Vorstellung Mercedes-Benz Atego

Vorstellung Mercedes-Benz AtegoKlappern gehört nicht mehr zum HandwerkMit der Vorstellung des Mercedes-Benz Atego passt Daimler den Verteiler an die großen Geschwister an. Mit neuen Euro-6-Motoren und serienmäßiger Powershift-Schaltung reicht er von 6,5 bis 16 Tonnen GesamtgewichtKlappern gehörte zu seinem Handwerk: Der Atego war als Warenverteiler immer deutlich vernehmbar und damit eher rauer Handwerker als smarter Bote. Damit ist jetzt Schluss: Die neuen Euro-6-Common-Railer der Baureihen OM 934 und OM 936 bringen Ruhe unter die geliftete Kabine des Verteilerkönigs. Die punkten mit zwei obenliegenden Nockenwellen und verstellbaren Auslasssteuerzeiten. Dabei feiert die verstellbare Auslassnockenwelle Premiere in einem Serien-Dieselmotor. So kann man die Auslassventile bei Bedarf früher öffnen, wodurch heißes Abgas in den Abgastrakt entweicht und so die Regeneration des Dieselpartikelfilters unterstützt – das funktioniert laut Daimler auch bei Fahrten bei bis zu minus 30 Grad Celsius . Vier- und Sechszylinder wurden mit vielen Gleichteilen konzipiert, was Daimler und den Kunden Teilenummern und Werkstattkosten sparen soll. Die hohen Zünddrücke mit mehr als 200 bar und 2400 bar Arbeitsdruck sollen dafür sorgen, dass die neuen Motoren trotz Euro 6 sparsamer sind als die Vorgänger. Dazu kommen längere Serviceintervalle von bis zu 120.000 Kilometern, was in der Praxis noch zu beweisen ist: Allzu gern ruft das „flexible“ Serviceintervall die Autos lieber früher in die Werkstatt. Trotzdem wären das 20.000 Kilometer mehr als beim Vorgänger. Weiterer Vorteil für den Kunden: Die Schmiermittelmenge will Daimler um die Hälfte reduziert haben, was die Wartungskosten trotz Euro 6 schwer im Rahmen halten soll. Die Leistungscharakteristik dürfte den größeren Motoren folgen: heißt, viel Drehmoment schon bei niedrigen Drehzahlen und über einen breiten Bereich. Da Daimler die Wasserpumpe seitlich des Motors verlegt hat und das Räderwerk für den Ventiltrieb samt Ölpumpe nach hinten, konnten die Motorabmessungen trotz erhöhtem Hubraum und Kühlkreislauf beibehalten werden. Segen in der Stadt: Powershift-3-Serie Die Powershift-3-Offensive setzt Daimler auch beim Atego fort mit automatisierten Sechs- und Achtgangschaltungen, die Sechs- und Neungang-Handschalter (seilzugbetätigt) werden damit zur Sonderausstattung. Wer sie ordert, bekommt den Schalthebel jetzt wie beim Iveco Eurocargo ans Armaturenbrett verlegt. Alle Getriebe weisen vier Fahrprogramme und drei Fahrmodi auf. Standard ist dabei immer der Fahrmodus „Economy“, der auch die von den schweren Geschwistern bekannte „Eco-Roll“-Funktion beinhaltet. Bedient werden die neuen automatisierten Schaltungen wie bei Actros, Arocs und Antos über den Lenkstockhebel. Die Hinterachsübersetzung ergänzt eine 3,417er-Auslegung. Für Sondereinsätze gibt es jetzt auch Sonderabstufungen: Die Bauversionen können auch mit einem Offroad-Modus geordert werden. Und speziell für die Feuerwehr bietet Daimler ein extra schnell schaltendes Fire-Service-Fahrprogramm. Weiter steht natürlich die bekannte Allison-Fünfgang-Wandlerautomatik zur Verfügung oder die ZF 9 S 1115 Handschaltung mit extrem kurzen Crawler für schweres Gelände und extreme Langsamfahreigenschaften. Serie