Unbekannte

Unbekannte WasserstraßenDas Schiff als Transportmittel ist bei vielen Logistikverantwortlichen immer noch nicht angekommen. Dies zeigt eine Umfrage zum Thema Short Sea Shipping bei 90 Unternehmen der verladenden Wirtschaft.Viele Speditionsunternehmen erwecken bei ihren Verladern nicht den Anschein eines hohen Kenntnisstandes hinsichtlich multimodaler Transportorganisation.“ Zu diesem wenig schmeichelhaften Urteil kommt eine Unternehmensbefragung zum Status quo im Short Sea Shipping aus Sicht der verladenden Wirtschaft in Deutschland (siehe Kasten S. 23). Sie ist nicht repräsentativ, vermittelt jedoch ein Stimmungsbild der verladenden Wirtschaft zu Binnenschiff- und Kurzstrecken-Seeverkehren. Von den 90 befragten Unternehmen nutzen bislang 27 Short Sea Shipping bei ihren Transportaktivitäten, 63 haben mit diesem Verkehrsträger noch keine Erfahrungen gemacht. Das könnte sich aber ändern: 45 dieser Unternehmen zögen einen Wechsel auf wassergebundene Verkehre in Betracht, wenn die Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern verbessert würden (siehe Grafik S. 24). Auch bei zu geringen Kapazitäten im LKW-Transport, einem Ausbau des Wasserstraßennetzes, weiterhin steigenden Kraftstoffpreisen, Mauterhöhungen und steigendem Verkehrsaufkommen käme für die Verlader eine Verlagerung der Transporte in Frage. Als Hauptorganisatoren von Transportketten sollten Spediteure bei diesem Ergebnis aufhorchen – und eventuelle Wissenslücken in Sachen Short Sea Shipping schließen, um ihren Kunden diese Transportalternative anbieten zu können. Fast die Hälfte der befragten Verlader (40 Nennungen) konnte keine Einschätzung abgeben, ob ihre Speditionspartner über das notwendige Know-how zur Organisation von Kurzstreckenseeverkehren verfügen. Von den 50 jener Befragten, die eine Einschätzung wagten, gaben 24 Teilnehmer an, dass sie mit den Kenntnissen ihrer Speditionsunternehmen zufrieden sind. 26 hielten den Wissensstand ihrer Spediteure auf diesem Gebiet dagegen für schlecht. Verlader haben wenig VertrauenFür Christian Jauernig, Partner bei Logo- Team, war es das überraschendste Ergebnis der Befragung, dass derart viele Verlader ihren Speditionspartnern zu wenig Kenntnisse über den Verkehrsträger Wasser zutrauen. „Viele Speditionsunternehmen sind offenbar noch zu sehr auf den LKW-Transport fixiert“, so Jauernig. Dass die Architekten des Verkehrs nicht sämtliche Transportalternativen kennen und beurteilen können, um ihren Kunden die rundum günstigste Lösung vorzuschlagen, sei ein nicht zu unterschätzendes Hemmnis für die Verlagerung von Verkehren von der Straße aufs Wasser. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass es um die Kenntnisse bei den Verladern ähnlich schlecht bestellt ist. Dabei suchen die Verlader zunehmend Alternativen zum Straßentransport, wie Georg Waischnor, Managing Director beim Short Sea Shipping Inland Waterway Promotion Center (SPC), berichtet. Das SPC bietet Unternehmen eine neutrale und kostenlose Beratung rund um ganzheitliche Logistikkonzepte auf europäischen Wasserstraßen. „Allein zwischen April 2006 und März 2007 stieg die Zahl der Anfragen nach Logistikkonzepten mit Short Sea Shipping und Binnenschifffahrt um über 50 Prozent“, berichtet Waischnor. „Dabei hielten sich die Anfragen von Speditionen und Verladern die Waage – wobei wir beobachtet haben, dass sich die Verlader auch bei diesem Thema in der Regel zuerst an ihren Spediteur wenden“, so Waischnor.Initiative gefordertDass die Initiative zur Verlagerung von Transporten aufs Wasser im Grunde von den Spediteuren ausgehen müsste, unterstreicht Christian Jauernig. „Noch sind die Möglichkeiten des Short Sea Shippings zu wenig bekannt. Außerdem haben die Verlader große Vorbehalte gegen Short Sea Shipping.