Rotterdam/Bremerhaven. Der Weitblick von der 56 Meter breiten Brücke des mit 397 Metern Länge größten Frachtschiffes der Welt bedeutet für die dänische Reederei Maersk neue wirtschaftliche Perspektiven. „Als Marktführer müssen wir in jeder Hinsicht die Nase vorn haben“, sagt Vorstand Eivind Kolding.
Seit Jahren geistern Pläne für Riesenfrachter der so genannten Super-Postpanmax-Klasse wie ein „fliegender Holländer“ durch die Schifffahrtswelt. Im Hafen von Rotterdam lüftet Maersk den Vorhang. Mit mehr als 11.000 Standardcontainern (TEU) kann die Emma Maersk rund ein Drittel mehr Fracht tragen als die bislang größten Schiffe. „Das verschafft uns deutliche Kostenvorteile“, sagt Kolding, ohne sich in die Kalkulation blicken zu lassen.
„Bisher haben wir keine Gelegenheit gehabt, die Berechnungen in der Praxis zu prüfen», sagt der Kapitän. Erst auf der weiteren Fahrt nach Fernost wird Solmer sehen, ob der 80.000 Kilowatt (110.000 PS) starke 14 Zylindermotor den Riesenfrachter tatsächlich auf die Dienstgeschwindigkeit von 22 Knoten (rund 40 Kilometer pro Stunde) bringt und vor allem, wie viel Treibstoff dabei verbraucht wird. Nach den ersten Meilen bis Rotterdam schwärmt der 64-Jährige bereits: „Sie fährt sich so leicht wie ein kleines Schiff.“
Insgesamt acht Superschiffe will die Reederei bis 2008 in Fahrt nehmen. Im Wochenrhythmus sollen sie Europa mit China verbinden. Ökonomisch sei dieser Liniendienst eine Herausforderung, bestätigt Kolding: „Innerhalb eines Jahres sind die Treibstoffkosten um 50 Prozent gestiegen; gleichzeitig verfielen die Charterraten.“ Außerdem gebe es nur von China in Richtung Europa volle Schiffe: „Auf dem Weg in den Fernen Osten fahren wir leere Kisten.“
Mit einer optimierten Schiffskonstruktion und der hohen Ladungskapazität sowie einer Minimal-Besatzung von 13 Mann glaubt Maersk, die Kostenschere schließen zu können. Zugleich stellt Maersk die Hafenbetreiber mit der Emma vor neue Anforderungen: „In manchen Häfen können wir das Schiff nur auf einer Seite beladen, weil die Kräne dort zu klein sind“, sagt Solmer
Andere Häfen wie beispielsweise Hamburg sind wegen des Tiefgangs von bis zu 16 Metern nicht mehr zu erreichen. Auch für den Containerterminal Bremerhaven muss die Zufahrt über die Außenweser vertieft werden. Maersk wartet aber nicht nur deswegen auf den von den Ländern Niedersachsen und Bremen in Wilhelmshaven geplanten Tiefwasserhafen. „Da kommt man schneller rein und raus“, sagt Kolding.
Geschwindigkeit ist für Maersk ein wichtiger Faktor. Nach der Vorstellungsrunde in insgesamt 13 Häfen in Europa und Asien soll die Emma Maersk nur noch sieben Terminals anlaufen. Dass es dort an Fracht mangeln könnte, mag sich Kolding nicht vorstellen: „Der Welthandel wächst immer noch schneller als unsere Schiffe.“
Ob der Maersk-Flotte von Riesenfrachtern weitere Giganten im Kielwasser folgen werden, lässt er offen: „Andere Reedereien rechnen anders als wir und glauben nicht, dass sich die großen Schiffe rentieren“, räumt Kolding ein. Bislang habe die Konkurrenz aber stets nachgezogen, wenn Maersk eine neue Schiffsgröße auf den Markt brachte.
Mit rund 500 Schiffen und mehr als 30.000 Beschäftigten transportiert die Reederei weltweit jährlich mehr als 1,4 Millionen Container. Mit einem Marktanteil von nach eigenen Angaben 15 Prozent gilt sie als Branchenführer.
Maersk zählt sich selbst zu den größten Reedereien der Welt. Das Unternehmen der dänischen A.P. Møller-Gruppe erwirtschaftete im ersten Halbjahr 2006 bei einem Umsatz von umgerechnet 9,7 Milliarden Euro (1. Halbjahr 2005: 6,9 Milliarden Euro) einen Verlust von 478 Millionen Euro (Vorjahreszeitraum plus 686 Millionen Euro).
Umsatzsteigerung und Verlust führt Maersk unter anderem auf die Übernahme der niederländischen Reederei P&O Nedlloyd 2005 und unerwartete Probleme bei der Integration des Neuerwerbs zurück. Außerdem haben nach Unternehmensangaben steigende Treibstoffpreise und sinkende Frachtraten das Ergebnis belastet.
Neben der Containerschifffahrt ist die A.P. Møller-Gruppe in der Tankerschifffahrt, der Öl- und Gasproduktion sowie im Einzelhandel aktiv. Weltweit beschäftigt der Konzern, der sich zur Hälfte im Besitz der Gründerfamilie Møller befindet, rund 110.000 Mitarbeiter.