Zeitarbeit

ZeitarbeitDrohen in der Zeitarbeit teure Nachzahlungen?Die Zeitarbeit gehört in Transport- und Logistikbetrieben, vor allem zur Abfederung von Auftragsspitzen, zum Alltag. Einige Dienstleister haben dieses Instrument aber auch genutzt, um massiv Kosten zu senken. Aufgrund eines aktuellen Bundesarbeitsgerichts-Urteils könnte sich das jetzt rächen. Letzten Dezember 2010 sorgten die Richter des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt endlich für Klarheit: „Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist keine Spitzenorganisation, die in eigenem Namen Tarifverträge abschließen kann. Sie erfüllt die hierfür erforderlichen tarifrechtlichen Voraussetzungen nicht“, so das Gericht. Kurz: Die Richter erklärten mit dem Spruch die Tarifverträge, die die CGZP abgeschlossenen hatte, für ungültig. Diese Entscheidung kann für Unternehmen aus der Logistikbranche weitreichende finanzielle Folgen haben. Vor allem für solche, die mit Zeitarbeitsfirmen zusammengearbeitet haben, die im Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) vertreten waren oder sind. Der AMP hatte als Arbeitgebervertretung die Tarifverträge mit der CGZP abgeschlossenDie enge Verbindung zwischen christlicher Gewerkschaft und Arbeitgeberverband sorgte bei anderen Gewerkschaften und den großen Zeitarbeitsfirmen schon seit Langem für den Verdacht, dass es sich hier um Scheinabschlüsse handelt. Diese hätten nur den Zweck, den – vornehmlich kleineren – Zeitarbeitsfirmen im AMP einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, indem sie ihre Leiharbeiter zu weit unterdurchschnittlichen Konditionen vermitteln könnten. Vor allem der deutsche Gewerkschaftsbund DGB warf der CGZP immer wieder vor, als Scheingewerkschaft mit Gefälligkeitstarifverträgen Lohndumping zu betreiben. Vielen Firmen, die mit billigeren Leiharbeitern vor allem Kosten sparen wollten, war das nur recht. Mit dem Urteil könnte ihnen diese Strategie nun auf die Füße fallen. Denn es drohen unter Umständen hohe Nachforderungen von ehemaligen Leiharbeitern und den Sozialkassen. Die Leiharbeiter können die Differenz zum Lohn der Stammbelegschaft nachverlangen und die Sozialversicherungsträger wie Renten- oder Unfallkassen die auf Basis der höheren Löhne zu wenig entrichteten Beiträge. Zahlen muss das zunächst die Zeitarbeitsfirma. Gehe diese pleite oder könne sie die Sozialversicherungsverträge nicht bezahlen, sehe der Gesetzgeber einen Durchgriff auf die Entleiher vor, sagt der Hamburger Arbeitsrechtler Holger Thies. Die Sozialversicherer können die zu wenig entrichteten Beiträge selbst dann von den Firmen verlangen, wenn der Leiharbeiter das Geld gar nicht einklage. Thies rechnet damit, dass die Sozialkassen das Geld einziehen werden. „Es gibt viel öffentlichen Druck“, sagt er. Wohl 280.000 Leiharbeiter betroffen Immerhin geht es um geschätzte zwei Milliarden Euro, die zu wenig entrichtet wurden. „Da kann noch eine Menge auf die Entleiher zukommen“, warnt der Experte. Die Gefahr ist groß. Denn die betroffenen Zeitarbeitsfirmen müssen Rückstellungen für eventuelle Nachforderungen bilden. Gerade für kleinere Zeitarbeitsfirmen kann das schnell zu einer bilanziellen Überschuldung und damit zum Aus führen, obwohl sie noch gar keinen Cent abführen mussten. Die Gewerkschaft Verdi schätzt, dass bis zu 280.000 Leiharbeitskräfte von dem Urteil betroffen sind.Auf wie viele Transport- und Logistikbetriebe Nachforderungen zukommen könnten, sei aber nicht absehbar, sagt Andreas Stommel, Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbands (DSLV). Bisher gebe es nur aus einem Landesverband die Rückmeldung, dass von zehn möglicherweise betroffenen Firmen nur zwei entsprechende Verträge mit der CGZP abgeschlossen hatten. In beiden Fällen seien die Leiharbeiter zudem über dem Tarif bezahlt worden und die Zeitarbeitsfirmen hätten versichert, sie seien solvent genug, um eventuelle Nachforderungen begleichen zu können. Auch nach Recherchen der VerkehrsRundschau handelt es sich offenbar kaum um ein flächendeckendes Problem. Auf Anfrage beteuerten etliche Branchenunternehmen, keine Leiharbeiter auf Basis der christlichen Tarifverträge beschäftigt zu haben. Stommel geht daher davon aus, dass das Urteil keine großen Auswirkungen auf die Branche haben werde. Unter anderen soll die TNT Post entsprechende Tarifverträge abgeschlossen haben, um den Mindestlohn zu umgehen. Auf Anfrage teilte das Unternehmen indes mit, dass TNT Post keine Verträge mit der CGZP abgeschlossen habe. „Unser Unternehmen ist anderweitig tarifgebunden“, so ein