“ Die gebrochenen Verkehre speziell auf dem Wasser, so Jauernig weiter, schienen den Verladern komplex und störungsanfällig – sowohl im Hinblick auf die Planbarkeit als auch auf Ladungsschäden.Zu den Gründen gegen den Einsatz von Short Sea Shipping, die von den Unternehmen geäußert wurden, die den Verkehrsträger Wasser bislang nicht nutzen, zählt unter anderem, dass der Hausspediteur lediglich Straßentransporte anbietet. Auch zu große Entfernungen des Werks oder von Kunden und Lieferanten zu Wasserstraßen wurden als Hinderungsgrund genannt. Außerdem monierten die Befragten zu lange Transportzeiten, geringe Zuverlässigkeit und Planbarkeit durch Niedrig- oder Hochwasser, zu lange Vor- und Nachläufe, zu viele Umladungen mit der Gefahr von Ladungsschäden sowie eine fehlende Koordination der Häfen, Binnenschiffer und Trucker, die zu Organisationschaos und hohen Kosten führen können.Gute Erfahrungen bei den NutzernVor allem die beiden letztgenannten Vorbehalte dürften sich durch ein professionelles Logistikkonzept und eine straffe Steuerung seitens des Spediteurs ausräumen lassen. „Um weitere Verlagerungen von der Straße aufs Wasser zu erreichen, ist es daher wichtig, dass ein Spediteur seinen Kunden aufzeigen kann, wie sich diese Verkehre optimal organisieren lassen,“ sagt Jauernig. Unternehmen, die bereits multimodale Verkehre auf Wasser und Straße durchführen, schätzen die Vorteile dieses Transportsystems. Die Befragung zeigt, dass 17 der 27 Unternehmen, die bereits Short-Sea-Verkehre nutzen, damit überwiegend gute Erfahrungen gemacht haben. Lediglich drei Teilnehmer berichteten über schlechte Erfahrungen, sieben über gemischte. Den am häufigsten genannten Grund für die Nutzung von Short Sea Shipping stellen die geringeren Kosten dar. Doch auch die anderen Vorteile, die von den Unternehmen mit Erfahrungen mit Short Sea Shipping genannt wurden, sind interessant:Transportabwicklung großer Mengen und hoher Gewichte;Unabhängigkeit von Lenk- und Ruhezeitenverordnungen;Nutzung zur Abdeckung von Kapazitätsspitzen, wenn sie planbar sind;Unabhängigkeit von Sonntagsfahrverboten;geringe Geschwindigkeit, aber hohe Planbarkeit;schwimmende Lagerhaltung aufgrund geringer eigener Lagerkapazitäten undumweltschonendes Wirtschaften. Ungeeignet für StückgutDoch natürlich berichteten die Unternehmensvertreter auch von Nachteilen: So sei es ungeeignet für Stückgutverkehre, nicht alle Häfen böten die geeignete Infrastruktur und Umschlagmöglichkeiten, die zeitnahe Vor- und Nachlauforganisation klappe nicht immer, an einigen Flussläufen sei die Brückenhöhe ungenügend, palettenbreite Container seien nur begrenzt verfügbar. Und schließlich beklagten die Verlader, dass manche Speditionen keine Erfahrungen mit Short-Sea-Verkehren haben und der Organisationsprozess dann sehr aufwändig sei. Höchste Zeit für die Logistikdienstleister, sich intensiver mit Short Sea Shipping zu beschäftigen. ❙❚■ Eva Elisabeth Ernst, freie JournalistinImmer mehr Firmen suchen eine Alternative zum Straßentransport – eine Chance für das Schiff?Versand- und Logistikleiter, Einkäufer und Vertriebsleiter aus 90 Unternehmen verschiedener Größen und Branchen wurden Anfang des Jahres per Telefon und online zu ihren Einstellungen und Aktivitäten rund um Short Sea Shipping befragt. Die Befragung wurde von Logo-Team, Fachberater für Logistik und Organisation, und Mariko.ris, dem Maritimen Kompetenzzentrum am Fachbereich Seefahrt der Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven, durchgeführt. Zum Short Sea Shipping zählt das Expertenteam den Binnenverkehr auf Flüssen und Kanälen sowie den küstennahen Verkehr in Nord- und Ostsee sowie im Mittelmeerraum. Weitere Informationen zur Befragung gibt es unter www.shortseaforum.deZu den Vorteilen der Wasserstraße befragt, nannten die Verlader am häufigsten die niedrigen KostenDer Wechsel aufs Wasser ist für viele durchaus denkbar01020304050Gründe für einen VerkehrsträgerwechselBei den Verladern, die Short Sea Shipping bisher noch nicht nutzen, ist die Wechselbereitschaft hoch. Zu den an meisten genannten Gründen, die Unternehmen zum Wechsel aufs Wasser bewegen könnten, gehören eine bessere Anbindung an andere Verkehrsträger, aber auch fehlende Kapazitäten auf der Straße.

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