E-Commerce

E-CommerceDie jungen WildenSpediteure, die mit Online-Shops zusammenarbeiten, werden gesucht. Allerdings: Die Anforderungen an die Logistiker unterscheiden sich im Vergleich zum herkömmlichen Transportgeschäft. Teil zwei unserer Serie zum E-Commerce.Wir hatten allein in den letzten zwei Monaten über 20 Anfragen“, freut sich Christian Mitterhuber, Geschäftsführer von HMS Logistik. Das Unternehmen aus Otterfing bei München hat sich darauf spezialisiert, für Webshops die Logistik zu übernehmen. Das Kundenspektrum von HMS reicht von einem Shop für Gesundheitsprodukte über einen Elektronikversender bis zum Eishockeyclub München, für den der Versand von Merchandising-Artikeln organisiert wird. HMS lagert die Waren, kommissioniert und reicht die Bestellungen der Onlinekäufer an einen KEP-Dienstleister weiter. Die Ansprüche der Internethändler fasst Mitterhuber so zusammen: „Sie wollen möglichst viel aus der Hand geben.“ 21 Prozent mehr Umsatz im Netz – so lautet die Prognose des Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels (BVH) für 2013. Dass sich die Einkaufswagen im Netz füllen, spürt nicht nur HMS in München. Viele Fulfillment-Dienstleister berichten derzeit von einer wahren Anfrageflut. „Die ganze Welt sucht nach Logistikern“, bestätigt Martin Bidder, Geschäftsführer von Acut Logistics in Berlin. Zu den Kunden des Unternehmens gehören vor allem kleinere Webshops, die nur 500 bis 700 Artikel im Sortiment haben und einen engen Kontakt zu den Bestellern pflegen. „Anders als die großen Anbieter können wir individuelle Dienstleistungen bieten“, wirbt Bidder. Wer auf dem neuen Markt für E-Commerce-Logistik mitspielen will, muss allerdings umdenken. Denn die Regeln aus der alten Speditionswelt gelten hier teilweise nicht mehr. Das beginnt schon bei der Kundengewinnung: Messen, Branchentreffen und persönliche Kontakte bleiben zwar hilfreich, doch mindestens genauso wichtig ist es, die eigenen Leistungen im Netz gut zu präsentieren. „Wir schalten 90 Prozent unserer Werbung im Internet“, berichtet Mitterhuber. Eine Möglichkeit für Firmen, ihre Sichtbarkeit online zu erhöhen, ist die sogenannte Suchwortwerbung. Das Prinzip: Unternehmen geben zum Beispiel bei Google eine Hand voll Stichworte ein – etwa: Webshop, Logistik, Fulfillment. Sucht ein Internetnutzer dann nach diesen Begriffen, erscheint auf der Ergebnisseite der Firmenname ganz oben. Für diese Werbung zahlt das Unternehmen nur, wenn tatsächlich jemand auf den Link klickt, der Preis für diese sogenannte Keyword-Werbung wird in einem Auktionsverfahren ermittelt (mehr dazu unter adwords.google.com). Grundsätzlich gilt: Je allgemeiner der Begriff („Fulfillment“), desto höher die Kosten pro Klick. Extrem wichtig ist auch eine gute Homepage gekoppelt mit professioneller Pressearbeit im Netz. So nutzt Acut Logistics kostenlose Seiten wie pr-gateway.de, um seine Leistungen bekanntzumachen. Dieses Online-Marketing wirkt: Zu den Suchbegriffen „Webshop“ und „Logistik“ sind die Berliner bei Google auf Platz eins gelistet. „Dabei geben wir weniger als 1000 Euro pro Jahr für Marketing aus“, freut sich Geschäftsführer Bidder. Zeitnahe Antworten sind Pflicht Ein neuer Stil ist auch bei der Kommunikation gefragt. Hier gibt es große Unterschiede zwischen Netzwirtschaft und „Old Economy“. „Wir haben fast keinen persönlichen Kontakt zu den Kunden mehr“, berichtet Fulfillment-Experte Mitterhuber. Stattdessen bevorzugt die E-Commerce-Branche elektronische Kommunikation: Bestellungen übermitteln die Webshops üblicherweise automatisch an das Warenwirtschaftssystem des Logistikers (nur in Ausnahmefällen werden PDF-Lieferscheine per E-Mail versendet). Besteht Gesprächsbedarf, etwa weil eine Lieferung fehlerhaft war, verschicken die Shops in der Regel eine E-Mail – die der Dienstleister zeitnah beantworten muss, am besten innerhalb einer Stunde. „Zum Telefon wird kaum noch gegriffen“, fasst Mitterhuber zusammen. Entsprechend hoch ist das elektronische Postaufkommen: Dienstleister berichten von 300 Mails pro Tag – davon 100 Bestellungen und 200 Nachrichten, die mit Retouren, Reklamationen und Liefermodalitäten zu tun haben. Grundsätzlich sind die meisten Webshops an einem Rund-um-sorglos-Paket interessiert. Die Betreiber kennen sich mit Webdesign, Social Media und Suchmaschinenoptimierung aus – mit dem physischen Transport dagegen wollen gerade junge Gründer nichts zu tun haben. Hier liegt eine große Chance für Dienstleister: Zusatzangebote wie eine Schufa-Prüfung der Besteller werden gerne angenommen. Selbst den Einkauf lagern manche Web-shops zum Teil aus: HMS Logistik etwa bestellt für einige Kunden automatisch Ware nach, wenn ein bestimmter Bestand unterschritten wird. Selbstverständlich erwartet werden Avisierung per E-Mail sowie Tracking & Tracing. Problematische Preisverhandlungen Einfach ist das Geschäft mit den jungen Wilden allerdings nicht. Viele Insider berichten von gescheiterten Verhandlungen, abgesprungenen Webshops und wütenden Diskussionen. Das Grundproblem: Viele Onlinehändler starten als Wohnzimmer-Business, bei dem der Gründer die Bestellungen noch selbst verpackt. Irgendwann schwillt das Volumen so stark an, dass Selbermachen nicht mehr möglich ist. „Und dann wird erwartet, dass sich ein Dienstleister genau so liebevoll und zeitintensiv um jede Bestellung kümmert“, sagt Geschäftsführer Bidder von Acut. Das stellt die Logistiker vor eine Herausforderung: Sie müssen den Betreibern der virtuellen Läden schonend klarmachen, dass es Grenzen des persönlichen Services gibt. Besonders problematisch sind die Preisverhandlungen. Viele Internetgründer verfügen kaum über logistisches Vorwissen und haben entsprechend unrealistische Vorstellungen von den Kosten. Ein Kunde von Acut etwa forderte folgende Leistung: Es sollten Geschenkpakete kommissioniert und herausgeschickt werden, in einer dreistelligen Stückzahl. Jedes Paket enthielt jeweils zwölf einzeln verpackte Artikel, es gab 16 unterschiedliche Bestückungsvarianten. Zu guter Letzt sollte jede Sendung mit einer von Hand gebundenen Schleife verziert werden. 2,50 Euro wollte der Kunde für diese Dienstleistung zahlen. „Wir mussten uns trennen“, sagt Bidder. Er hat es sich zur Gewohnheit gemacht, mit jedem Neukunden einen zwei- bis dreimonatigen Probelauf zu machen und danach noch einmal nachzurechnen, ob sich das Geschäft lohnt. Auch bei HMS Logistik in München rät man Interessenten mitunter, die Logistik weiter selbst zu organisieren, zum Beispiel, wenn es nur um ein paar T-Shirts pro Woche geht. Geschäftsführer Mitterhuber lacht: „Selbst, wenn ich mich dadurch um das Geschäft bringe.“ ❙❚■ Constantin Gillies, freier Journalist „Es fehlen kleine Kühlfahrzeuge“ Lisa Rentrop, Geschäftsführerin von Kommt-Essen, bietet im Internet Einkaufstüten mit Rezepten und den entsprechenden Zutaten an.Welche Anforderungen hat der Onlinehandel mit Lebensmitteln an die Logistik? Lisa Rentrop: Da unsere Einkaufstüten auch Fleisch, Fisch und andere Frischprodukte enthalten, brauchen wir Kühltransporte. Außerdem müssen die Fahrzeuge klein genug sein für den Stadtverkehr. Eingesetzt wird zum Beispiel ein Citroën Berlingo mit Regalplätzen.Wer übernimmt die Lieferung?Wir haben angefangen mit Firmen, die auf den Transport von Schlachtereiprodukten spezialisiert sind. Jeweils ein Dienstleister ist für einen Postleitzahlenbereich zuständig, darunter sind auch einige Kleinunternehmer mit drei bis vier Wagen. Allerdings ist es immer eine Herausforderung, neue Dienstleister zu finden. Es gibt in Deutschland definitiv eine Knappheit an kleinen Kühlfahrzeugen. Haben Sie darüber nachgedacht, die Logistik selbst zu übernehmen?Nein. Wir liefern unsere Tüten ausschließlich montags zwischen 17 und 22 Uhr an die Kunden aus; dafür eigene Fahrzeuge anzuschaffen wäre unwirtschaftlich. Wie sind Ihre Erfahrungen als Internet-Unternehmerin mit der Speditionsbranche? Überwiegend positiv. Die meisten Dienstleister arbeiten schon seit unserer Gründung 2010 mit uns zusammen. Aber natürlich gibt es auch manchmal Probleme: Alles, was die Kunden von unserem Unternehmen sehen, sind die Fahrer. Deshalb sollten sie das Gefühl vermitteln, Spaß an ihrer Arbeit zu haben. cgDie Serie E-Commerce verändert die TransportweltDie Revolution im Handel und ihre Folgen für Transporteure VR 18: Transport- und Lieferketten im Wandel VR 19: Onlineshops: Kunden finden und binden VR 20: Nadelöhr Privatkunde – so klappt die Zustellung VR 21: 3-D-Drucker: Chancen und Risiken für Logistiker Interview „Die ganze Welt sucht nach Logistikern“ Martin Bidder, Geschäftsführer Acut Logistics

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