Schluss mit Schlupfloch

Ob Arbeitnehmerüberlassung, Einsatz von Freelancern oder auch Werkverträge - Fremdpersonal ist aus der deutschen Transport- und Logistikbranche nicht mehr wegzudenken. Am 1. April 2017 treten neue Regelungen gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen in Kraft. Die Bundesregierung will damit die Leiharbeit auf ihren Ursprung zurückführen und Schlupflöcher schließen. Zum Kern der Reform gehört, dass nur noch offen betriebene Leiharbeit zulässig sein wird. Das bedeutet, dass die Arbeitnehmerüberlassung im Vertrag künftig explizit als solche bezeichnet werden muss. Der überlassene Mitarbeiter muss namentlich genannt werden. Noch vor Beginn der Überlassung muss darauf hingewiesen werden, dass er als Leiharbeitnehmer eingesetzt wird. Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung soll es - anders als bislang - nicht mehr geben. Schluss mit Vorratsverleiherlaubnis "Unter verdeckter Arbeitnehmerüberlassung versteht man, dass Unternehmen Fremdpersonal im Rahmen von Werkoder Dienstverträgen mit einem externen Dienstleister beschäftigen", sagt Manfred Schmid, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Pinsent Masons in München. "Für den Fall, dass sich etwa im Rahmen einer Prüfung herausstellte, dass es sich nicht um Werkverträge, sondern um Arbeitnehmerüberlassung handelt, hielt der Verleiher oftmals eine Vorratserlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung bereit", sagt Schmid. "Das eingesetzte Personal blieb damit Arbeitnehmer des Verleihers. Der Entleiher lief also nicht Gefahr, dass das Fremdpersonal zu eigenem Personal wurde." Das bestätigte jüngst das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 12. Juli 2016, Aktenzeichen: 0 AZR 352/15). Mit der Gesetzesänderung ist es nun nicht mehr möglich, Scheinwerkverträge nachträglich als Leiharbeit zu legalisieren. Die Folge: Es handelt sich um einen Fall von illegaler Arbeitnehmerüberlassung, das eingesetzte Personal wird automatisch Arbeitnehmer des Entleihers. "Unternehmen, die Fremdpersonal über Werk- oder Dienstverträge einsetzen, sollten jetzt ihre Verträge genau prüfen. Laissez fair ist nicht mehr möglich", warnt der Rechtsexperte Schmid. Entscheidend sei allein die faktische Durchführung der Beschäftigung, nicht die Bezeichnung. Für den Einsatz von Leiharbeitern bietet sich ein Rahmenvertrag mit dem Entleiher an. Auf Basis dieses Rahmenvertrags sollten dann Arbeitnehmerüberlassungsverträge für einzelne Leiharbeiter abgeschlossen werden, in denen diese mit Vornamen, Nachnamen und Geburtsdatum benannt sind. Einsatzbegrenzung auf 18 Monate Die Reform sieht außerdem vor, die Höchstdauer der Arbeitnehmerüberlassung in einem Betrieb grundsätzlich auf 18 Monate zu begrenzen. Damit werde der unbestimmte Rechtsbegriff "vorübergehend" konkretisiert, sagt Schmid. Danach müssen sie fest übernommen werden oder sie müssen von der Zeitarbeitsfirma an ein anderes Unternehmen entliehen werden. Liegen zwischen zwei Einsätzen bei demselben Entleiher weniger als drei Monate, wird der erste Zeitraum der Überlassung künftig vollständig angerechnet. Wird der Einsatz für mindestens drei Monate und einen Tag unterbrochen, beginnt die Frist neu. Von der Überlassungshöchstdauer kann durch einen Tarifvertrag auch abgewichen werden. Im Geltungsbereich eines Tarifvertrages der Einsatzbranche, der die Überlassungshöchstdauer verlängert, können die tarifvertraglichen Regelungen durch Betriebsvereinbarung übernommen werden. Enthält der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel für Betriebsvereinbarungen, können auch nicht tarifgebundene Unternehmen davon Gebrauch machen, allerdings nur bis maximal 24 Monate. Für tarifgebundene Einsatzunternehmen gilt diese zeitliche Grenze nicht. Entleiher erhalten vom Gesetzgeber aber eine Übergangsfrist bis mindestens zum 30.September 2017: Für das Erreichen der Höchstdauer zählen erst Überlassungen ab dem 1. April 2017. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit Wie bereits bekannt, schreibt das Gesetz gegen Missbrauch von Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträgen zudem fest, dass Leiharbeiter für gleiche Arbeit künftig höchstens neun Monate lang schlechter bezahlt werden dürfen als die Stammbelegschaft, wenn dies durch einen Tarifvertrag geregelt ist. Noch längere Abweichungen vom Equal Pay sind nur möglich, wenn der Tarifvertrag die Gleichstellung stufenweise nach spätestens 15 Monaten vorsieht. Wichtig: Auch Sachbezüge wie eine vom Arbeitgeber gestellte Unterkunft oder ein Dienstwagen fallen bei der Frage, ob Leiharbeiter genauso bezahlt werden wie feste Kräfte, ins Gewicht. Zudem ist es verboten, Leiharbeiter weiterzuverleihen. Der entleihende Kunde darf die Leiharbeiter daher bei seinen Kunden nur aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages einsetzen. Leiharbeiter dürften darüber hinaus anders nicht dazugezählt werden, wenn es darum geht, ob Schwellenwerte für