Bekannter Versender

Bekannter Versender Kontrolle in unsicherer Zeit Im Namen der sicheren Lieferkette setzen die Behörden Bekannte Versender mit Kontrollen unter Druck. Die Verunsicherung in der Branche, welche Sicherheitsanforderungen einzuhalten sind, ist groß. Das Bundesverkehrsministerium hat seit den vereitelten Anschlägen mit Luftfrachtbomben Ende Oktober die Kontrollpraxis verschärft. Seite Mitte November hat das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) rund 70 Bekannte Versender und Reglementierte Beauftragte kontrolliert. Ein Kontrollenschwerpunkt waren Zugangstests an Betriebsstätten, besonders hier wurden Mängel festgestellt. Unter anderem wurde drei Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen der Status des Bekannten Versenders entzogen. „Mit unangemeldeten Besuchen wollen wir Schwachstellen aufspüren und umgehend beseitigen. Unternehmen, die unseren Sicherheitsauflagen nicht genügen, wird die Lizenz entzogen“, erklärt Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer das strikte Vorgehen. Das Luftfahrt-Bundesamt werde Bekannte Versender und Reglementierte Beauftragte auch weiterhin scharf kontrollieren. Alle Unternehmen in der Lieferkette müssten jederzeit mit unangemeldeten Kontrollen rechnen. Der für Transportfragen zuständige Mitarbeiter beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) Ingo Elste begrüßt die verstärkten Kontrollen vor Ort um das allgemeine Sicherheitslevel hochzuhalten. Wenn drei Unternehmen „durch das Raster fallen“, sei das gar kein schlechter Schnitt bei 65.000 Bekannten Versendern. Sein Eindruck von der letzten Sitzung des neu ins Leben gerufenen Luftsicherheits-Arbeitskreises des Bundesinnen- und Bundesverkehrsministeriums: „Die Politik geht das Thema jetzt ernsthaft an, ohne dabei in Aktionismus zu verfallen. Ich erwarte keine Schnellschüsse.“ Die europäischen Luftsicherheitsvorschriften verlangen eine hundertprozentige Frachtkontrolle. Alle Frachtsendungen sind vor dem Verladen in ein Flugzeug zu überprüfen. Laut Bundesverkehrsministerium tragen die Luftfahrtunternehmen die Letztverantwortung, da sie nur kontrollierte Fracht entgegennehmen dürfen. Eine Kontrolle am Flughafen sei nur dann nicht nötig, wenn die sichere Lieferkette gewährleistet sei. Reglementierte Beauftragte und Bekannte Versender spielen dabei zentrale Rollen. Annette Wiedemann, Leiterin Dekra Industrie und Aviation, ist überzeugt, dass das Konzept der sicheren Lieferkette sinnvoll ist. Allerdings müsse sichergestellt sein, dass das System behördlich überwacht wird, um das Niveau hochzuhalten. Nachbesserungsbedarf sieht sie bei der Behandlung von Transitfracht, die derzeit nicht extra kontrolliert werden müsse, wenn sie im Sicherheitsbereich eines deutschen Flughafens auf ein anderes Flugzeug umgeladen wird. Die Ursprungsflughäfen seien in der Pflicht und es sei auf Drittstaaten mit minderwertigen Sicherheitsstandards unbedingt einzuwirken. Auch Rechtsanwalt Wolf Müller-Rostin sieht die größten Sicherheitslücken in den Sendungen, die aus unsicheren Ländern kommen (siehe Interview S. 41). Insbesondere Bekannte Versender sind nun verunsichert. Bislang standen sie kaum im Fokus der Behörden. Bis Ende April dieses Jahres genügte die Abgabe einer Sicherheitserklärung gegenüber einem Reglementierten Beauftragten, um den Status Bekannter Versender zu erlangen. Darin musste das Unternehmen unter anderem bestätigen, dass Sendungen vor unbefugten Zugriffen geschützt und in sicheren Betriebsräumen vorbereitet werden und das Personal geschult wird. Seit dem 29. April 2010 können Bekannte Versender nur noch behördlich zugelassen werden. Spätestens bis 25. März 2013 müssen alle Bekannten Versender vom LBA zugelassen sein, damit ihre Fracht ohne weitere Kontrollen sicher verladen werden kann. Bis dahin gilt eine Übergangsfrist für die Unternehmen, die bereits vor dem 29. April 2010 in Geschäftsbeziehungen mit einem Reglementierten Beauftragten standen und aufgrund einer abgegebenen Sicherheitserklärung von diesem als Bekannter Versender anerkannt wurden. Konkretes Wissen fehlt „Die Verunsicherung bei den Bekannten Versendern ist sehr groß“, bestätigt Ulrich Dünnes, geschäftsführender Gesellschafter STI Security Training International GmbH. Die als Bekannter Versender anerkannten Unternehmen hätten zwar mit Abgabe der Sicherheitserklärung bestätigt, die notwendigen Sicherungsmaßnahmen sowie Personalschulungen durchzuführen, für die meisten sei dies aber ein rein formaler Akt gewesen. Nur eine Minderheit der geschätzt 65.000 Bekannten Versender habe tatsächlich in Sicherungsmaßnahmen und Schulung investiert. Den Unternehmen fehle häufig das konkrete Wissen darüber, wie ein Sicherheitssystem in einem Betrieb etabliert werden kann. „Die Anweisungen in den EU-Verordnungen sind bewusst allgemein gehalten, da sie in allen 27 Mitgliedsstaaten der EU gelten, aber unterschiedliche