ist jetzt konsequenterweise ESP und die zweistufige Hochleistungs-Dekompressionsmotorbremse, die beim Sechszylinder bis zu 300 kW leistet. Nach ersten Erfahrungen in Actros und Antos dürfte auch die im Atego verbaute Version das Auto ordentlich verzögern. Dazu packt Daimler optional einen Permanent-Magnet-Retarder, der 650 Nm Bremsleistung bietet. Damit sollten sich auch schwere Hängerzüge gut im Zaum halten lassen können. Auch fahrwerksseitig hat Daimler stark nachgelegt: Die ehemals gern ganz einmal trampelige Vorderachse wurde komplett neu abgestimmt und die bisher eher stoßempfindliche Steuerung wurde durch eine neue Kugelumlauflenkung ersetzt. Auch hier dürfte der Atego-Chauffeur einen großen Entwicklungssprung „erfahren“ können. Straffer ausgelegt wurde die neue Vierpunkt-Fahrerhauslagerung, die weniger Nick- und Wankbewegungen zulassen soll. An der Hinterachse änderten die Ingenieure die Anlenkung, was vor allem das Eigenlenkverhalten bei schnellen Spurwechseln fühlbar verbessern soll. Weniger üppig fielen die Fortschritte leider beim Gewicht aus: Der Atego gehörte bis auf den NR 1222 immer zu den schweren Vertretern seiner Klasse. Das Mehrgewicht des Euro-6-Paketes versuchten die Konstrukteure durch Änderungen am Rahmen weitgehend zu kompensieren. Wer mit einzelnen Kilos rechnen muss, kann statt des 120-Liter-Stahltanks ein 80-Liter-Kunststoffreservoir ordern. Dazu kommen je nach Version optional Einblattparabelfedern an der Hinterachse und ein gewichtsoptimierter Seitenanfahrschutz (bis 10,5 Tonnen). Leider nicht geändert wurde (wohl aus Kostengründen) der Rohbau, über den man leicht noch weitere Nutzlastpfunde hätte realisieren können. Dafür spendierte Daimler dem Armaturenträger eine Aufwertung im Stil der großen Geschwister (siehe Interview). Auch beim Atego weitete Mercedes-Benz das Aufbauangebot den einzelnen Berufssparten entsprechend aus: Neben der sechssitzigen Doka kann man ihn jetzt auch als vorgerüsteten „Straßenkehrer“ oder als „Feuerwehrmann“ mit 9,8 Tonnen Gesamtgewicht ordern. 15 Radstände zwischen 3020 und 6260 Millimeter samt Sattelzugmaschine stehen zur Wahl. Der Atego weiß, was er kann – Klappern gehört nicht mehr zu seinem Handwerk! ❙❚■ Gregor Soller „Es war erstaunlich, was wir im Aerodynamik-Endspurt noch herausholen konnten“ Kai Sieber Director Design Vans&Trucks technische daten Motor 4 Zylinder, Hubraum: 5132 cm3, Leistung: 156 PS (115 kW) bei 2200/min., max. Drehm.: 650 Nm bei 1200 bis 1600/min. 4 Zylinder, Hubraum: 5132 cm3, Leistung: 177 PS (130 kW) bei 2200/min., max. Drehm.: 750 Nm bei 1200 bis 1600/min. 4 Zylinder, Hubraum: 5132 cm3, Leistung: 211 PS (155 kW) bei 2200/min., max. Drehm.: 850 Nm bei 1200 bis 1600/min. 4 Zylinder, Hubraum: 5132 cm3, Leistung: 231 PS (170 kW) bei 2200/min., max. Drehm.: 900 Nm bei 1200 bis 1600/min. 6 Zylinder, Hubraum: 7698 cm3, Leistung: 238 PS (175 kW) bei 2200/min., max. Drehm.: 1000 Nm bei 1200 bis 1600/min. 6 Zylinder, Hubraum: 7698 cm3, Leistung: 272 PS (200 kW) bei 2200/min., max. Drehm.: 1100 Nm bei 1200 bis 1600/min. 6 Zylinder, Hubraum: 7698 cm3, Leistung: 299 PS (220 kW) bei 2200/min., max. Drehm.: 1200 Nm bei 1200 bis 1600/min. Viele kleine Details dürften dafür sorgen, dass sich der Atego künftig komfortabler fährt Exklusiv-Interview