Paris. Die unabhängige Pariser Wettbewerbsbehörde Autorité de la concurrence hat in einem Verfahren wegen Missbrauchs einer marktführenden Position durch das französische Staatsbahnunternehmen Fret SNCF dem Kläger Euro Cargo Rail (ECR) überwiegend Recht gegeben. Die DB-Tochter hatte die Wettbewerbsaufsicht im Oktober 2009 angerufen. Die Berichterstatter der Behörde stellten Anfang September ihre Ergebnisse vor. Sie wurden jetzt vom Infodienst La Vie du Rail zusammengefasst.
Besonders beanstandet wird hierin die Preispolitik der Staatsbahn im Bereich der Vollzüge (trains massifs). Praktiziert wird sie seit Ende März 2006 und war zuvor schon durch den Pariser Rechnungshof Cour des comptes kritisert worden, der noch im März dieses Jahres monierte, dass die entsprechenden wettbewerbsverzerrenden Tarife seitens Fret SNCF noch immer in Geltung seien. Die Wettbewerbskontrolleure brandmarkten sie jetzt als „Raubtierpreise“. Diese Praktiken seien „extrem schwerwiegend“ und hätten die Einstiegstarife der privaten Mitbewerber überboten, ohne dass die Staatsbahn die von den Verladern zu erwarten gewesenen quantitativen und qualitativen Vorteile gewährt worden seien. Dies habe dem Bahnfrachtbereich einen „gewissen Schaden“ zugefügt. Wie die Zeitung Les Echos dazu berichtet, könnte sich hieraus für Fret SNCF eine Bußgeldverpflichtung ergeben; mit einer Entscheidung darüber sei bis Jahresende zu rechnen.
Mehrere Klagepunkte haben die Berichterstatter als Missbrauch von Marktdominanz anerkannt, unteranderem:
- Behinderung im Bereich der Ausbildung zum Zugführer mit Diplom, was den Markteintritt des Klageführers erschwert und verzögert habe;
- Weitergabe vertraulicher Informationen bezüglich des Zugangs zu den Bahninfrastrukturen seitens SNCF an Fret SNCF zwischen April 2006 und September 2008;
- Zugangsbeschränkende Praktiken zur Behinderung des Wettbewerbs bei der Kapazitätsreservierung und Verteilung der Streckennutzungszeiten;
- abschreckende und undurchsichtige Tarifpraktiken im Gegensatz zu diversen Direktiven seitens europäischer Instanzen von 2001 sowie einem Dekret des französischen Staatsrats aus dem Jahre 2003;
- tarifliche Diskriminierung zugunsten der Fret SNCF-Tochter VFLI;
- missbräuchliche Vermietung von Zugmaschinen an die Fret SNCF-Tochter Naviland zu Tarifen unterhalb der Gesamtkosten;
- Marktmissbrauch auch im Bereich der Einzelwaggon-Behandlung zugunsten von Vollzügen, wodurch der Konkurrenz der Zugang zu diesem Marktsegment zum Teil blockiert worden sei;
- Behinderung der Verladerentscheidung auch für andere Dienstleister als Fret SNCF durch Knebelungspraktiken im Bereich von Verträgen für Gleisanschlussgelände;
- Tarifdiskriminierung ebenfalls beim Verleih von Waggons zugunsten von Fret SNCF. (jb)