Ein riesiger Markt

Die Angaben darüber, wie viele Trailer in Deutschland oder Europa im Einsatz sind, die nicht kranbar sind, schwanken. Sicher ist jedoch: Es sind einige Hunderttausend. Die Abnehmer dieser Auflieger verzichten zum einen auf eine Kranbarkeit, weil das mit Mehrkosten verbunden ist. Doch viel entscheidender: Die Ladeeinheiten wiegen dann mehr. Die Folge: Es kann weniger zugeladen werden, sofern das Gewicht der entscheidende Faktor ist. Wenn also tatsächlich bis zu 95 Prozent der Sattelauflieger in Europa nicht kranbar sind, stehen diese Einheiten somit nicht für den Kombinierten Verkehr (KV) zur Verfügung - zumindest nicht für den klassischen KV, bei dem mittels Portalkran verladen wird. Erste Erfahrungen mit RoadrailLink Mittlerweile gibt es jedoch verschiedene Anbieter, die eine Technik entwickelt haben, mit der auch die nicht-kranbaren Auflieger in den Zug gehievt werden können. Das Waggonvermiet- und Schienenlogistikunternehmen VTG bietet eine solche Technik an. Dabei handelt es sich um eine Platte - bei VTG Korb genannt -, auf die der Trailer gefahren wird. Ein Portalkran oder Reachstacker packt sich den Korb und zusammen mit dem Auflieger wird er dann in den Waggon gehoben. Bei VTG heißt dieses Produkt RoadrailLink. "Diese Technik lässt sich in jede bestehende Terminal-, Waggon- und Flottenlandschaft integrieren", nennt Marc Hunziker, Head of Sales Coordination Intermodal bei VTG Rail Europe, eine wichtige Eigenschaft der Technik. Entwickelt wurde sie von Kässbohrer und der Vega International. Die Spedition transportiert Busse und Nutzfahrzeuge und nutzt den Korb dazu, um damit die Fahrzeuge per Bahn bewegen zu können. "Was mit Lkw und Bussen geht, muss doch auch mit Trailern gehen", schildert Hunziker die Idee, mit der VTG auf Vega zugekommen ist. Der Korb wurde angepasst und ist bereits im Einsatz. "Wir haben derzeit 200 Körbe vermietet, immer in Kombination mit einem VTG-Wagen", sagt Hunziker. Er kann in Doppeltaschenwagen vom Typ T3000 und Twin eingesetzt werden. Die Verladung geht nach Aussage von Hunziker schnell und dauert nicht viel länger als mit einem Portalkran. "Ein Trailer mit einem geübten Fahrer und einem Kranführer ist in zwei Minuten auf dem Zug", gibt er einen ungefähren Richtwert an. Die Fahrer würden von VTG geschult, eine besondere Ausbildung sei dafür nicht erforderlich. Eine Laser-Distanzmesstechnik sorgt dafür, dass der Fahrer der Terminal-Zugmaschine die genaue Position auf einem Lasermessgerät ablesen kann, sodass eine präzise und sichere Verladung des Trailers in kurzer Zeit möglich ist. Die RoadrailLink-Technik ähnelt der von Nikrasa, die bei dem Eisenbahnunternehmen TX Logistik im Einsatz ist (siehe Kasten Seite 22). "Der Vorteil unserer Technik: Wir benötigen dazu keine Auffahrrampe wie bei Nikrasa. Die muss dann im Terminal verstaut werden", sagt Hunziker. Zudem werde Nikrasa ausschließlich in den Terminals eingesetzt, die auch TX Logistik anfährt. "Wir sind hingegen nicht an ein Bahnunternehmen gebunden", so der VTG-Manager. Und im Vergleich zu Cargo Beamer, bei der die Trailer über Schwenkarme in den Trailer geschoben werden (siehe Kasten oben), sind keine besonderen Voraussetzungen beim Terminal notwendig. Letztlich sieht er eine Berechtigung für alle Techniken am Markt. "Seit 20 Jahren reden wir von der Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene. Jeder wartet darauf, dass Trailer kranbar werden. Aber das Warten hilft uns nicht, wir müssen jetzt agieren, wenn wir die Klimaziele bis 2030 erreichen wollen", sagt Hunziker. Bei VTG rechnet man damit, dass die Zielvorgaben aus dem Green Deal der EU-Kommission dazu führen werden, dass die Nachfrage nach Transporten per Bahn weiter zunehmen wird. "Wir rechnen damit, dass wir in den kommenden fünf Jahren über 6000 Doppeltaschenwagen benötigen, um den Bedarf zu decken", sagt Hunziker. Wer die potentiellen Nutzer der Roadrail-Link-Technik sind, da will sich Hunziker nicht festlegen. "Natürlich gehören dazu die Kombi-Operateure in Europa", sagt er. Aber auch mittelständische Eisenbahnverkehrsunternehmen kämen infrage, die dann mit ihrem Angebot auf Speditionen zugehen. Oder auch größere Speditionsbetriebe in Europa, die den Transport ihrer Trailer von der Straße auf die Schiene verlagern wollen. Zudem gehört zu VTG auch das Eisenbahnverkehrsunternehmen Retrack. Auch über diese Schiene will die VTG die neue Technik einsetzen und Intermodal-Ganzzüge aufbauen. Derzeit sind alle 200 Körbe vermietet. In diesem