Fahrbericht Keyou H2-Lkw: Fast wie ein Diesel

In Kürze Warum Diesel nicht einfach durch Wasserstoff ersetzen? Der Hersteller Keyou hat für seinen H2-Verbrenner die Straßenzulassung erhalten und sogar einen ersten Kunden gewonnen. In einer exklusiven Testfahrt mit der VR beweist der Lkw, dass die Technologie durchaus Potenzial hat, wenngleich sie dieses erst noch im Realeinsatz unter Beweis stellen muss. Eigentlich wollen doch alle, dass sich nichts verändert. Der Verbrennungsmotor hat sich bewährt, ist bei den wenigen verbliebenen Fahrern beliebt, die Infrastruktur steht und funktioniert. Wäre da nicht dieser missliche Umstand mit der Klimaerwärmung. So sind alle gezwungen umzudenken. Auf der Suche nach der zukünftigen Technologie, die unsere Waren von A nach B bringt, kommt man am Wasserstoff nicht vorbei. Das Münchener Start-up Keyou will einen Weg gefunden haben, der bei aller Technologievielfalt der aktuellen Realität noch am nächsten kommt: Ein bestehender Dieselmotor wird umgerüstet, damit er Wasserstoff verbrennen kann. Funktioniert das Prinzip? Die VR unternahm exklusiv eine Testfahrt mit dem ersten Prototypen. Minimalinvasive Eingriffe Der Lkw ist aktuell noch ein bunter Mix verschiedener Komponenten. "Am meisten Erfahrung haben wir mit einem Deutz-Motor, deshalb haben wir diesen auch für den Prototypen verwendet", erklärt Thomas Korn, der Gründer und CEO von Keyou. Das 7,8-Liter-Aggregat wurde von den Ingenieuren "minimalinvasiv" bearbeitet; so wechselten sie unter anderem die Kolben aus und setzten Zündkerzen ein, denn Wasserstoff benötigt eine externe Zündquelle. Nach dem Einbau des Motors in einen Actros wurden hinter der Kabine sechs Wasserstofftanks montiert, die genug Treibstoff für rund 350 Kilometer Strecke liefern sollen. Der erste Prototyp wurde außerdem mit einem Sechsgang-Allison-Getriebe ausgestattet, da das Standard-Schaltwerk von Daimler noch nicht mit dem Motor harmoniert. In dieser Konfiguration werden die ersten acht Varianten des Keyou-Lkw gebaut; danach will man sich weiteren Fahrzeugen widmen: So stehen bereits ein Acht-Liter-Unimog-Motor und ein 13-Liter-Diesel von Volvo auf dem Prüfstand und werden mit Wasserstoffverbrennung getestet. Keyou verfolgt langfristig das Ziel, bestehende Lkw, die bis zu vier Jahre alt sind, auf Wasserstoffantrieb umzurüsten. Korn berichtet dazu, "dass die OEM offen zu dem Vorhaben stehen", da sie dann selbst keine Entwicklungskosten tragen müssten. Er fährt! Nachdem der erste Prototyp von Keyou schon auf einigen Messen zu sehen war, stand jetzt eine Probefahrt auf dem Gelände der Bundeswehr-Universität bei München an. Wenn der Motor nach längerem Stillstand das erste Mal angelassen wird, ist zunächst eine leichte Dampfwolke am Auspuff zu sehen, die allerdings weder riecht noch schädlich ist. Eine Abgasaufbereitung benötigt Keyou eigenen Angaben zufolge nicht, da die Verbrennung so sauber sei, dass sie auch ohne AdBlue die Euro 6-Norm und wahrscheinlich sogar die Euro 7 erfülle. Klangtechnisch muss der soundverliebte Fahrer sicher einige Abstriche in Kauf nehmen. Der Wasserstoff-Verbrenner arbeitet etwas leiser als ein Diesel, ein Teil der übersichtlichen Geräuschkulisse stammt laut Keyou auch vom Luftpresser, der hörbar ist. Ab geht es auf die Teststrecke. Es ist fast ein wenig enttäuschend, denn der Keyou-Actros fährt so, wie ein Lkw nun mal fährt. Um es kurz zu sagen: Es gibt fast keine Unterschiede zu einem Diesel. Der Lkw reagiert prompt beim Tritt aufs Gas - auch stärkere Beschleunigungen sind ohne Abstriche möglich. Bei 80 Kilometern pro Stunde dominieren die Windgeräusche und ein sanftes, etwas ruhigeres Brummen, als man es von manchem Diesel gewohnt ist. Dass der Motor bei diesem Tempo mit 1500 Touren dreht, ist nicht direkt vernehmbar. Die hohe Drehzahl ist der Tatsache geschuldet, dass im Allison-Getriebe nur sechs Gänge zur Verfügung stehen. Übrigens kann auch der H2-Verbrenner mit dem Standard-Retarder von Daimler gebremst werden - auch hier gibt es keine Abstriche. Kleine Verbesserungen erforderlich Auf den ersten Blick sind es nur noch Details, die bearbeitet werden müssten. So mag es der Lkw etwa nicht, wenn man zu