Was Nachwuchsspediteure bewegt

In lockerer Stimmung mit gut aufgelegten Juniorchefs und einem Phrasenschwein auf dem Tisch - so fand in München bei der VerkehrsRundschau unter dem Motto "Entscheider von morgen" eine Gesprächsrunde mit Nachwuchsspediteuren statt. Angelehnt an die Fußball-Talkshow "Doppelpass" diskutierten die acht Juniorchefs über aktuelle Themen der Transport- und Logistikbranche. Für jede Floskel wanderte dabei Geld in das Phrasenschwein. Der Betrag kommt dem Verein Aktion Kinder-Unfallhilfe zugute, die jungen Unfallopfern hilft. Frauen in der Logistik Ein Thema, das bei den Jungunternehmern weit oben auf der Agenda steht: der Frauenmangel in der Logistik. Das teils raue Klima und der harsche Umgangston männlicher Kollegen sieht Paul Rennert, Junggeschäftsführer des Transport- und Speditionsunternehmens Rennert, als mögliche Gründe, warum Frauen oft vor der Branche zurückschrecken würden. Aber es scheint sich ein Fortschritt abzuzeichnen. "Bei den Bewerbungen um Posten auf der Managementebene gibt es unter unseren jungen Bewerbern inzwischen wesentlich mehr Frauen als Männer", berichtet Marc Riedle, Juniorchef der Spedition Riedle. Diese Entwicklung sieht Heiner Doll, Leiter des Bereichs Transport und Logistik der Spedition LTG Landauer Transporte, auch bei Berufskraftfahrern: "Mittlerweile beschäftigt jedes Unternehmen hier am Tisch mindestens eine Frau hinterm Lenkrad." Vor zehn Jahren sei man davon noch weit entfernt gewesen. Andere europäische Länder seien dabei allerdings noch fortschrittlicher. "In Österreich und Frankreich ist die Quote der Disponentinnen gefühlt viel höher als hierzulande", stellt Doll fest. Aber auch in Deutschland passiert viel: Immer mehr Unternehmen arbeiten daran, mehr weibliche Arbeitskräfte für die Transport- und Logistikbranche zu begeistern. Dazu zählen für Konstantin Kubenz, geschäftsführender Gesellschafter der Spedition Kube & Kubenz, vor allem eine gerechte Bezahlung sowie die Möglichkeit flexibler Arbeitszeitgestaltung. Als Beispiel nennt er eine weibliche Führungskraft, die sich an einem Wochentag ab dem frühen Nachmittag um ihre Tochter kümmern müsse. "Das geht für uns in Ordnung. Dafür arbeitet sie die Stunden später am frühen Abend nach", sagt Kubenz. Außerdem biete das Unternehmen den Mitarbeitern unterschiedliche Teilzeitmodelle sowie die Möglichkeit, später wieder Vollzeit arbeiten zu können. Betriebe sollten sich aber beim Thema "Frauen" klar positionieren, meint Benedikt Roßmann, Projektmanager Logistik und Transport bei der Spedition Ansorge Logistik. "Als Unternehmen muss man das Statement setzen: 'Wir wollen mehr gemischte Teams'." Für die Zukunft zeigen sich die Jungunternehmer optimistisch, dass der Anteil an Frauen in der Transport- und Logistikbranche steigen wird. "Denn warum sollen Frauen den Job schlechter machen als Männer?", so Heiner Doll. Ohne Homeoffice und Co. geht es nicht Ob Homeoffice, flexible Arbeitszeitgestaltung oder gar der Sitzsack im Büro - die Art und Weise, wie gearbeitet wird, befindet sich zunehmend im Wandel. Das gilt auch in der Logistikbranche. Unternehmer müssen sich den veränderten Bedürfnissen ihrer Arbeitnehmer bis zu einem gewissen Grad anpassen - oder sie werden künftig Schwierigkeiten haben, gutes Personal zu finden, so die Ansicht der Juniorchefs. "Vor allem viele jüngere Mitarbeiter möchten heutzutage Homeoffice machen. Wenn man das nicht anbietet, gehen sie zu dem, der es anbietet", glaubt Arne Hinsch, geschäftsführender Gesellschafter von HSL Shipping & Logistics. Alle Teilnehmer bieten ihren Angestellten bereits die Arbeit vom heimischen Schreibtisch aus an. Allerdings sei Homeoffice nicht für jeden Unternehmensbereich gleich gut geeignet, findet Kubenz (Kube & Kubenz). "In der Disposition ist die direkte Kommunikation wichtig, hier würde ich Homeoffice eher ausschließen." Sein Unternehmen biete deshalb Homeoffice vor allem in der Verwaltung an. Grundsätzlich nicht so begeistert von dem Konzept ist Heiner Doll (LTG Landauer Transporte). Alle sechs Wochen für einen Tag, etwa wenn der Heizungsableser kommt, finde er es akzeptabel. "Aber dauerhaft ist das für mich nicht die optimale Lösung, da die Produktivität leidet", ist er der