Bekannter Versender

Bekannter Versender Ein Raum reicht Die baulichen Anforderungen an das Lager eines Bekannten Versenders sind überschaubar. Die Schulungsanforderungen an die Mitarbeiter sind da schon anspruchsvoller. Luftfracht soll ihrem Namen alle Ehre machen und schnell sein: Dann muss der Versender nicht nur Versender, sondern ein Bekannter Versender sein (VerkehrsRundschau 17/2012). Den Status bekommt vom Luftfahrt-Bundesamt (LBA) aber nur, wer auch ein sicheres Lager vorweisen kann. Fort Knox muss nicht sein Dabei ist der Aufwand für die Einrichtung eines sicheren Bereichs zur Lagerung der als Luftfracht ausgewiesenen Sendungen gar nicht so aufwendig, wie vielfach vermutet. „Natürlich muss der Sicherheitsaspekt etwa durch Zutrittskontrollen gewahrt werden“, so Annette Wiedemann, Leiterin Industrie und Aviation der Dekra Akademie. Der Geschäftsbereich ist für die bundesweite Schulung und Beratung der Dekra rund um das Thema Luftfahrt und Luftfracht zuständig. „Die Zertifizierung, die alle fünf Jahre bestätigt werden muss, erfolgt schließlich nach einer Vor-Ort-Kontrolle. Aber die Antragsteller müssen kein Fort Knox einrichten. Wenn möglich, kann ein separater, verschließbarer Raum bereits ausreichen.“ Für Unternehmen, die den Status benötigen, wird die Zeit nun allerdings langsam knapp. Einerseits ist das Zertifizierungsverfahren relativ langwierig, andererseits erwarten Brancheninsider bei verstärktem Antragsaufkommen einen Bearbeitungsstau. „Für die Antragsbearbeitung durch das LBA müssen derzeit etwa acht bis zwölf Wochen kalkuliert werden“, erklärt Wiedemann. Hinzu kommt allerdings die Ausarbeitung und Implementierung des erforderlichen Sicherheitsprogramms in den Unternehmen, wofür nebst Schulungen etwa fünf bis sechs Monate einzuplanen sind. Die Kosten beginnen bei rund 3000 Euro pro Person. Potenzielle Antragsteller unterschätzen aber seltener die Kosten als vor allem den Aufwand, der betrieben werden muss, bevor ein qualifizierter Antrag überhaupt eingereicht werden kann und die Kontrolleure des LBA zur Abnahme ins Haus kommen. Notwendig ist unter anderem der Nachweis über die Schulung aller Mitarbeiter, die sich mit der Luftfracht befassen – und zwar an jedem Standort, der mit Luftfracht zu tun hat. Ohne Schonfrist in die Warteschlange Im Unternehmen muss jeweils ein Luftsicherheitsbeauftragter samt Stellvertreter benannt und geschult werden. Viele Unternehmen übersehen dabei beispielsweise, dass bereits Personal, das mit den Luftfrachtdokumenten lediglich in Kontakt kommt und Zugang zur Luftfracht hat, jede Urlaubs- oder Krankheitsvertretung, eine entsprechende Schulung benötigt. Eine Schonfrist nach dem Stichtag im Frühjahr 2013, das hat die EU-Kommission deutlich gemacht, wird es nicht geben. Wer bis dahin keine Zulassung hat, darf sich in die wachsende Schlange jener einreihen, die am Flughafen auf eine Sicherheitsüberprüfung ihrer Fracht warten. Denn mehr als 30 bis 40 Sendungen pro Stunde können die an den Flughäfen installierten Röntgengeräte nicht durchleuchten. „Die Zusage fester Liefertermine ist dann kaum noch möglich“, beschreibt Andreas Biermann, Leiter Zertifizierung Transport, Lager, Ver- und Entsorgung der Dekra Certification, die Folgen. Rechtsunsicherheit für Mitarbeiter „Zudem summieren sich schnell die Kosten für die erforderlichen, nachträglichen Sicherheitsscannungen“, weiß Eva Mariel Bergauer, zuständig für Standortpolitik in der IHK Frankfurt am Main. „Die liegen je nach Standort und Nachfrage derzeit zwischen 0,15 und 5,30 Euro pro Kilogramm, beziehungsweise bei Paketpauschalen zwischen 4,00 bis 950,00 Euro pro Paket. Außerdem steht das Aus-, Ein- oder Umpacken der Luftfracht durch Kontrolleure gegebenenfalls den Qualitätsvorgaben des Versenders beziehungsweise der Kunden entgegen.“ Nach Schätzungen von Marktbeobachtern gelten auf Grundlage der bisherigen Regelungen gegenwärtig zwischen 80 und 95 Prozent der an den Flughäfen angelieferten Luftfracht als sicher. „Dieses Verhältnis wird sich ab März kommenden Jahres verkehren“, mutmaßt Jürgen Bohne, Inhaber der GTPAT Go Ahead, ein Beratungs- und Schulungsunternehmen für Luftfrachtabwicklung. „Dann wird nur noch jede vierte Sendung als sicher deklariert sein.