prompt das Gaspedal verlässt; dann meldet sich der Turbolader mit einem dumpfen Geräusch, welches einer der begleitenden Ingenieure als "Luftholen" bezeichnet, das aber nicht schädlich sei und noch korrigiert werden müsse. Immerhin: Der Keyou-Lkw hat inzwischen eine Straßenzulassung und soll demnächst auch erstmals im öffentlichen Verkehr und dann auch beladen eingesetzt werden. Die bisherigen Probeläufe (und so auch der der VR) fanden mit leerem Kofferaufbau statt. Auch wenn auf die Keyou-Techniker noch ein wenig Arbeit wartet (im Inneren ist der Prototyp logischerweise noch voller Kabel und Messgeräte), ist der erste Kunde bereits unter Dach und Fach: EP-Trans, Logistikdienstleister mit Sitz in Regensburg, wird zwei der Keyou-Lkw in seine Flotte aufnehmen und im Großraum München einsetzen. "Mir war von Anfang an klar, dass Elektro für uns zunächst keine Option ist", berichtet der Geschäftsführer Georg Ehrlinger. "Im Wasserstoff sehe ich dagegen große Zukunft und wir sind froh, dass wir der erste Kunde sind, der den Lkw von Keyou auf der Straße testen darf." EP-Trans ist auch bewusst, dass es sich um ein Vorserienfahrzeug handelt, das möglicherweise das ein oder andere Mal in die Werkstatt muss, sagt Ehrlinger: "Das gehört dazu, uns ist aber viel wichtiger, dass wir die Technologie vorantreiben und unseren Beitrag leisten, damit wir bald serienreife Fahrzeuge auf dem Markt finden." Die Lkw sollen ab Ende des Jahres ausgeliefert und dann für einen großen Kunden von EP-Trans auf festen Routen im Verteilerverkehr eingesetzt werden. "Wir kalkulieren für den Anfang pro Lkw mit 250 Kilometern am Tag", sagt Ehrlinger. Man habe bewusst den Großraum München ausgewählt, weil hier Keyou in der Nähe sei, falls mit dem Lkw etwas nicht stimmen sollte. Als Serviceanbieter sollen aber perspektivisch auch Daimler-Werkstätten bereitstehen. Die Keyou-Lkw werden im Pay-per-use-Modell abgegeben - einen Direktkauf sieht das Konzept von Keyou nicht vor. Nach einem Jahr will EP Trans Bilanz ziehen und je nach Ergebnis sogar weitere Lkw ordern. "Wir wissen auch", sagt Ehrlinger, "dass wir am Anfang damit keinen Gewinn erwirtschaften und vielleicht sogar etwas draufzahlen werden." Allerdings berichtet der Geschäftsführer auch, dass erste Kunden bereits Interesse bekundet haben, etwas mehr Geld zu bezahlen, wenn der Transport mit einem emissionsfreien Lkw vonstattengeht. Neue Geschäftsmodelle Diesen Fakt spricht auch Holger Mandel an. Der ehemalige MAN-Vorstand ist bei Keyou in beratender Funktion tätig und hilft den Kontakt zur Branche herzustellen. "Inzwischen sind es die Kunden, die Lösungen für die Klimaproblematik fordern", so Mandel. Es werde sicher nicht die eine Lösung für alle Transporte geben, deshalb brauche es einen Technologiemix, in dem auch der H2-Verbrenner eine Rolle spielt. Bei Keyou ist man logischerweise überzeugt davon, dass der Wasserstoff einen sehr großen Beitrag zum klimafreundlichen Verkehr leisten wird. "In den kommenden Monaten und Jahren werden vielerorts Pilottankstellen entstehen, die natürlich auch genutzt werden müssen", berichtet Mandel. Thomas Korn geht davon aus, dass der Treibstoff mittelfristig einen Preis von 15 bis 18 Cent pro Kilowattstunde erreichen wird. Zum Vergleich: Strom am Schnelllader liegt heute je nach Anbieter bei rund 60 Cent. Die Technologie des H2-Verbrenners sieht auf den ersten Blick vielversprechend aus, führt sie doch auch dazu, dass man zwar eine neue Tankinfrastruktur benötigt, die Technologie in den Lkw aber keine überdimensionalen Veränderungen erleben muss. Zudem, so Korn, könne Wasserstoff effizient über Pipelines transportiert werden, wohingegen Strom auf langen Trassen an Energiegehalt verliere. Trotzdem gibt es zum heutigen Tage auch noch Fragezeichen, abgesehen von der Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff: Wie fährt sich der Keyou-Lkw mit voller Beladung? Ist die Technologie auch für einen 40-Tonner geeignet? Fragen, mit denen sich nicht nur Keyou befasst. Auch die großen OEM werden inzwischen ein genaues Auge darauf haben, was auf dem Bundeswehrgelände bei München so passiert.

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