Der Wohlfühlfaktor im Verteiler-LKW erleichtert die Arbeit Im Interview erklärt Kai Sieber, Director Design Vans&Trucks bei Mercedes-Benz, die Ziele, die hinter der tief greifenden Überarbeitung des Atego standen und warum der Rohbau beibehalten wurde.Wie würden sie den neuen Atego in drei Worten definieren? Kai Sieber: Das ist schnell zusammengefasst: Er ist kompetent, ehrlich und wertig.Atego-Fahrer sind tendenziell weniger produktaffin und begeistert als ihre Kollegen im Fernverkehr – wie können Sie im Design da gegensteuern? Ein Atego-Nutzer mag weniger „Petrol-Head“ oder besser „Diesel-Head“ sein. Der Umgang mit einem gut gestalteten LKW schafft dennoch einen unbewussten Wohlfühlfaktor und das schöne Gefühl, mit einem leistungsfähigen, effizienten und zuverlässigen Arbeitsgerät unterwegs zu sein. Das hilft, die Arbeit konzentriert und sicher zu verrichten. Und das hat uns angetrieben. Ein zweiter und sehr bedeutender Aspekt unserer Design-Aufgabe war es, den Atego in der neuen Actros-/ Antos-/ Arocs- Familie ankommen zu lassen: Die Produkt-Identität von Mercedes-Benz-Trucks mit all ihrer Emotionalität erscheint so wieder wie aus einem Guss. Wird es auch verschiedene Ausstattungs-levels geben?Ja, neben der Basisversion gibt es ein Optik-Paket mit mattchrom-farbigen Zierteilen – wir nennen es Silver Shadow. Eine weitere Alternative sind Zierteile in der Holzoptik, die aus dem neuen Actros bekannt ist, was wir mit Wurzelholz matt bezeichnen. Rohbau und Armaturentafel mussten übernommen werden – weshalb? Der Atego-Rohbau ermöglicht einen extrem niedrigen Einstieg. Dieser war uns für dieses Produkt-Segment sehr wichtig und wäre auf Basis unserer neuen modularen Kabinen-Plattform nicht möglich gewesen. Entsprechend haben wir das gesamte Interieur im Rahmen der bestehenden Architektur überarbeitet. Farben, Materialien und insbesondere die HMI-(Elektronik, d. Red.) Komponenten entsprechen den neuen schweren Modellen. Konnten durch das neue Design auch Gewicht und Fertigungskosten gesenkt werden?Wir haben an einigen Stellen Randbedingungen geschaffen, um in der Montage mit weniger Aufwand ein präziseres Erscheinungsbild zu erreichen. Dabei haben wir angewandt, was wir aus dem Actros-Projekt lernten. Als Beispiel sei der „schwimmende“ Kühlergrill genannt, der in der Frontansicht analog zum neuen Actros keine sichtbaren Fugen hat. Um wie viel konnte die Aerodynamik verbessert werden?Die neue Eckbeplankung, die Kühlluftdurchströmung und insbesondere der Frontspoiler haben uns deutliche Fortschritte in der Aerodynamik gebracht. Was war da die heikelste Ecke? Den Frontspoiler haben wir noch recht spät angesetzt. Es war dann spannend zu sehen, was wir dadurch im Aerodynamik-Endspurt noch holen konnten. Die Entwicklung der SFTP- Familie lief ja parallel zur Entwicklung des neuen Atego. Nun würde man erwarten, dass die großen Brüder den Kleinen beeinflussen, was natürlich auch massiv der Fall war. Es gab aber auch schöne Beispiele, wo das umgekehrt war: So haben wir uns für den Atego weiße LEDs für die Hinterbeleuchtung der Instrumente geleistet. Das kam so klar und präzise, dass dieses Feature Standard für alle Varianten der Actros-/ Antos-/ Arocs-Familie wurde. gs

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