Ansicht. Einige Nachwuchsspediteure befürchten außerdem, dass durch Homeoffice der Teamgeist verloren geht. "Natürlich funktioniert die Kommunikation auch mit Skype-Konferenzen, aber das ist nicht dasselbe", meint zum Beispiel Paul Rennert. Arbeiten im Betrieb sei schließlich mehr als nur das Erledigen der Arbeitsaufträge, nämlich auch sozialer Umgang. Die Gleitzeit ist dagegen ein Modell, das die meisten Juniorchefs stärker befürworten. So berichtet Kubenz von einem niederländischen Chemielogistik-Unternehmen, das den Angestellten ermöglicht, den Zeitraum ihrer täglichen Arbeitszeit weitgehend frei zu wählen. Diese seien auch flexibel bei der Aufteilung ihrer Arbeitszeit zwischen Heim- und Büroarbeit. Ebenfalls innovativ: Der Betrieb hat ein Open-Space-Büro ohne feste Arbeitsplätze. Alle Vorgänge, auch die Disposition, laufen ausschließlich über den PC und papierlos, sagt Kubenz. Auch Mobiltelefone gebe es am Arbeitsplatz nicht mehr. "Jeder Mitarbeiter muss sein privates Smartphone vor Arbeitsbeginn in Schließfächer sperren, im Büro gibt es nur ein Telefon für dringende Anliegen wie familiäre Notfälle." Nicht alle Jungunternehmer befürworten das. "Aus Effizienz-Gesichtspunkten mag das zunächst super sein, ob das langfristig für die Unternehmenskultur gut ist, halte ich für fraglich", gibt etwa Roßmann (Ansorge Logistik) zu bedenken. Aber eines wissen alle Junioren: Der Berufsverkehr und die Mieten steigen, außerdem haben sich die Anforderungen der Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplatz geändert. Deshalb werde es künftig erforderlich sein, sowohl die Wahl des Arbeitsplatzes als auch den täglichen Arbeitszeitraum flexibler zu gestalten. Künstliche Intelligenz in der Logistik Wird künstliche Intelligenz (KI) bald die Disposition ersetzen? Nein - das denken sowohl Konstantin Kubenz als auch Heiner Doll. Kubenz: "Ich glaube nicht, dass KI die Disponenten komplett ersetzen kann. Aber sie kann extrem unterstützen", meint er. In der Chemielogistik gebe es etwa Fahrwegsbestimmungen, also festgelegte Routen, wo die Lkw unterwegs sein dürfen. Hier könne KI eine Komplettüberwachung leisten, also das Fahrzeug Tag und Nacht tracken. Auch Heiner Doll ist überzeugt, dass bis auf Weiteres noch Menschen die Transportplanung übernehmen. "Die Dispo in unserem Unternehmen ersetzt keine künstliche Intelligenz", betont er. Auch das autonome Fahren im Lkw-Bereich beschäftigt die Jungunternehmer. Die Nachwuchsspediteure sind sich darüber einig, dass dies ein wichtiges Zukunftsthema ist. Wie bald und in welchem Ausmaß autonomes Fahren kommen wird - in dem Bereich vertreten die Juniorchefs allerdings unterschiedliche Ansichten. "Es kommt schneller, als wir denken", meint Heiner Doll. "Von Hamburg nach Madrid könnte ein autonomer Lkw schon fahren." Im Silicon Valley sei das Fahren ohne Fahrer im Pkw-Bereich schließlich schon Normalität. Riedle gibt allerdings zu bedenken, dass in San Francisco andere Bedingungen herrschen. "Sowohl die Gesetzeslage, die Tempolimits als auch die Weitläufigkeit der Transportstrecken sind anders als bei uns." Vor allem im Schwerlastbereich sehe er autonomes Fahren in Deutschland in den kommenden Jahren nicht. Allerdings könne sich Riedle auf einer Strecke von München nach Hamburg Platooning vorstellen. Dabei können mehrere Lkw mithilfe eines technischen Steuerungssystems in sehr geringem Abstand hintereinanderfahren und von nur einem Fahrer gesteuert werden. Auch Philipp Doll (LTG Landauer Transporte) sieht in der halb autonomen Fahrzeugsteuerung den nächsten Schritt. Zunächst müsse die deutsche Politik aber die gesetzlichen Weichen dafür stellen. Bis dahin ist es nach Einschätzung der Jungunternehmer derzeit allerdings noch ein weiter Weg. Rolle der Verbände Ein Anliegen, das die Jungunternehmer ebenfalls beschäftigt, ist die Rolle der Verbände in der Transport-, Speditions- und Logistikbranche. Dabei zeigen sich manche durchaus kritisch. "In einigen Verbänden sind die Juniorenkreise eigentlich keine Juniorenkreise mehr, da deren Überalterung schon eher Richtung Seniorenkreise geht", meint Benedikt Hinterberger, Prokurist in der Geschäftsleitung der TKB Spedition. Außerdem wünscht sich zum Beispiel Paul Rennert, dass manche