Strengere Strafen für Schlendriane

Das monatelange Warten könnte ein Ende haben: Unternehmen haben seit Kurzem die Möglichkeit, sich besser gegen säumige Vertragspartner zu schützen. Der Grund: Am 29. Juli 2014 ist das sogenannte Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr in Kraft getreten. Damit setzt die Bundesregierung mit über einjähriger Verspätung eine entsprechende EU-Richtlinie um. Sie will erreichen, dass geschäftliche Kunden offene Rechnungen schneller bezahlen und sich dadurch die Liquidität und Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen verbessern. Wenn andere Unternehmen oder öffentliche Auftraggeber es hinauszögern, fällige Forderungen zu begleichen, oder vertragliche Zahlungsfristen ausreizen und sich so praktisch einen kostenlosen Lieferantenkredit einräumen, ist das auch für die Güterverkehrsbranche mit finanziellen Risiken verbunden. Mitunter bedroht die schlechte Zahlungsmoral der großen Verlader, die sich bis zu 90 Tage Zeit lassen, sogar die wirtschaftliche Existenz von Spediteuren und Frachtführern, sofern diese Mitarbeiter und Material vorfinanzieren müssen. Vereinbarungen im Zweifel unwirksam Gegen diese Schlendrian-Praxis wendet sich das neue Gesetz. Mit ihm ändern sich einige Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und es kommen neue hinzu. Demnach sind Vereinbarungen, in denen sich private Unternehmen oder die öffentliche Hand Zahlungs-, Überprüfungsoder Abnahmefristen einräumen lassen, einer verschärften Wirksamkeitskontrolle unterworfen, wenn sie eine bestimmte Länge überschreiten. Das soll verhindern, dass Schuldner die an sich bestehende Pflicht zur sofortigen Begleichung einer Forderung beliebig auf die lange Bank schieben. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist nun im Zweifel unangemessen und deshalb rechtlich unwirksam, wenn sie eine Zahlungsfrist von mehr als 30 Tagen ab Rechnung oder Gegenleistung oder eine Überprüfungs- oder Abnahmefrist von mehr als 15 Tagen vorsieht. Anderes gilt nur dann, wenn der Schuldner besondere Gründe darlegt, aus denen sich ergibt, dass die Zahlungsfrist angemessen ist. Von diesen gesetzlichen Grenzen darf nur abgewichen werden, wenn sich die Vertragsparteien im Rahmen einer Individualvereinbarung auf Zahlungs-, Überprüfungs- oder Abnahmefristen einigen. Geht es nach dem Bund, sollen Zahlungsfristen, die Unternehmen individuell miteinander vereinbaren, maximal 60 Tage betragen. Alles darüber hinaus ist nur dann gesetzeskonform, wenn der Schuldner nachweisen kann, dass die Vertragspartner den Zahlungsaufschub ausdrücklich so ausgemacht haben und er für den Gläubiger nicht grob unbillig ist. Grob unbillig wäre zum Beispiel eine Abweichung von der guten Handelspraxis, die gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt. Die Zahlungsfrist beginnt auch in diesem Fall mit dem Empfang der Gegenleistung beziehungsweise dem Eingang der Rechnung, falls diese danach zugestellt wird. Kürzere Fristen für öffentliche Hand Für öffentliche Auftraggeber hat die Bundesregierung strengere Vorgaben in Form eines kürzeren Zeitrahmens aufgestellt: Sie müssen in der Regel nach 30 Tagen zahlen. 60 Tage sind für Dienststellen von Bund, Ländern oder Gemeinden, die Aufträge öffentlich ausschreiben müssen, nur dann erlaubt, wenn sie nachweisen, dass eine entsprechende Vereinbarung mit dem Geschäftspartner ausdrücklich getroffen worden und sachlich gerechtfertigt ist. Eine längere Zahlungsfrist ist unwirksam. Die vertragliche Frist für die Abnahme oder Überprüfung einer Leistung darf ebenfalls nur bis zu 30 Tage betragen. Gläubiger steht 40-Euro-Pauschale zu Auftragnehmer sind seit Juli nicht nur besser vor unvorteilhaften Zahlungsmodalitäten geschützt, sondern sollen Außenstände auch effizienter einholen können. Der Gesetzgeber hat die Folgen eines Zahlungsverzugs verschärft, indem er den gesetzlichen Verzugszins um einen Prozentpunkt auf neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz angehoben hat. Der Zinsanspruch des Gläubigers entsteht am Tag nach Ablauf der Zahlungsfrist, sofern die Geschäftspartner diese vertraglich bestimmt haben, oder mit Zustellung seiner Mahnung beim Schuldner, wenn beide Seiten nichts anderes verabredet haben. Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch eines Gläubigers auf Verzugszinsen ausschließt, ist verboten. Zudem hat der Gläubiger bei Zahlungsverzug des Schuldners nun einen Anspruch auf eine Verzugsschadenpauschale in Höhe von 40 Euro. Um an dieses Geld zu kommen, ist keine vorherige Mahnung notwendig. Die Pauschale fällt auch bei verspäteten Abschlagszahlungen oder sonstigen Ratenzahlungen an und ist unabhängig davon, ob wirklich ein Verzugsschaden entstanden ist. Ist der tatsächliche Verzugsschaden aber höher, zum Beispiel, weil ein Rechtsanwalt oder ein Inkassobüro mit der Beitreibung der offenen Forderung beauftragt wurde, ist die 40-Euro-Pauschale auf die entstehenden Rechtsverfolgungskosten anzurechnen. Das neue Gesetz erweitert dazu den rechtlichen Handlungsspielraum von Unternehmensverbänden, um im Namen ihrer Mitglieder intervenieren zu können. Gegen grob nachteilige Vertragsklauseln oder Praktiken können sie mittels Unterlassungsklage vorgehen. Zum Beispiel bei Abweichungen von den neuen gesetzlichen Regelungen über die Zahlungsfrist, den Verzugszinssatz und die 40-Euro-Pauschale. Gesetz gilt für neue Schuldverhältnisse Diese Regelungen gelten für alle Schuldverhältnisse, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes entstanden sind. Darüber hinaus sind sie auf frühere Dauerschuldverhältnisse anwendbar, soweit die Gegenleistung, für die ein Entgelt aussteht, nach dem 30. Juni 2016 erbracht wird. Bei Geschäften mit Verbrauchern greifen sie nicht. Speditions- und Transportunternehmen sollten neue Zahlungsvereinbarungen nun genau unter die Lupe nehmen, bevor sie die Aufträge annehmen (siehe Interview auf Seite 59). Auch Auftraggeber müssen aktiv werden. Marcel Münchau, Rechtsanwalt in der Erfurter Kanzlei Hahn & Partner, rät Unternehmen, die sich bisher langfristige Zahlungsziele haben einräumen lassen, ihre Vertragswerke und die AGB zu prüfen. Andernfalls liefen sie Gefahr, dass Vereinbarungen unwirksam sind oder Unterlassungsklagen nach sich ziehen. Zudem ist es für private Unternehmen und öffentliche Hand noch wichtiger, den Rechnungszugang zu dokumentieren. So ist hinterher unstrittig, ab welchem Datum eine Zahlungsfrist beginnt und wann sie endet. Im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr ist nach Ansicht von Münchau ebenfalls Vorsicht geboten. Aufgrund der unterschiedlichen nationalen Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug in den einzelnen Mitgliedstaaten sei es entscheidend, erklärt der Jurist, welches Recht zwischen den Vertragsparteien zur Anwendung komme. Er empfiehlt, sich im Zweifelsfall per Klausel abzusichern und deutsches Recht zu vereinbaren.