Jahr kommen noch 40 weitere dazu. Das Ziel lautet bei VTG, bis Ende 2022 500 Körbe im Einsatz zu haben. Aktuell ist die Technik in zehn Terminals in Europa im Einsatz. Einer der Anwender ist das Speditionsunternehmen GVT in den Niederlanden, das auch ein Terminal in Tilburg betreibt. Von dort aus fährt ein Zug nach Polen im Shuttle. Aber auch von Schweden und von Italien aus wird die RoadrailLink-Technik genutzt. Ein Manko der VTG-Lösung: Der Korb bringt einiges an Gewicht mit. Hunziker beziffert es auf immerhin 4,3 Tonnen, sieht darin jedoch keinen Nachteil: "Das Ladegewicht von Trailern in Europa bewegt sich zwischen 14 und 21 Tonnen. Damit steuern wir auf keinen Engpass zu." Dass Trailer deutlich mehr wiegen, sei eigentlich nur im Tanksegment der Fall. Dort könnten Einheiten schon mal bis zu 24,4 Tonnen schwer sein. "Aber dann laden wir einen leichteren Trailer dazu und schon gibt es keine Probleme mehr mit dem Gewicht im Wagen." Die gesamte Last eines Zuges, die im internationalen Verkehr bei 1300 Tonnen liegt, werde auch mit den Körben nicht erreicht. 16,10 Euro pro Korb und Tag Bleibt die Frage nach den Kosten. "Mit dem Korb habe ich zwar höhere Kosten, habe als Nutzer aber auch die Möglichkeit, die Auslastung zu erhöhen", sagt Hunziker. Wenn dann die Auslastung eines Zuges von 85 auf 92 Prozent steigt, weil mit dem Korb noch nicht-kranbare Auflieger mitgenommen werden können, rechne sich der Aufpreis. Laut Hunziker kostet die Miete eines Korbes 16,10 Euro pro Tag, macht bei zwei Körben pro Wagen einen Mehrkostenanteil von 32,20 Euro pro Tag. Hunziker ist jedenfalls überzeugt. "Die RoadrailLink-Technik bleibt kein Nischenprodukt. Sie wird sich etablieren." Mehr zum Thema finden Sie unter #RailcargoKV www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Klimaziele werden weiter verschärft. Das wird auch für den Güterverkehr Konsequenzen haben. Der Umstieg auf den Schienengüterverkehr gilt als eine Möglichkeit zur Verringerung von CO2-Emissionen.Mit einer neuen Technik will die VTG auch nicht-kranbare Trailer auf die Schiene holen. Erstes eigens Terminal von Cargo Beamer Manchmal braucht es einen langen Atem. Bei Cargo Beamer hat man den offenbar. In Calais hat das Unternehmen mit Sitz in Leipzig nun sein erstes eigenes Terminal in Betrieb genommen. 2003 war die Cargo Beamer AG gegründet worden. Fast 20 Jahre hat es dann bis zur Fertigstellung des ersten Terminals gedauert. Start mit vier Rundläufen Die Terminalanlage ermöglicht den Umschlag von sechs Zugpaaren. Damit können täglich insgesamt 432 Sattelauflieger abgefertigt werden. In einer zweiten Ausbaustufe, welche für das Jahr 2023 geplant ist, soll das Terminal auf eine Kapazität von zwölf Zugpaaren pro Tag erweitert werden. Für den reinen Umschlagvorgang mit Be- und Entladung eines gesamten Zuges werden laut Cargo Beamer 20 Minuten benötigt. Erste Verbindungen von Calais aus gibt es nach Perpignan in Südfrankreich. Die beiden Städte verbinden künftig vier Rundläufe pro Woche. Pro Zug stehen 36 Trailer-Stellplätze zur Verfügung, davon 24 Cargo-Beamer-Wagen. Bei der Cargo-Beamer-Technologie werden die in Wannen befindlichen Trailer horizontal in speziell dafür konstruierte Waggons geschoben. Die Auflieger müssen daher nicht kranbar sein. cd Jedes Jahr 4000 Trailer mit der Nikrasa-Technologie Das Nikrasa-System ist einer der Vorläufer für den Umschlag nicht-kranbarer Sattelauflieger. Das System wurde innerhalb eines Projektteams von TX Logistik Bayernhafen und Logistik-Kompetenz-Zentrum(LKZ) Prien entwickelt und 2014 in den Markt gebracht. Die Vermarktung erfolgt ausschließlich durch TX Logistik, eine in Deutschland ansässige Tochter der italienischen Staatsbahn Ferrovie delle Stato Italiane (FS). Neue Verbindung ab KölnBei Nikrasa fährt der Lkw oder ein Terminalfahrzeug den Trailer in eine Wanne, die auf einer Terminalplattform liegt. Ein Portalkran oder ein Reachstacker hebt die Wanne an und befördert diese mit dem Auflieger in den Taschenwagen. Die Terminalplattform verbleibt im Terminal. Derzeit bietet TX Logistik das System auf fünf Relationen an: Padborg - Verona, Herne - Verona, Herne - Budapest, Bettembourg - Triest und neu in diesem Jahr Köln - Curtici. Das Unternehmen verfügt über insgesamt 87 Transportplattformen der Version 1.0 sowie 50 weitere der Version 2.0, die leichter ist als die Vorgängervariante. Pro Jahr befördert TX Logistik insgesamt 4000 Trailer nur mit der Nikrasa-Technologie. cd

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