Sprecher.Kontraktlogistiker Fiege war über den hauseigenen Personallogistiker Fiege Uniserv bis vor Kurzem Mitglied im AMP und veranstaltete in den letzten Jahren immer wieder Schulungen zum Thema Arbeitsrecht und Tarifverträge der CGZP. Heute gebe es „weder bei Fiege noch bei anderen von uns beauftragten Zeitarbeitsfirmen Mitarbeiter, die nach dem CGZP-Tarif entlohnt werden“, betont der zuständige Fiege-Manager Georg Spranger. Das Unternehmen sei heute Mitglied im Bundesverband der Zeitarbeit (BZA) und „hält sich an die für alle Mitglieder verbindlich vereinbarten Tarife“. Um das sicherzustellen, prüfe Fiege unangemeldet Gehaltsabrechnungen bei den eingesetzten Personaldienstleistern. „Dabei wurden bisher keine Verstöße gegen unsere Tarifvorgaben festgestellt“, sagt Spranger. Aufseiten einiger christlicher Gewerkschaften spielt man das Problem herunter. Die Teilgewerkschaft Christliche Gewerkschaft Postservice und Telekommunikation (CGPT), die viele Arbeitnehmer an Paket- und Kurierdienste vermittelt, sei von dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts nicht betroffen, beteuert der Bundesvorsitzende Ulrich Bösl auf Anfrage. Die CGPT sei nur kurze Zeit Mitglied der Tarifgemeinschaft der CGZP gewesen und schon vor einigen Jahren dort ausgeschieden. Ob das Urteil überhaut Bestand haben wird, ist ebenfalls noch nicht absehbar. Die CGZP erwägt derzeit eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht. Auch Unternehmen, die nach dem 1. Januar Leiharbeiter von einer Zeitarbeitsfirma der AMP beschäftigt haben, können wohl aufatmen. Nach Angaben des AMP sind Tarifverträge, die zum 1. Januar 2010 in Kraft getreten sind, durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes nicht infrage gestellt. Es handele sich dabei um mehrgliedrige Tarifverträge nach dem Vorbild der Zeitarbeitsabschlüsse der DGB-Tarifgemeinschaft, bei denen die CGZP nur eine unter vielen Tarifvertragsparteien sei.Keine Einigkeit über RückstellungenFür Betriebe, die von dem Urteil betroffen sind, stellt sich nun die Frage, wie sie reagieren sollen. Ob diese für eventuelle drohende Zahlungen schon jetzt Rückstellungen bilden müssen, ist unter Rechtsexperten umstritten. Während einige dazu raten, die betroffenen Firmen sollten unbedingt Rückstellungen bilden, meinen andere, das sei nicht nötig, solange nicht klarsei, ob ein Durchgriff auf die Entleiher tatsächlich stattfinden würde. „Das Bundesarbeitsgericht hat bisher zur rückwirkenden Nichtigkeit des Tarifvertrags keine Stellung genommen“, weiß Fiege-Manager Spranger. Es bleibe abzuwarten, ob es einen Vertrauensschutz oder Nachzahlungsforderungen gebe. Und er versichert: „Fiege wird sich selbstverständlich einer wie immer gearteten Rechtsprechung stellen und die eventuellen Rechtsfolgen akzeptieren.“Die Diskussion um die zu niedrigen Löhne und die Tariffähigkeit der CGZP könnte für Unternehmen aber noch eine ganz andere Nebenwirkung haben. Um ähnliche Versuche in Zukunft zu umgehen, wird die Politik im Mai einen Mindestlohn für die Zeitarbeitsbranche einführen. Unklar ist aber noch, wer die Mindestlöhne festsetzt. „Nicht akzeptabel wären Regularien oder Kommissionen, die von sich aus einen politischen Mindestlohn in der Zeitarbeit festlegen. Für die Lohnfindung sind ausschließlich die Tarifvertragsparteien zuständig“, sagt BZA-Präsident Volker Enkerts. Ob die Politik diesen das angesichts des scheinbaren Missbrauchs durch einzelne Tarifgemeinschaften zutraut, ist aber noch unsicher. ❙❚■ Alexander Heintze, freier JournalistWer mit Leiharbeitern in der Vergangenheit Geld sparen wollte, dem könnte diese Strategie nun auf die Füße fallen ZeitarbeitTarifverträge mit CGZP sind ungültig Im Dezember 2010 fällte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt eine folgenschwere Entscheidung für Arbeitgeber: „Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist keine Spitzenorganisation, die in eigenem Namen Tarifverträge abschließen kann. Sie erfüllt die hierfür erforderlichen tarifrechtlichen Voraussetzungen nicht“, heißt es in einer Mitteilung der Erfurter Richter. Mit anderen Worten: Die Tarifverträge, die die CGZP abgeschlossenen hatte, sind laut Urteil des Bundesarbeitsgerichts ungültig. Für Arbeitgeber kann dies teure Folgen haben, vor allem für Unternehmen, die mit Zeitarbeitsfirmen zusammengearbeitet haben, die im Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) vertreten waren oder sind. Der AMP hatte als Arbeitgebervertretung die Tarifverträge mit der CGZP abgeschlossen. ah

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