“ Die Gründe dafür sieht Bohne in erheblichen Rechtsunsicherheiten und einem hohen Risiko für die benannten Sicherheitsbeauftragten. „Seitens der EU sind zwar Vorgaben wie der Schutz der Betriebsstätten, richtige Personalauswahl und Schulungen vorgeschrieben“, so der Berater. „Aber eine konkrete Beschreibung der erforderlichen Sicherheitskontrolltätigkeiten ist nirgendwo niedergelegt. Die Vorgaben vom LBA sind ohne Rechtsverordnung definiert und spiegeln kaum die Vernetzung und Prozesse der Wirtschaft wider. Bei einer solchen Grundlage geht das beauftragte Personal hohe persönliche Risiken ein.“ Neue Geschäftsfelder Bohne geht daher davon aus, dass viele der bisher vom Reglementierten Beauftragten benannten Bekannten Versender auf eine künftige Zertifizierung verzichten werden. In der gegenwärtigen Entwicklung sieht der Berater vielmehr lukrative Geschäftsmodelle für Logistikdienstleister und Verpacker. „Wer als Verlader im Projektgeschäft hin und wieder mit Luftfracht zu tun hat, wird sich als Geschäftlicher Versender benennen und seine Sendungen mit Nurfrachtflugzeugen befördern lassen“, so Bohne. Parallel dazu sieht der Berater gegenwärtig den Aufbau einer dezentralen Kontrollstruktur durch Reglementierte Logistikdienstleister. Sie installieren Röntgengeräte und bieten nicht zertifizierten oder Geschäftlichen Versendern die Sicherheitskontrolle und die entsprechende Dokumentenerstellung als Serviceleistung an. „Zurzeit sind bundesweit etwa zehn solcher Stationen eingerichtet“, sagt Bohne. „Damit ist für die Versender zumindest der Aspekt einer schnellen Abfertigung am Flughafen abgedeckt.“ ❙❚■ Rainer Barck, freier Journalist Die Lagermitarbeiter sind mindestens so wichtig wie der Objektschutz Zulassung zum „Bekannten Versender“ Die Serie der Verkehrs-Rundschau im Überblick VR 17: Die Folgen der neuen Luftfrachtregeln für die Branche VR 18: Was nun im Lager und Umschlag zu tun ist VR 19: Die Rechtslage Bekannter Versender Termin Die VerkehrsRundschau informiert am 19. Juni in einem Online-Seminar über die wichtigsten Neuerungen, die ab 25. März 2013 für den Versand von Luftfrachtsendungen zu beachten sind. Themen Gesetzliche Neuerungen, Sicherheitstechnologien und das Zulassungsverfahren. Informationen www.verkehrsrundschau.de/events „Wir rechnen mit einer Amortisationszeit von drei Jahren“ Kosten, Herausforderungen und Prüfungen: Stefan Schwind von Logwin über seine Erfahrungen auf dem Weg zum vom Luftfahrt-Bundesamt zertifizierten Reglementierten Beauftragten. Logwin ist als Reglementierter Beauftragter zertifiziert. Wie teuer waren die Sicherheitsmaßnahmen im Lager, die zum Nachweis für die Zulassung erforderlich waren? Stefan Schwind: Relevant für uns sind eher die Zulassungskosten, die alle fünf Jahre entstehen, und die Kosten für Mitarbeiter-Schulungen. Nicht unerheblich ist natürlich auch der administrative Aufwand, um sicherzustellen, dass wir den gesetzlichen Auflagen gerecht werden. Insgesamt liegen unsere finanziellen Aufwendungen deutschlandweit im sechsstelligen Bereich. Aber wir wollen nicht nur Auflagen erfüllen, sondern unseren Kunden einen echten Mehrwert bieten. Deswegen haben wir kürzlich für unsere Niederlassung in Stuttgart einen Röntgenscanner und einen Sprengstoffdetektor angeschafft. Der finanzielle Aufwand, den wir rund um die Luftfrachtsicherheit eingehen, ist groß – keine Frage. Aber unsere Kunden wissen das zu schätzen und sind auch bereit, dafür zu bezahlen. Mit welcher Amortisationszeit rechnen Sie? Wir gehen bei unserer Neuanschaffung in Stuttgart derzeit von einer Amortisationszeit von drei Jahren aus. Allerdings kann im Moment noch keiner genau sagen, was ab April 2013 auf uns zukommt. Wir rechnen jedoch mit einem erheblichen Mehraufkommen an unsicherer Fracht. Was waren bei der Zertifizierung die größten Herausforderungen? Der administrative Aufwand war für uns damals am größten, denn jeder Reglementierte Beauftragte muss sein eigenes Luftfrachtsicherheitsprogramm entwickeln. Wir hatten aber unsere Prozesse schon in den Jahren davor überprüft und waren auf einem guten Stand, was die Gebäudesicherung und andere relevante Punkte anging. Wie wurde die Wirksamkeit überprüft? Das Luftfahrt-Bundesamt kommt zur Vor-Ort-Kontrolle. Nach einem Vorgespräch mit dem Sicherheitsbeauftragten wird die Einhaltung des Sicherheitsprogramms überprüft. In der Operativen betrachten die Kontrolleure stichprobenartig zehn Prozent der Luftfrachtsendungen und überprüfen, ob alle Dokumente vorliegen. Zudem wird kontrolliert, ob alle Mitarbeiter geschult wurden und wir unsere internen Security Audits durchgeführt haben. rbb Interview Stefan Schwind