Unternehmensmitbestimmung beziehungsweise Betriebsräte erreicht werden. Der Betriebsrat muss vom Arbeitgeber über den Einsatz von Leiharbeitern unterrichtet werden. Zudem dürfen streikende Mitarbeiter nicht durch Leiharbeiter ersetzt werden. Das bedeutet aber nicht, dass während eines Streiks gar keine Leiharbeiter beschäftigt werden dürfen. Sie können weiterhin eingesetzt werden, wenn sie keine Aufgaben übernehmen, die bisher von Streikenden verrichtet wurden. Bei Verstößen gegen dieses Streikbrecher-Verbot droht Arbeitgebern eine Strafe von bis zu 500.000 Euro. Aber auch sonstige Verstöße gegen die neuen Vorgaben ahndet der Gesetzgeber mit erheblichen Sanktionen. So entsteht in der Regel ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer, zudem drohen Bußgelder von bis zu 30.000 Euro. Leiharbeiter haben Widerspruchsrecht Ein Novum ist hier die Einführung eines Widerspruchsrechts: Bei illegaler Arbeitnehmerüberlassung, Verstoß gegen die Transparenzpflichten, die Höchstüberlassungsdauer oder bei Verstößen gegen das Verbot des Kettenverleihs kann der Leiharbeitnehmer dem Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher widersprechen, wenn er Mitarbeiter des Verleihers bleiben möchte. Der Grund: "Die Berufsfreiheit wäre tangiert, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens anderer seinen Arbeitgeber verlieren würde", erklärt Schmid. Der Widerspruch ist jedoch an strenge Voraussetzungen geknüpft. So muss der Leiharbeiter schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach dem Verstoß gegenüber dem Verleiher oder Entleiher erklären, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält. Möglichen Umgehungen hat der Gesetzgeber einen Riegel vorgeschoben. "Es ist nicht möglich, den Leiharbeitnehmer zu Beginn des Arbeitsverhältnisses eine sogenannte Festhaltenserklärung auf Vorrat unterschreiben zu lassen, in der er versichert, Arbeitnehmer des Verleihers bleiben zu wollen", sagt Schmid. Denn der Leiharbeiter muss die Festhaltenserklärung künftig persönlich in einer Agentur für Arbeit vorlegen, diese muss die Erklärung mit Datum und dem Hinweis versehen, dass die Identität des Leiharbeiters festgestellt wurde. Sie muss spätestens am dritten Tag nach der Vorlage bei der Agentur für Arbeit dem Verleiher oder Entleiher zugehen. Arbeitnehmer nun gesetzlich definiert Bei den Werkverträgen ändere sich dagegen weiter nichts, stellt Schmid klar. Zwar sei im Koalitionsvertrag noch ein Kriterienkatalog zur besseren Abgrenzung von Scheinwerkverträgen geplant gewesen. Der Gesetzgeber begnüge sich nun aber mit der Verschärfung der Arbeitnehmerüberlassung. Neu ist lediglich eine allgemein formulierte Definition des Arbeitnehmerbegriffs im Bürgerlichen Gesetzbuch. Diese fasst die bestehende Rechtsprechung zur Abgrenzung abhängiger und scheinselbstständiger Arbeit zusammen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Personalwesen www.verkehrsrundschau.de/dossiers Einsatz von Fremdpersonal über Werkverträge So vermeiden Sie böse Überraschungen Wer Fremdpersonal über Werk- oder Dienstverträge beschäftigt, geht ein gewisses Risiko ein: Erteilt er den externen Beschäftigten zum Beispiel Weisungen oder gliedert er sie in den eigenen Betrieb ein, gelten diese schnell als eigene Arbeitnehmer. Ab 1. April 2017 gilt dies ohne Wenn und Aber. Denn die bisherige Lösung, wonach Fremdpersonal Arbeitnehmer des Werkunternehmers bleibt, wenn dieser über eine Vorratserlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt, gibt es dann nicht mehr.Beim Einsatz von Fremdpersonal über Werk- oder auch Dienstverträge sollten Unternehmen daher auf eine klare Abgrenzung achten. Entscheidend ist für die Rechtsprechung nämlich nicht die vertragliche Bezeichnung, sondern die Frage, wie das Vertragsverhältnis in der Praxis gelebt wird. Arbeitgeber sollten daher unter anderem- Externe nicht wegen Schlechtarbeit abmahnen- im Falle von Krankheit keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von ihnen verlangen- keine Mehrarbeit anordnen- Externe nicht in die Schicht- oder Urlaubspläne der eigenen Belegschaft einbinden- keine Personalakten über die externen Beschäftigten führen- das Fremdpersonal nicht an betrieblichen Veranstaltungen wie Weihnachts- oder Sommerfesten teilnehmen lassen- auf die freie Einteilung von Arbeitszeit und Arbeitsort des externen Personals achten- die Externen eigene Arbeitsmittel wie Computer, Drucker und Faxe benutzen lassen- für getrennte Arbeits- und Pausenräume sorgen- Externe immer separat vom eigenen Personal schulen- schlechte Leistungen zurückweisen- externe Mitarbeiter eigene Arbeitskleidung tragen lassen- E-Mail-Adressen von externen Beschäftigten als solche kennzeichnen (zum Beispiel: max.mustermann@XY-extern.de)Bestehen Zweifel am Status des Fremdpersonals, können Arbeitgeber bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein Statusfeststellungsverfahren durchführen lassen. ir

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