Bundesregierung gegen einen Bahn-Umzug

29.11.2005 16:21 Uhr

Das Bundeskabinett hält einen Umzug der Bahnzentrale von Berlin nach Hamburg aus strukturpolitischen Gründen für nicht akzeptabel. Dies erklärte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee nach der Sitzung der Ministerrunde. Hamburgs Oberbürgermeister indes besteht auf dem Umzug. Bahn hat noch keine Entscheidung gefällt.

Berlin. Die Bahn will die Verhandlungen mit Hamburg über ein Engagement in der Hansestadt auch nach dem Votum des Bundeskabinetts gegen einen Umzug der Konzernzentrale weiterführen. Das teilte das Unternehmen mit. Der SPD-Politiker Tiefensee kritisierte, Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) habe dem „Vernehmen nach“ die geplanten Beteiligung der Bahn am Hafenbetreiber HHLA und der Hamburger Hochbahn AG „mit der Forderung nach einem Umzug der Konzernzentrale verknüpft“. Dies lehne das Kabinett ab, weil – wie bei den Hauptsitzen von Telekom und Post AG – für solche Standortfragen „auch strukturpolitische Aspekte angemessen berücksichtigt“ werden müssten. Tiefensee sieht den Berliner Senat jetzt in der Pflicht, nach dem Auslaufen der Mietverträge der Bahn AG für das Hochhaus am Potsdamer Platz 2008/2009 für eine angemessene Unterkunft des Konzerns zu sorgen. „Ich bin sicher, dass Berlin diese Chance nutzen wird“. Zuvor hatte der Ressortchef auf Veranlassung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Bahnchef Hartmut Mehdorn gesprochen, der die Umzugspläne anschließend als „gänzlich offen“ bezeichnet hatte. Die Gespräche mit Hamburg stünden „noch ganz am Anfang“. Eine Entscheidung in der Sache werde es nicht vor Ende des ersten Quartals 2006 geben. Mehdorn betonte, für einen möglichen Umzug gebe es ausschließlich unternehmerische Gründe. Der Verkehrsminister bewertete ebenso wie Mehdorn die vorgesehene Beteiligung der Bahn AG an den Hamburger Unternehmen strategisch und wirtschaftlich positiv. Der Hamburger Bürgermeister von Beust beharrt nach dem negativen Votum des Bundeskabinetts auf dem Umzug des Bahn-Vorstandes von Berlin nach Hamburg. „Die neue Bundesregierung steht jetzt vor einer grundsätzlichen Weichenstellung“, sagte von Beust am Hamburg. „Will sie die Bundesunternehmen für den Markt öffnen oder durch politische Einflussnahme eine gute wirtschaftliche Entwicklung verhindern?“ Die Regierung müsse damit ihren ersten wirtschaftspolitischen Testfall bestehen. Die Bahn habe Hamburg ein Paket angeboten, das auch nur als Paket verhandelbar sei, sagte der Bürgermeister. Ohne den Umzug des Vorstandes sei auch der Verkauf von großen Teilen der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und der Hamburger Hochbahn AG (HHA) hinfällig. Es sei nicht ausreichend, wenn nur die Leitung der Logistiksparte der Bahn nach Hamburg verlagert werde. „Dieses Paket ist auch aus Sicht der Bahn eine Einheit“, erklärte von Beust. „Es bietet ihr die Chance, sich zu einem internationalen Mobilitätskonzern zu entwickeln.“ Beust machte deutlich, dass aus seiner Sicht noch keine Entscheidung gefallen ist und die juristischen Einwirkungsmöglichkeiten der Bundesregierung auf den Bahn-Vorstand gering sind. Er warnte die Regierung vor einem Rückfall in staatlichen Interventionismus. „Struktur- und Regionalpolitik mit Hilfe bundeseigener Unternehmen war bisher nicht Aufgabe der Bundesregierung und sollte es auch künftig nicht werden.“ Zugleich machte von Beust deutlich, dass Hamburg auch ohne Hilfe der Bahn die HHA und die HHLA weiterentwickeln könne. „Es ist nicht so, dass wir der Bahn mit hängender Zunge hinterherlaufen“, sagte er. Der FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich meinte, „wenn der Hamburger Senat seine Hochbahn und Hafengesellschaft quasi unter der Bedingung anbietet, dass die Bahn dafür ihre Zentrale mitbringt, hat das einen üblichen Beigeschmack“. Ähnlich argumentierte der Grünen-Verkehrspolitiker Winfried Hermann.

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