen Vortrag gibt, nach dem dann jeder Teilnehmer nochmal persönlich 30 Minuten mit einer Krankengymnastin sprechen kann. Die arbeitet dann ein persönliches Fitnessprogramm aus.Das klingt nach hohen Kosten. Spielen Sie die wieder ein?Der Erfolg spiegelt sich in geringen Krankheitstagen wider. Unsere Fluktuation ist extrem niedrig, und das Gesundheitsprogramm macht den Job für Einsteiger interessanter. Doch ich denke, es geht nicht nur darum, sondern auch um die langfristige Zufriedenheit: Wer sich um die Gesundheit der Mitarbeiter kümmert, sendet eine klare Botschaft, nämlich „In unserem Betrieb können Sie alt werden“. cgInterviewWilli Kellershohn

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