Branchenthemen gegenüber der Politik noch besser vertreten werden. Als Beispiel nennt der Jungunternehmer die Lkw-Maut-Erhöhung im vergangenen Jahr. "Es gab zwar eine kurze Information, aber der Aufschrei hat gefehlt", findet er. Alles in allem sehen die Nachwuchsspediteure auch die positiven Seiten einer Verbandsmitgliedschaft. "Es bringt schon einiges wie Kontakte, gute Gespräche, viel Wissen und teilweise Geschäfte", sagt Heiner Doll (LTG Landauer Transporte). Auch die Netzwerke, die dadurch entstehen, seien hilfreich, ergänzt sein Bruder Philipp Doll. Außerdem habe die Interessenvertretung bei einigen Themen gut funktioniert. Kubenz verweist hier auf das Schreiben der sechs großen Logistikverbände an den Bundesverkehrsminister hinsichtlich der Strategie für die alternativen Antriebe. "Da sind alle gemeinsam zur Politik gegangen - alle mit der gleichen Ansage, was sie in der Logistik für die Verkehrswende brauchen." Als Herausforderungen für die Verbandsarbeit sehen die Jungspediteure sowohl die Heterogenität der Branche als auch die Langwierigkeit bestimmter Themen. So sei der Fahrermangel ein wahnsinnig träges Thema, meint Roßmann (Ansorge Logistik). "Das ist nicht leicht zu lösen", gibt er zu bedenken. Ähnliches gelte auch für den Weg zu mehr Klimaschutz sowie einer Imageaufbesserung der Logistikbranche. Als schwierige Aufgabe betrachten die Teilnehmer auch, die teils sehr unterschiedlichen Interessen der Verbandsmitglieder zu bündeln. "Vielleicht ist aber genau das notwendig, um noch mehr voranzubringen", meint Heiner Doll von der LTG Landauer Transportgesellschaft abschließend. Mehr finden Sie unter #Unternehmensfuehrung www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Welche Themen und welche Fragen bewegen die Entscheider von morgen? Dazu hat die VerkehrsRundschau acht Jungunternehmer der Transport- und Logistikbranche an einen Tisch geholt, um mit ihnen zu diskutieren. Ganz oben auf ihrer Agenda: der Frauenmangel in der Logistik, modernes Arbeiten, künstliche Intelligenz und die Rolle der Verbände. Paul Rennert ist Junggeschäftsführer in zweiter Generation des Transport- und Speditionsunternehmens Rennert im oberfränkischen Seßlach. Spezialisiert ist das Unternehmen auf internationalen Schüttguttransport und betreibt außerdem Agrarhandel sowie lose SchüttgutlagerBenedikt Hinterberger ist Prokurist in der Geschäftsleitung der TKB Spedition in Kelheim in Niederbayern. Das Unternehmen bietet Binnenschiffsbefrachtung, Lager und Umschlag sowie Tankwagentransport für die chemische IndustrieBenedikt Roßmann gehört zur dritten Generation der Spedition Ansorge Logistik mit Hauptsitz im bayerischen Biessenhofen und ist seit zwei Jahren im Unternehmen aktiv. Die Geschäftsfelder von Ansorge sind Logistik und Transport, schwerpunktmäßig die KontraktlogistikMarc Riedle ist Nachwuchsunternehmer in vierter Generation der Spedition Riedle aus Leutkirch im Allgäu. Das Unternehmen hat sich vor allem auf den Bereich Lebensmittellogistik spezialisiert. Zu Riedles Zuständigkeitsbereichen gehören die Leitung der Spedition und des VertriebsHeiner Doll gehört zur fünften Generation der Spedition LTG Landauer Transportgesellschaft Doll. Im Unternehmen ist er als Mitglied der Geschäftsleitung zuständig für den Bereich Spedition und sitzt am Standort in Hockenheim. Er ist bereits seit 17 Jahren im UnternehmenWie sein Bruder Heiner arbeitet auch Philipp Doll in fünfter Generation im Familienbetrieb LTG Landauer Transportgesellschaft Doll im Bereich Spedition. Als Operations Manager ist er verantwortlich für die Niederlassung in Garching bei München. Vor sieben Jahren trat er ins Unternehmen einArne Hinsch ist geschäftsführender Gesellschafter von HSL Shipping & Logistics in Bremen. Das Schiffsfracht-Unternehmen liefert Stückgut, Schwergut und Massengut sowohl europa- als auch weltweit. Der größte Teil der Lieferungen geht nach AsienKonstantin Kubenz ist geschäftsführender Gesellschafter der Kube & Kubenz Internationale Speditions- und Logistikgesellschaft mit Sitz in Hamburg. Das Unternehmen ist spezialisiert auf Tank- sowie Gefahrguttransporte und befördert vor allem Flüssig-Chemikalien und Gase

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