Rahmenbedingungen haben“, erklärt Dünnes. Offizielle Checklisten oder Best-Practice-Beispiele gebe es nicht. Mit der behördlichen Zulassung – derzeit liegen dem LBA rund 3000 Anträge vor – wird zumindest diese Unsicherheit beseitigt. Denn um sie zu erlangen, müssen die Unternehmen unter anderem ein Bekannter-Versender-Sicherheitsprogramm erstellen. Ob es nötig ist, sich zertifizieren zu lassen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dies sei beispielsweise unternehmensintern in einer Kosten-Nutzen-Analyse zu klären, so das LBA. Dabei seien unter anderem das Luftfrachtvolumen mit den damit einhergehenden Kosten für Kontrollen (unter anderem Röntgen) und die Aufwände für das Erstellen eines Bekannte-Versender-Sicherheitsprogramms, der Schulung oder der Zulassungsgebühren gegenüberzu-stellen. Die Kosten für die Zertifizierung seien noch nicht bekannt, da die entsprechende Gebührenverordnung noch ausstehe ebenso wie die Novellierung der Luftsicherheits-Schulungsverordnung, so Ulrich Dünnes. ❙❚■ Kathrin Petersen, Dietmar Winkler Bekannte Versender müssen ihre Betriebe sichern Luftfrachtsicherheit Reglementierte Beauftragte und Bekannte Versender müssen Sicherheitsauflagen erfüllen. VR 49: Pflichten des Bekannten Versenders VR 50: Pflichten des Reglementierten Beauftragten Bekannter Versender „Die Verantwortung wird verlagert“ Der Rechtsanwalt und Berater in Luftfahrtangelegenheiten Wolf Müller-Rostin zum Konzept der sicheren Lieferkette. Seit Kurzem kontrolliert das Luftfahrt-Bundesamt verschärft das Einhalten der Sicherheitsanforderungen bei Bekannten Versendern und Reglementierten Beauftragten. Was raten Sie Bekannten Versendern, um keine Probleme bei Kontrollen zu bekommen? Müller-Rostin: Bekannte Versender sollten das tun, was sie zugesagt haben. Sie haben eine Erklärung abgegeben, dass sie sich in einer bestimmten Weise verhalten und müssen dies auch einhalten. Wenn man zum Beispiel sich verpflichtet, Personal zu schulen, diese Schulung aber unterlässt, dann hat man „verloren“. Was halten Sie vom Konzept der sicheren Lieferkette? Ich wüsste nicht, welches Konzept besser sein sollte. Es ist zwar beschwerlich für alle Beteiligten, aber die einzige Möglichkeit, den Warenfluss aufrechtzuerhalten, da man nicht jede einzelne Sendung vor Abflug untersuchen kann. Verlagert die sichere Lieferkette nicht nur die Verantwortung vom einen auf den anderen? Ja, natürlich wird die Verantwortung verlagert von dem, der transportiert, auf denjenigen, der die Sendung verpackt oder zusammenstellt. Nur er weiß allerdings auch, was Inhalt der Sendung ist. Es ist insofern in Ordnung, die Verantwortung auf den Bekannten Versender respektive den Reglementierten Beauftragten zu verlagern. Wer haftet, wenn es zum Beispiel aufgrund einer in einer Sendung versteckten Bombe zu verspäteter Warenauslieferung oder einer Explosion kommt? Wenn etwas passiert, haftet das Luftfahrtunternehmen dem Geschädigten gegenüber. Es kann aber bei demjenigen Regress nehmen, der den Schaden verursacht hat. Zunächst wird sich das Luftfahrtunternehmen an den Reglementierten Beauftragten wenden, der häufig Vertragspartner des Luftfahrtunternehmens ist. Der Reglementierte Beauftragte wiederum wird sich beim Bekannten Versender das Geld wieder holen. Letztlich fällt es also auf den zurück, der eine unwahre Erklärung abgegeben oder nicht kontrolliert hat, was in seiner Sendung eingepackt ist. Hätte das Luftfahrtunternehmen oder der Reglementierte Beauftragte erkennen können, dass eine Bombe in der Sendung war, wird man zwar den Bekannten Versender nicht aus der Haftung entlassen können, aber möglicherweise ein Mitverschulden beim Luftfahrtunternehmen oder Reglementierten Beauftragten feststellen und die Regressforderung dementsprechend kürzen. Wo sehen Sie die größten Sicherheitslücken in der Luftfracht? In den Sendungen, die aus unsicheren Ländern kommen. Das kann jedes Land sein, in dem eine Sendung nicht im Rahmen einer sicheren Lieferkette angeliefert wird. Was wir in Europa oder Amerika betreiben, ist gut und auch richtig, aber wie die Erfahrung gezeigt hat, nützt es im Grunde nur bedingt. Denn auch Terroristen wissen, dass es sichere Lieferketten (noch) nicht weltweit gibt. Wie könnte man dieses Problem lösen? Optimal wäre es natürlich, man würde alle Staaten verpflichten, eine sichere Lieferkette aufzubauen. Aber ich habe allergrößte Zweifel, ob man eine solche Verpflichtung weltweit durchsetzen könnte. Dann bleibt die Möglichkeit, die Fracht, die in Ländern ohne sichere Lieferkette angeliefert wird, vor Einladen ins Flugzeug zu durchleuchten. Aber wer die Verhältnisse auf Flughäfen in weniger entwickelten Ländern kennt, der weiß, dass das völlig utopisch ist. Eine weitere Möglichkeit ist es, Sendungen aus solchen Ländern nicht in Passagierflugzeugen, sondern nur in Frachtflugzeugen zu befördern. kap Interview Müller-Rostin